Stellungnahme zum Entwurf der 7. Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (StUG) Drucken

(entspricht der Ausschußdrucksache Nr. 16(22) 067 des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien 16. Wahlperiode )

PROF. DR. JOHANNES WEBERLING
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Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages zum

Entwurf eines siebenten Gesetzes zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes (BT-Drucksache 16/2969) am 25. Oktober 2006

I. Fragenkomplex (Allgemeines)

1. Wie bewerten Sie grundsätzlich den Gesetzentwurf für ein Siebentes Gesetz zur Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes?

Ausgehend von den Vorgaben des Einigungsvertrages war das Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) 1991 ein tragfähiger Kompromiß des Gesetzgebers zur Sicherung der individuellen Rechte der Betroffenen und dem Schutz des Einzelnen vor der unbefugten Verwendung seiner in den Stasi-Unterlagen enthaltenen persönlichen Daten auf der einen Seite sowie den aus den Grundrechten der Presse- und der Wissenschaftsfreiheit folgenden Informationsrechten und -pflichten von Wissenschaftlern und Journalisten auf der anderen Seite. Ebenso wie sich einzelne 1991/1992 angemerkte Kritikpunkte weitgehend durch die tatsächliche Anwendung des Gesetzes durch die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU) erledigt haben, war die Sorge des damaligen Gesetzgebers vor einem Mißbrach des aus den Stasi-Unterlagen gewonnenen Wissens weitestgehend unbegründet. In der gegenwärtigen Fassung ist die Umsetzung der vom Gesetzgeber durch das Gesetz angestrebten historischen und politischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitdienstes allerdings nur eingeschränkt gewährleistet. Der jetzt vorliegende Gesetzentwurf für ein siebentes Gesetz zur Änderung des StUG löst die aufgetretenen Probleme weitgehend und stellt eine sachgerechte Modernisierung des Gesetzes dar.

2. Sehen Sie über die mit dem Entwurf vorgeschlagenen Änderungen weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarf?

Über die im Entwurf bereits vorgeschlagenen Änderungen hinaus halte ich zur Gewährleistung der historischen und politischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes drei ergänzende Änderungen für erforderlich:

a) Bei der Behörde der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR wird ein großer Bestand sogenannter „vorvernichteter“ Stasi-Unterlagen verwahrt, deren Rekonstruktion bisher nur in einem geringen Umfang und mit einem unverhältnismäßigen Aufwand von Personal möglich war. Die bisher rekonstruierten Bestände deuten darauf hin, daß sich in dem noch nicht rekonstruierten Stasi-Akten-Bestand Unterlagen befinden dürften, die für die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR von größter Bedeutung sind, da der Staatssicherheitsdienst in den letzten Wochen seiner Existenz bemüht war, möglichst die Akten zu vernichten, die von besonderer und aktueller Wichtigkeit für seine Arbeit waren. Das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik Berlin hat eine Verfahrenstechnik entwickelt, mit der diese „vorvernichteten“ Stasi-Unterlagen virtuell rekonstruiert werden können. Bei den virtuell rekonstruierten Stasi-Unterlagen handelt es sich um Datenträger, die nicht von der bisherigen Begriffsbestimmung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in § 6 Abs. 1 Nr. 1 StUG unmittelbar umfaßt sind, da sie nicht beim Staatssicherheitsdienst oder beim Arbeitsgebiet 1 der Kriminalpolizei der Volkspolizei entstanden sind. Um klarzustellen, daß die virtuell rekonstruierten Stasi-Unterlagen den Bestimmungen des StUG unterliegen, sollte § 6 Abs. 1 Nr. 1 StUG nach „überlassen worden sind“ durch die Worte

„bzw. aus diesen virtuell wieder hergestellt worden sind“

ergänzt werden.

