RA Prof. Dr. Johannes Weberling: Auskunftspflichten der Presse gegenüber Behörden bei Chiffreanzeige Drucken

RA Prof. Dr. Johannes Weberling, Berlin/Frankfurt (Oder):

Auskunftspflichten der Presse gegenüber Behörden bei Chiffreanzeigen?

A. Sachverhalt

Zeitungen werden immer wieder von verschiedenen Behörden zur namentlichen Nennung von Inserenten aufgefordert, die entweder eine Chiffreanzeige aufgegeben haben oder in ihrer Anzeige eine bloße Telefonnummer zum Rückruf angegeben haben. Neben strafrechtlichen Gründen wird als Grund für das Auskunftsersuchen zumeist die Verhinderung von Schwarzarbeit genannt.

Nachstehend wird deshalb dargestellt, ob und welchen Behörden unter welchen Voraussetzungen Auskunft über die persönlichen Daten eines nicht namentlich genannten Inserenten erteilt werden muß.

B. Rechtslage

Behörden haben gegenüber der Presse keinen pauschalen Auskunftsanspruch über die Namensnennung eines Inserenten. Unabhängig davon, daß ein solcher Auskunftsanspruch gesetzlich nicht vorgesehen ist, wäre ein solcher Anspruch vor allem mit der in Art. 5 Abs. 1 GG niedergelegten Pressefreiheit nicht zu vereinbaren.

I.

Die Presse ist Behörden gegenüber im Allgemeinen nicht verpflichtet, Namen, Telefonnummer oder sonstige Daten eines Inserenten, der sich nicht zu erkennen geben möchte, zu nennen, da die Presse gehalten ist, das Chiffregeheimnis des Inserenten zu wahren. So übernimmt ein Verlag, der mit einem Inserenten einen Anzeigenvertrag über eine Chiffreanzeige abschließt, dem Inserenten gegenüber die vertragliche Nebenpflicht, dessen Namen gegenüber Dritten nicht preiszugeben (vgl. OLG Oldenburg, AfP 1989, 545; Rath-Glawatz, in: Rath-Glawatz/Engel/Dietrich, Das Recht der Anzeige, 3. Auflage 2006, S. 71, Rdnr. 129). Die Presse hat diese vertragliche Verpflichtung grundsätzlich einzuhalten, da die Verletzung der vertraglich übernommenen Pflicht zu Schadensersatzansprüchen des Inserenten im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB führen kann, wenn dem Inserenten durch die Preisgabe seines Namens ein nachweisbarer Schaden entsteht und kein rechtfertigender Grund für die Preisgabe der Daten besteht (vgl. OLG Koblenz, AfP 1980, S. 40 f.; OLG Oldenburg, AfP 1989, S. 544 f. ).

II.

Eine Preisgabe der Daten des Inserenten gegenüber Behörden ist vor diesem Hintergrund nur ausnahmsweise zulässig, wenn für die Preisgabe des Namens des Inserenten ein rechtfertigender Grund besteht und die Behörden keine Möglichkeit haben, die gewünschten Informationen vom Inserenten selbst zu erlangen.

1.
Gemäß § 93 Abs. 1 AO ist die Presse verpflichtet, gegenüber Steuerfahndungsbehörden Angaben zu machen, wenn für die Steuerfahndung ein hinreichender Anlaß besteht und die Sachverhaltsaufklärung durch andere Beteiligte nicht zum Ziel führt oder keinen Erfolg verspricht.

a) Ein hinreichender Anlaß ist nach der Rechtsprechung (vgl. z.B. FG Baden-Württemberg, AfP 1986, 261) bereits dann gegeben, wenn „aufgrund allgemeiner Erfahrung“ bestimmte Formulierungen in Chiffreanzeigen eine Steuerhinterziehung vermuten lassen (§ 208 i.V.m. § 93 AO), wenn beispielsweise ausländische Immobilien von beträchtlichem Wert angeboten werden. Kein hinreichender Anlaß besteht dagegen, wenn Ermittlungen lediglich „ins Blaue hinein“ erfolgen (vgl. BVerfG, NJW 1990, 702; Rath-Glawatz, in: Rath-Glawatz/Engel/Dietrich, Das Recht der Anzeige, 3. Auflage 2006, S. 73 Rdnr. 130 m.w.N.). Bloße Ermittlungen ins Blaue hinein, die eine Namensnennung eines Inserenten nicht rechtfertigen, liegen z.B. vor, wenn eine Behörde ausführt, daß sie nach § 85 AO verpflichtet sei, auch unbekannte Steuerfälle zu ermitteln.

b) Die Sachverhaltsaufklärung kann durch andere Beteiligte zum Erfolg führen, wenn in dem Inserat bereits so viele Angaben zur Person des Inserenten enthalten sind, daß die ermittelnden Finanzbehörden selbst Kontakt zum Betroffenen aufnehmen können. Das ist beispielweise bei einer Chiffreanzeige, in der ein „Eigenjagdrevier“ zum Verkauf angeboten wird, der Fall, wenn sich durch die Orts- und Größenangaben des Grundstücks herausfinden läßt, wo das Reviergrundstück liegt und dadurch der Inserent ermittelbar ist (vgl. Rath-Glawatz, in: Rath-Glawatz/Engels/Dietrich, Das Recht der Anzeige, 3. Auflage 2006, S. 73, Rdnr. 130 m.w.N.).