b) Der aus dem StUG folgende im Gegensatz zur externen Antragstellung unbegrenzte Aktenzugang ausschließlich der behördeninternen Mitarbeiter der Abteilung Bildung und Forschung der BStU und der daraus folgenden mangelhaften Überprüfungsmöglichkeit der Forschungsergebnisse dieser Abteilung stößt seit Jahren unverändert zu Recht auf Kritik. Bei der konkreten Anwendung des StUG ist aber nicht nur dem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 GG folgenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sondern auch der Wissenschaftsfreiheit gem. Artikel 5 Abs. 3 GG in der Weise Rechnung zu tragen, daß kein Grundrecht völlig verdrängt wird, sondern ein Ausgleich gefunden wird, der beiden Grundrechten die größtmögliche Wirkung beläßt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß die Wissenschaftsfreiheit gem. Artikel 5 Abs. 3 GG in ihrem Geltungsbereich im Gegensatz zum Grundrecht der Pressefreiheit gem. Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht durch allgemeine Gesetze eingeschränkt werden kann, sondern lediglich durch andere Grundrechte. Das BVerfG vertritt seit seinem sogenannten „Hochschulurteil“ in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit in Artikel 5 Abs. 3 GG dem Staat die Verpflichtung auferlegt, die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation durch die Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern. Daraus folgt nicht zuletzt, daß behördliche Verfahren so ausgestaltet werden müssen, daß der einzelne Forscher in der Lage ist, von seinem Recht aus Artikel 5 Abs. 3 GG auch tatsächlich Gebrauch zu machen. Hinsichtlich der persönlichkeitsrechtlich mindestens ebenso sensiblen Strafprozeßakten hat der Gesetzgeber deshalb die Übermittlung personenbezogener Informationen für wissenschaftliche Zwecke in § 476 StPO geregelt. Nach § 476 Abs. 3 StPO dürfen personenbezogene Informationen nur an solche Personen übermittelt werden, die Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete sind, also hinsichtlich ihrer Geheimhaltungspflichten und strafrechtlichen Ahndung bei einer Verletzung ihrer Geheimhaltungspflichten den Amtsträgern gleichgestellt sind. Damit die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen die Möglichkeit bekommt, behördenfremde wissenschaftliche Forschungsvorhaben angemessen zu unterstützen und eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen der behördeneigenen Abteilung Bildung und Forschung und externen wissenschaftlichen Einrichtungen zu ermöglichen, sollte Artikel 1 Ziffer 12 b) bb) des Gesetzentwurfs wie folgt gefaßt werden:

„In Satz 1 werden in Nr. 5 der Punkt durch ein Komma ersetzt und nach Nr. 5 folgende Nrn. 6 und 7 angefügt:

6. Unterlagen mit personenbezogenen Informationen zu Verstorbenen, deren Tod 30 Jahre zurückliegt; ist es nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand festzustellen, endet die Schutzfrist 110 Jahre nach der Geburt; Nrn. 1 – 5 bleiben unberührt.

7. Unterlagen mit personenbezogenen Informationen an Hochschulen, andere Einrichtungen, die wissenschaftliche Forschung betreiben, soweit

dies für die Durchführung der wissenschaftlichen Forschungsarbeit erforderlich ist und

eine Nutzung anonymisierter Informationen zu diesem Zweck nicht möglich oder die Anonymisierung mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden ist, wenn die Empfänger dieser Informationen Amtsträger oder nach dem Verpflichtungsgesetz förmlich verpflichtet worden sind.“

In der Gesetzesbegründung sollte dazu zudem ausdrücklich klargestellt werden, daß die §§ 32, 33 StUG gem. § 34 StUG entgegen der Auffassung des BVerwG grundsätzlich gleichermaßen für die Verwendung der Stasi-Unterlagen durch Presse, Rundfunk und Film gelten, aufgrund der noch größeren Reichweite der Wissenschaftsfreiheit gem. Artikel 5 Abs. 3 GG im Vergleich zur Pressefreiheit in Artikel 5 Abs. 1 Nr. 2 GG die wissenschaftsspezifische Sonderregelung in § 32 Abs. 1 Nr. 7 gerechtfertigt ist.

c) Die arbeits- und dienstrechtliche Vorwerfbarkeit einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst endet am 29. Dezember 2006. In keiner Weise verknüpft ist damit die Notwendigkeit der weiteren Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes in der DDR, die für die politische Kultur in Deutschland von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Es ist aber zu erwarten, daß diese Vorschrift nicht wie aus ihrem Wortlaut und ihrer Systematik eigentlich unmißverständlich ersichtlich ausschließlich auf Dienst- und Arbeitsverhältnisse angewendet werden wird, sondern von den Instanzgerichten zu Unrecht als allgemeine Wertungsentscheidung des Gesetzgebers gerade bei Veröffentlichungen im Rahmen der publizistischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes herangezogen werden wird. Um diese interessensorientierte Falschauslegung dieser Vorschrift und damit eine erhebliche Behinderung der publizistischen und wissenschaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes zu verhindern, ist es zwingend erforderlich, daß in den §§ 20 Abs. 3 und 21 Abs. 3 (Artikel 1 Ziffern 5 und 6 jeweils b des Gesetzentwurfs) dieses durch die Formulierung

„Die Tatsache der Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst darf den Mitarbeitern außer in den vorgenannten Fällen in arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsverhältnissen nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.“

klargestellt wird.

3. Wie bewerten Sie die Vorschläge zur Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten zu den Stasi-Unterlagen für die politische und historische Aufarbeitung durch Forschung, Medien und politische Bildung?

In Anbetracht der aktuellen Entwicklung der Rechtsprechung (vgl. BVerfG, Beschluß vom 22. August 2006 – 1 BvR 1168/04; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2006 – I ZR 277/03), die den postmortalen Persönlichkeitsschutz bejaht, diesen aber in Anlehnung an § 22 Satz 3 KUG ungefähr zehn Jahre nach dem Tod des Verstorbenen enden läßt, ist die Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten für die Stasi-Unterlagen für die politische und historische Aufarbeitung zu begrüßen. Es würde allerdings genügen, wenn die in § 32 Abs. 1 Nr. 6 (neu) vorgesehene Frist entsprechend der Parallelvorschrift in § 22 Satz 3 KUG und der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BGH und des BVerfG auf zehn statt 30 Jahre nach dem Tode des Betroffenen beschränkt wird.

Die Ergänzung des § 32 Abs. 1 um einen Satz 4 (Artikel 1 Ziffer 12 b) cc) des Gesetzentwurfs) und von § 32 Abs. 3 um einen Satz 4 (Artikel 1 Ziffer 12 c) bb) des Gesetzentwurfs) ist in Anbetracht der geltenden äußerungsrechtlichen Bestimmungen nicht nur überflüssig, sondern wird in der Rechtsanwendung durch die zuständigen Gerichte kontakarriert werden.

Gem. den Landespressegesetzen ist die Presse ohnehin verpflichtet, jede Nachricht vor ihrer Verbreitung mit der journalistisch gebotenen Sorgfalt auf Herkunft und Wahrheit sowie den Schutz überwiegender öffentlicher und privater Interessen hin zu überprüfen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für wissenschaftliche Arbeiten (vgl. zuletzt LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 21. Oktober 2005 – 17 O 174/05 (rechtskräftig), AfP 2006, 272 f.). Kommen Medien oder Wissenschaft und Forschung ihren diesbezüglichen Pflichten nicht nach, steht den Betroffenen umfangreicher gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung. Die bedauerlichen Fehlleistungen einzelner Medien haben in den vergangenen Jahren leider dazu geführt, daß zahlreiche Pressekammern auch bei der Berichterstattung „seriöser“ Medien dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht grundsätzlich ein Übergewicht im Vergleich zum Grundrecht der Pressefreiheit mit der Folge einräumen, daß deswegen zahlreiche Recherchevorhaben unterbleiben und bestehende Mißstände in unserer Gesellschaft nicht mit dem notwendigen Nachdruck an die Öffentlichkeit gebracht werden. Abgesehen davon, daß es schlicht nicht denkbar ist, daß es schutzwürdige Interessen anderer (!) Personen geben sollte, die das Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung personenbezogener Informationen zu seit längerer Zeit schon Verstorbenen überwiegend könnten, würde eine derartige Bestimmung von zahlreichen Instanzgerichten als Begründung dafür herangezogen, daß die Persönlichkeitsrechte nach dem Willen des Gesetzgebers ein im Vergleich zur Presse- bzw. Wissenschaftsfreiheit erheblich stärkeres Gewicht genießen.

4. Wie bewerten Sie die bisherige Beschränkung des Aufgabenbereichs der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes auf „Zwecke der politischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes“ und wie bewerten Sie die im Gesetzentwurf vorgesehene Erweiterung der Verwendungszwecke auf die „Aufarbeitung des gesamten Herrschaftsapparates der DDR und der Sowjetischen Besatzungszone?“ Ist diese Erweiterung weit genug und ausreichend präzise gefaßt? Welche Fälle werden von dieser Regelung erfaßt und welche nicht? Trägt die vorgesehene Erweiterung der Aufarbeitungsmöglichkeiten dem Grundrecht der Informationsfreiheit nach Artikel 5 GG und gleichzeitig dem Datenschutz Rechnung?