c) Kein Anlaß für die Namensangabe eines Inserenten gegenüber einer Steuerfahndungsbehörde besteht, wenn in Inseraten „Hilfstätigkeiten für Buchführungsangelegenheiten“ (BVerfG, AfP 1983, 385 ff.) oder die „Erledigung der laufenden Buchführung“ (BVerfG, NJW 1990, 702) angeboten wird, da das Angebot solcher Tätigkeiten keinen Verstoß gegen das Steuerberatungsgesetz darstellt (Rath-Glawatz, in: Rath-Glawatz/Engels/Dietrich, Das Recht der Anzeige, 3. Auflage 2006, S. 73, Rdnr. 130).

2.
Gemäß § 7 SchwarzArbG ist derjenige, der eine anonyme Chiffreanzeige veröffentlicht hat, verpflichtet, der Zollverwaltung Namen und Anschrift des Auftraggebers der Chiffreanzeige mitzuteilen, wenn sich aus der Anzeige Anhaltspunkte für Schwarzarbeit im Sinne von § 1 SchwarzArbG ergeben (vgl. Löffler, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, Rdnr. 118). Hinsichtlich dieser Auskunftsverpflichtung gegenüber der Zollverwaltung gelten ähnliche Grundsätze wie gegenüber den Steuerfahndungsbehörden (vgl. Rath-Glawatz, in: Rath-Glawatz/Engels/Dietrich, Das Recht der Anzeige, 3. Auflage 2006, S. 73, Rdnr. 130). Damit besteht gegenüber der Zollverwaltung immer dann eine Auskunftspflicht, wenn hinreichende Anhaltspunkte für Schwarzarbeit vorliegen und die Klärung des Sachverhalts nicht durch Ermittlung des Inserenten möglich ist.

3.
Eine Auskunftsverpflichtung der Presse über die Person des Inserenten kann auch im Rahmen von anhängigen Strafverfahren bestehen. So gilt das in § 53 Abs. 1 Nr. 5 S. 3 StPO niedergelegte Zeugnisverweigerungsrecht der Presse nur für redaktionelle Beiträge. Es umfaßt nicht den Anzeigenteil und damit auch nicht das Chiffregeheimnis der Presse (BVerfG, AfP 1983, 385; Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 5. Auflage 2005, Kapitel 30 Rdnr. 35; Löffler, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT Anz. Rdnr. 117).

Allerdings gilt eine Auskunftsverpflichtung der Presse in Strafsachen lediglich bei Chiffreanzeigen, die ausschließlich dem geschäftlichen Verkehr dienen, es muß sich also um gewerbliche Anzeigen handeln. Zudem muß die Presse Auskunft nur im Rahmen einer richterlichen Vernehmung erteilen (vgl. Rath-Glawatz, in: Rath-Glawatz/Engels/Dietrich, Das Recht der Anzeige, 3. Auflage 2006, S. 74, Rdnr. 131).

Grundsätzlich ist auch bei bloßen Bagatelldelikten und Ordnungswidrigkeiten eine Auskunftsverpflichtung der Presse denkbar. Allerdings ist in solchen Fällen stets eine fallbezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen erforderlich. Hier kann im Hinblick auf das Grundrecht der Pressefreiheit ein Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrecht der Presse ausnahmsweise in Betracht kommen (vgl. BVerfG, NJW 1990, S. 701 f.; Löffler, in: Löffler, Presserecht, 5. Auflage 2006, BT Rdnr. 117).

III.

Mangels Anonymität des Inserenten liegt keine Chiffreanzeigen vor, wenn in der Anzeige zwar Name und Anschrift des Inserenten fehlen, aber dessen Telefonnummer genannt ist (vgl. Rath-Glawatz, in: Rath-Glawatz/Engels/Dietrich, Das Recht der Anzeige, 3. Auflage 2006, S. 70, Rdnr. 128). Bei solchen Inseraten ist die Presse nicht zur Auskunftserteilung verpflichtet, weil die Ermittlungsbehörden hier die stets die Möglichkeit haben, die Identität und Anschrift des Inserenten durch Anruf unter der vom Inserenten angegebenen Telefonnummer zu klären.

IV.

Eine Auskunft über die Person des Inserenten sollte deshalb in allen Fällen grundsätzlich nur auf schriftliche Anfrage erteilt werden. Nur im Rahmen einer schriftlichen Anfrage läßt sich klären, ob tatsächlich eine Behörde aus welchem Grund um Auskunft nachgesucht hat. Außerdem lassen sich auf diese Weise Regreßansprüche gegen den Inserenten verhindern, da das Presseunternehmen dokumentieren kann, zu welchen Zwecken es die behördlich begehrte Auskunft erteilt hat.