Der Staatssicherheitsdienst der DDR war als „Schild und Schwert“ der SED das Herzstück des totalitären Staatswesens der DDR. Die Erweiterung des Aufgabenbereichs in § 32 Abs. 1 Satz 1 StUG trägt dem Umstand Rechnung, daß der Staatsicherheitsdienst kein „Staat im Staat“, sondern Instrument des Herrschaftsapparates in der DDR war und deshalb vielfältige Wechselbeziehungen zwischen dem Staatssicherheitsdienst und dem jeweils korrespondierenden Teil des Herrschaftsapparats der DDR bestanden. Die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der DDR muß die vielfältigen Formen sowohl der Unterdrückung und des Gefügigmachens von Menschen, aber auch des Aufbegehrens, der Zivilcourage und des Widerstandes im kleinen und großen für die öffentliche Diskussion und politische Bildung dokumentieren. Dieses ist in einer befriedigenden umfassenden Weise nur möglich, wenn die nicht zuletzt in den Stasi-Unterlagen dokumentierten Wechselbeziehungen zwischen dem Staatssicherheitsdienst und dem Herrschaftsapparat der DDR einbezogen werden. Diese Erweiterung des Aufgabenbereichs der Bundesbeauftragten erleichtert deshalb ihre Tätigkeit zur Unterstützung entsprechender politischer, publizistischer und historischer Aufarbeitungsprojekte, da Wissenschaftler und Journalisten in Zukunft nicht mehr gezwungen sind, für Unterlagen, die sowohl bei der Bundesbeauftragten als auch beim Bundesarchiv liegen, zeitaufwendig auch zusätzlich das Bundesarchiv aufzusuchen. Die das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen sichernden Vorschriften des StUG werden durch diese Erweiterung in keiner Weise eingeschränkt, so daß der notwendige Ausgleich zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsgrundrecht und den Grundrechten der Presse-, Rundfunk- und Wissenschaftsfreiheit Genüge getan ist.

5. Sehen Sie die Notwendigkeit, daß die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (BStU) an das Votum des Beirats (nach § 39 StUG) gebunden ist, oder wäre dies Ihres Erachtens unvereinbar mit der Unabhängigkeit der vom Deutschen Bundestag gewählten Bundesbeauftragten?

Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (BStU) ist gem. § 35 Abs. 5 Satz 2 StUG in der Ausübung ihres Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Sie untersteht dabei nur der Rechtsaufsicht der Bundesregierung. Die BStU hat die Pflicht, gem. § 39 Abs. 2 StUG den Beirat über grundsätzliche und andere wichtige Angelegenheiten zu unterrichten und diese dann mit ihm zu erörtern. Darüber hinaus berät der Beirat die BStU in den gesetzlich festgelegten Angelegenheiten. Eine darüber hinausgehende Bindung der BStU an das Votum des Beirats wäre mit ihrer unabhängigen und nur dem Gesetz unterworfenen Amtsausübung nicht vereinbar.

6. Wie bewerten Sie die Entwicklung bei der Zahl der Anträge auf Akteneinsicht bei der Stasi-Unterlagenbehörde im Hinblick auf die Arbeitsfähigkeit und die Unabhängigkeit der Behörde?

Die Zahl der bei der Behörde unverändert eingehenden Anträge belegt das entgegen zahlreichen anderslautenden Stimmen fortbestehende Interesse breiter Bevölkerungskreise an der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes einerseits und an der Aufklärung persönlicher Angelegenheiten andererseits. Trotzdem haben sich die Bearbeitungszeiten deutlich verringert. Sollte die Zahl der Anträge auf Akteneinsicht in Zukunft signifikant sinken, würde bei der Behörde die Möglichkeit bestehen, sich stärker auf die Unterstützung der Forschung und der politischen Bildung bei der historischen, publizistischen und politischen Aufarbeitung sowie die eigenen Beiträge zur Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes zu konzentrieren. In Anbetracht der zunehmenden Versuche ehemaliger Täter zur Legendenbildung wäre dieses auch wünschenswert.

2. Fragenkomplex (Änderungen aufgrund von praktischen Erfahrungen bei der Anwendung des StUG)

1. Die Regelung über den Zugriff auf das Zentrale Einwohnerregister der DDR (ZER) ist am 31.12.2005 außer Kraft getreten. Mit dem Gesetzentwurf soll der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der Zugriff auf einen festgelegten Stammsatz von Identifizierungsdaten aus dem ZER wieder ermöglicht werden. Sehen Sie rechtliche Bedenken, wenn dies nach einem Jahr Unterbrechung jetzt wieder erlaubt wird?

Schützenswerte Interessen oder einen Rechtsanspruch darauf, daß das ZER der Bundesbeauftragten für ihre Aufgaben nicht mehr zur Verfügung steht, existieren nicht. Die dauerhafte Regelung des Zugriffs der Bundesbeauftragten auf das ZER ist auch sachlich begründet. Die Persönlichkeitsrechte der davon betroffenen Personen sind durch die detaillierten Schutzbestimmungen des StUG hinreichend gewahrt.

2. Mit dem Gesetz soll der Personenkreis der nahen Angehörigen, denen ein Akteneinsichtsrecht zukommt, auch auf Adoptivkinder hinsichtlich ihrer leiblichen Eltern und leibliche Eltern hinsichtlich ihrer zur Adoption freigegebenen Kinder und der Kreis der nahen Angehörigen auf Verwandte dritten Grades, für den Fall, daß keine Angehörigen im Sinne von Artikel 15 Abs. 3 vorhanden sind, erweitert werden. Wie bewerten Sie diesen Regelungsvorschlag?

Die Erweiterung des Personenkreises ist ebenso sachgerecht wie überfällig.

3. Mit dem Gesetzesvorschlag soll auch die Einführung neuer Technologien – insbesondere eines Informations- und Kommunikationssystems – erleichtert werden, um das Angebot der BStU im Bereich Bildung und Forschung leicht und effizient zugänglich zu machen und um den Kontakt der Behörde zu den Bürgerinnen und Bürgern zu verbessern. Wie bewerten Sie die Regelung zur Einführung moderner Informations- und Kommunikationssysteme?

Der Gesetzgeber hatte sich bei der Beschlußfassung des StUG 1991 auf die bisherigen restriktiven Regelungen für automatisierte Verfahren beschränkt, da für ihn damals noch nicht absehbar war, ob der sensible Datenbestand auch mit modernen Datenverarbeitungsmethoden fachgerecht erschlossen und zur Verfügung gestellt werden kann. Die praktische Anwendung des Gesetzes belegt, daß die damaligen Sorgen unbegründet waren. Durch die jetzt vorgesehene Änderung bekommt die Bundesbeauftragte endlich die Möglichkeit, zeitgemäße Technologien zur Erfüllung ihres Auftrages insbesondere zur Unterstützung politischer Bereich und Forschung einzusetzen.

3. Fragenkomplex (Überprüfung bestimmter Personengruppen - §§ 20 und 21)

1.Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund des allgemeinen Verjährungsgrundsatzes die Neufassung der §§ 20 und 21, mit der auch nach Ablauf der Frist am 29.12.2006 Überprüfungen von Personen möglich sind, die in der Öffentlichkeit eine herausragende Stellung einnehmen oder die in Bezug auf die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes eine Aufgabe erfüllen, die besondere Anforderungen an ihre Vertrauenswürdigkeit stellt? Wie bewerten Sie die Forderungen, die Frist für die Überprüfung bestimmter Personengruppen grundsätzlich zu verlängern bzw. aufzuheben?

Es ist zunächst klarzustellen, daß es sich bei dem genannten allgemeinen Verjährungsgrundsatz um den Grundsatz der Verjährung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten handelt. Diesen nachgebildet endet die arbeits- und dienstrechtliche Vorwerfbarkeit einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst am 29. Dezember 2006. In keiner Weise verknüpft ist damit die Notwendigkeit der weiteren Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes in der DDR, die für die politische Kultur in Deutschland von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Wie oben bereits dargelegt, werden dabei vielfältige Formen sowohl der Unterdrückung des Menschen, aber auch des Aufbegehrens, der Zivilcourage und des Widerstandes dokumentiert. Eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft, die mehr denn je auf die Mitwirkung couragierter Staatsbürger angewiesen ist, kann auf diesen Fundus an Informationen nicht verzichten. Mündige Staatsbürger haben ein Recht darauf, Personen, die ihre Interessen präsentieren bzw. die in Einrichtungen unseres Gemeinwesens an gehobener Stelle tätig sind, mit allen Facetten zu kennen und dann zu entscheiden, ob sie von diesen Personen repräsentiert werden wollen oder nicht. Sie haben ein Recht darauf, zu erfahren, ob Personen ihre Position nur dadurch erreichen konnten, weil sie relevante Sachverhalte ihres Lebens verschwiegen, oder – noch schlimmer – diese durch vorsätzlich falsche Behauptungen erhalten haben. Ob diese Person dann in der Position verbleibt oder nicht, ist keine Frage der arbeitsrechtlichen oder dienstrechtlichen Bewertung der Vorgreifbarkeit, sondern eine politische Frage, die letztlich vom jeweiligen Souverän selbst entschieden wird. Die Tatsache, daß einem Mitarbeiter durch seine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden darf, hat keinen Einfluß auf die unveränderte Zulässigkeit der politischen, publizistischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes. Es ist daher sachgerecht, wenn eine Überprüfung von Personen in gesellschaftlich herausgehobenen Funktionen möglich bleibt und nicht von mehr oder weniger zufälligen Ergebnissen der publizistischen und historischen Aufarbeitung abhängig ist.

2. Wie bewerten Sie die Eingrenzung der Personenkreise, bei denen auch künftig eine Überprüfung zulässig sein soll? Sind die Personenkreise praktikabel und eindeutig definiert und differenziert? Welche Differenzierungen zwischen zu überprüfenden Personengruppen (Unterscheidungen nach Verantwortungsgrad, Gehaltsgruppen etc.) sind möglich und wären bei der Anwendung der §§ 20 und 21 StUG sinnvoll. Wie bewerten Sie die Unterteilung in Personenkreise, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte für einen Verdacht vorliegen müssen und solche, bei denen es keines Verdachtes bedarf?

Es ist sinnvoll, den Personenkreis auf Personengruppen zu beschränken, die in ihrer gesellschaftlichen oder politischen Position eine herausragende Stellung einnehmen. Allerdings ist die Personengruppe der Beamten und Angestellten, die eine Behörde leiten oder eine ähnliche verantwortungsvolle Aufgabe wahrnehmen, in §§ 20 Abs. 1 Nr. 6 d, 21 Abs. 1 Nr. 6 d StUG (Artikel 1 Ziffern 5 a) und Artikel 1 Ziffer 6 a) des Gesetzentwurfs) zu ungenau, da der Begriff „ähnlich verantwortungsvolle Aufgabe“ nicht hinreichend abgrenzbar ist. Im Anschluß an den in der Rechtsprechung hinreichend präzise herausgearbeiteten Begriff des leitenden Angestellten in § 5 Abs. 3 BetrVG sollte unter Bezug auf diese Rechtsprechung in der Gesetzesbegründung in Artikel 1 Nrn. 5 a) und 6 a) jeweils unter Ziffer 6 bzw. 7 der Buchstabe d) wie folgt gefaßt werden:

„Beamte und Angestellte, die eine Behörde leiten oder Aufgaben eines leitenden Angestellten wahrnehmen.“

Es ist im übrigen sachgerecht, daß bei Personen, die beruflich unmittelbar das StUG umsetzen, sichergestellt bleibt, daß diese nicht oder jedenfalls nur im bekannten Umfang für den Staatssicherheitsdienst tätig waren, da die Glaubwürdigkeit dieser Institutionen ansonsten nicht gewährleistet ist. Aus diesem Grund sollte die Liste der insoweit überprüfbaren Personen um die Mitglieder des vorgesehenen wissenschaftlichen Beratungsgremiums gem. § 39 a ergänzt werden und Artikel 1 Nrn. 5 und 6 jeweils a) aa) des Gesetzentwurfs jeweils in Nr. 7 a) wie folgt gefaßt werden:

„Mitglieder des Beirats nach § 39 und Mitglieder des wissenschaftlichen Beratungsgremiums nach § 39 a“.

3. Sollte angesichts der aktuellen Diskussion eine Überprüfung von Sportfunktionären weiterhin möglich sein? Wie könnte eine dementsprechend enge Definition des Personenkreises lauten?

Die Sauberkeit und Glaubwürdigkeit des Sports gerade auf der internationalen Ebene macht vor dem Hintergrund der Aktivitäten des Staatssicherheitsdienstes zur Abschirmung des systematischen Dopings von Sportlern in der DDR eine Überprüfungsmöglichkeit jedenfalls bei Spitzenvertretern des deutschen Sportes zwingend erforderlich. Der Personenkreis könnte wie folgt definiert werden:

„Mitglieder des Vorstands des Deutschen Olympischen Sportbundes, Repräsentanten des deutschen Sports in internationalen Gremien sowie Trainer von Mitgliedern der deutschen Nationalmannschaften.“

4. Halten Sie es für richtig, daß, wie bisher vorgesehen, die Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst außer in den genanten Fällen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden darf?

Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es wichtig, daß nach dem 29. Dezember 2006 Mitarbeitern ihre Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden darf. Es ist aber zu erwarten, daß diese Vorschrift nicht wie aus ihrem Wortlaut und ihrer Systematik eigentlich unmißverständlich ersichtlich ausschließlich auf Dienst- und Arbeitsverhältnisse angewendet werden wird, sondern von den Instanzgerichten als allgemeine Wertungsentscheidung des Gesetzgebers gerade bei Veröffentlichungen im Rahmen der publizistischen und historischen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes zu Unrecht herangezogen werden wird. Um diese interessensorientierte Falschauslegung dieser Vorschrift und damit eine erhebliche Behinderung der publizistischen und wissenschaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes zu verhindern, ist es zwingend erforderlich, daß in den §§ 20 Abs. 3 und 21 Abs. 3 (Artikel 1 Ziffern 5 und 6 jeweils b des Gesetzentwurfs) dieses beispielsweise durch die Formulierung

„Die Tatsache der Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst darf den Mitarbeitern außer in den vorgenannten Fällen in arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsverhältnissen nicht mehr vorgehalten und nicht zu seinem Nachteil verwertet werden.“

klargestellt wird.

5. Wie beurteilen Sie, daß bisher angefallene Unterlagen vernichtet werden sollen? Ist diese Regelung durchsetzbar?

Entscheidend ist, daß einem Mitarbeiter seine Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst nach dem 29. Dezember 2006 nicht mehr arbeits- bzw. dienstrechtlich vorgehalten werden kann. Damit unterliegen die beim Arbeitgeber bzw. Dienstherrn vorhandenen diesbezüglichen Unterlagen einem absoluten Verwertungsverbot. Auf die Vernichtung dieser Unterlagen kommt es daher nicht an. Sie ist in der Realität auch nicht tatsächlich durchsetzbar. Abgesehen davon wäre es schon aus zeithistorischen Forschungsgründen sinnvoller, entsprechende Unterlagen den zuständigen Archiven anzubieten, die dann entscheiden können, ob diese Unterlagen archivwürdig sind und in diesem Falle nach Ablauf der Schutzfristen der Forschung zur Verfügung gestellt werden können.

§§ 20, 21 jeweils Abs. 3 Satz 4 sollten deshalb wie folgt gefaßt werden:

„Unterlagen zur Auskunft und Mitteilung, die im Zusammenhang mit früheren Überprüfungen bei den anfordernden Stellen angefallen sind, sind außer in den vorgenannten Fällen von Amts wegen zu entfernen und dem Bundesarchiv nach § 2 Abs. 1 des Bundesarchivgesetzes oder dem zuständigen Landesarchiv entsprechend anzubieten.“

6. Besteht auch nach den vorgeschlagenen Änderungen die Möglichkeit einer freiwilligen Überprüfung (zum Beispiel von Bundestagsabgeordneten) unter Einbeziehung der Unterlagen nach §§ 20 und 21 StUG? In welchem Verhältnis steht die anlaßbezogene Überprüfung von Abgeordneten im Rahmen der §§ 20, 21 StUG mit der Regelung des § 44 c des Abgeordnetengesetzes?

Die §§ 20 Abs. 1 Nr. 6, 21 Abs. 1 Nr. 6 StUG legen unmißverständlich fest, daß eine Überprüfung nur bei Vorliegen erheblicher Anhaltspunkte für den Verdacht einer Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst möglich ist. Eine freiwillige Überprüfung und eine Regelüberprüfung gem. § 44 c des Abgeordnetengesetzes ist nach der Novellierung des StUG in der vorgesehenen Form nicht mehr möglich. Soll die Regelung des § 44 c Abgeordnetengesetz weiter Verwendung finden, müßten die §§ 20, 21 StUG in Absatz 1 Ziffer 6 b beispielsweise wie folgt gefaßt werden:

„Abgeordnete sowie Angehörige kommunaler Körperschaften mit der Maßgabe, daß § 44 c Abgeordnetengesetz davon unberührt bleibt,“

4. Fragenkomplex (Verbesserung des Zugangs zu personenbezogenen Unterlagen Verstorbener)

1. Wie bewerten Sie die Ausweitung des Zugangs auf die Akten Verstorbener?

Die Regelung ist sachgerecht, da bei wortgetreuer Auslegung und Anwendung des StUG die Akten Verstorbener für die Aufarbeitung nicht mehr zur Verfügung stehen würden, was die Intention des StUG zunehmend ins Gegenteil verkehren würde.

2. Sehen Sie mit den mit diesem Gesetzentwurf gewählten Schutzfristen – am Bundesarchivgesetz orientiert – die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen oder Dritter gewahrt? Halten Sie die Schutzfrist für ausreichend?

Die am Bundesarchivgesetz orientierten Schutzfristen sind zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und Dritten in jeder Hinsicht ausreichend. Der postmortale Persönlichkeitsschutz wird in Anlehnung an die ausdrückliche Regelung in § 22 Satz 3 KUG wie bereits dargelegt mit einer Frist von ca. zehn Jahren nach dem Tod des Betroffenen bemessen. Für den Schutz der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen und eventueller Dritter wäre deshalb wie bereits dargelegt eine entsprechende Frist von zehn Jahren nach dem Tod des Betroffenen ausreichend.

3. Wie bewerten Sie die Gefahr, daß die Verwendung dieser Unterlagen in Persönlichkeitsrechte von Personen eingreift, die zwar nicht selbst in den Unterlagen erwähnt werden, aber in einem engen Verhältnis zu den in den Unterlagen genannten Personen stehen?

Diese Gefahr besteht jedenfalls nach Ablauf von zehn Jahren nicht mehr. Es sind keine Sachverhalte denkbar, in denen berechtigte (!) Persönlichkeitsinteressen von Personen, die nicht in den Unterlagen genannt sind, und in einem engen Verhältnis zu den in den Unterlagen genannten Personen stehen, beeinträchtigt werden könnten. Sollte dieses trotzdem der Fall sein, reichen die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte in jeder Hinsicht aus.

5. Fragenkomplex (Anzahl der Außenstellen - § 35 Absatz 1)

1. Wie bewerten Sie diese Neufassung des StUG bezüglich der Außenstellen („Kann-Formulierung“)?

Um eine zeitgemäße Fortentwicklung der Behördenstruktur der Bundesbeauftragten nicht zu blockieren, ist es sinnvoll, die bisherige zwingende Festlegung zur Unterhaltung von Außenstellen in allen fünf neuen Bundesländern aufzugeben.

6. Fragenkomplex (Wissenschaftliches Beratungsgremium - § 39 a)

1. Wie bewerten Sie die Einrichtung eines solchen wissenschaftlichen Beratungsgremiums zur Beratung der BStU bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes sowie bei der Konzeption seiner Forschungsarbeit? Sind die Aufgaben hinreichend definiert und gegenüber dem bereits bestehenden Beirat deutlich abgegrenzt, oder sind die im § 39 Absatz 2 geregelten Befugnisse des bereits bestehenden Beirats ausreichend?

Das geplante Beratungsgremium kann die Akzeptanz und die Effizienz der Forschungsarbeit der BStU erheblich fördern, wenn die Zugangsmöglichkeiten externer Forscher in der vorstehend angeregten Form erleichtert werden. In diesem Fall kann das wissenschaftliche Beratungsgremium die wissenschaftliche Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes durch die Zusammenführung und Begleitung von Forschern erheblich unterstützen und fördern.

2. Wie bewerten Sie die Vorgaben zur Berufung in das wissenschaftliche Beratergremium?

Wenn die Vorgaben wirklich ernst genommen werden und nicht einem Proporzdenken zum Opfer fallen, sind die Vorgaben grundsätzlich sachgerecht. Nicht nachvollziehbar ist allerdings, daß eine mehr als einmalige Wiederbestellung unzulässig sein soll. Diese sollte zur Sicherung der Kontinuität jedenfalls dann möglich sein, wenn die Kompetenz der erneut zu berufenen Person außer Diskussion steht.

3. Sehen Sie die in § 39 a Abs. 3 formulierten Verschwiegenheitspflichten als ausreichend an?

Wenn die Verpflichtung zur Verschwiegenheit nach Maßgabe des Verpflichtungsgesetzes erfolgt, ist sie ausreichend, da die Mitglieder des Beratungsgremiums insoweit dann Amtsträgern gleichgestellt sind.

Fragen der Fraktion DIE LINKE

1. Betrachten Sie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Gesetzentwurf als gewahrt, wenn berücksichtigt wird, daß Delikte für schwere Körperverletzungen oder das Offenbaren von Staatsgeheimnissen jeweils nach 10 Jahren verjähren?

2. Welche Folgen könnte es für die deutsche Einheit und den Integrationsprozeß in unserer Gesellschaft haben, wenn die Überprüfungen nach Ablauf der gesetzlichen Fristen für einen eingeschränkten Personenkreis fortgesetzt werden?

Die Beantwortung der Fragen ergibt sich aus den oben bereits gemachten Ausführungen.

Berlin/Frankfurt (Oder), den 23. Oktober 2006
Prof. Dr. Johannes Weberling
- Rechtsanwalt -