Dr. Josef Ziegler: Information und Geheimhaltung Drucken

Dr. Josef Ziegler, Würzburg:

Information und Geheimhaltung. Anspruch von Ratsmitgliedern und Öffentlichkeit gegenüber Bürgermeister und Verwaltung

Schriftliche Fassung des Vortrages auf der Veranstaltung des Kommunalwissenschaftlichen Forschungszentrums Würzburg vom 25. Oktober 2004. Der Autor ist Vorstand der Bayerischen Verwaltungsschule, München.

I. Ausgangslage

1. Aktuelle Beobachtungen zum Thema

Mit dem Thema Information und Geheimhaltung verbinden sich Fragen, die keineswegs neu sind, sondern gerade auch Politik und Verwaltung schon immer begleitet haben:

  • Was darf oder was muss ich öffentlich machen, um den berechtigten Erwartungen oder auch rechtlich garantierten Ansprüchen einzelner Bürger, der Öffentlichkeit insgesamt, der Medien oder der Mitglieder von Gemeinde- und Stadträten zu genügen?

  • Was darf oder muss ich umgekehrt geheim halten, um einen ordnungsgemäßen Geschäftsgang in der Verwaltung und den Schutz der persönlichen Sphäre Einzelner zu gewährleisten?


Sind es auch keine neuen Fragen, so sind sie doch unverändert, eher noch zunehmend, aktuell und keineswegs auf Kommunalpolitik und Verwaltung beschränkt, wenn man die Berichterstattung unserer Tage über Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten bis hin zu gerichtlichen Auseinandersetzungen verfolgt. Es gibt sie in Politik und Verwaltung ebenso wie in der Wirtschaft und im Bereich des Privatlebens derer, die zwar die Öffentlichkeit suchen, diese aber dann doch wieder ein Stück auf Distanz halten wollen.

Beispiele gibt es zuhauf:

  • In der Wirtschaft geht es um die Offenlegung von Managergehältern, von manchen Betroffenen als Zumutung empfunden,

  • zum Thema Privatsphäre hat Prinzessin Caroline von Monaco ein Dauerabonnement bei den Gerichten und hat erst jüngst ein richtungsweisendes Urteil vor dem Europäischen Gerichtshof erstritten, das wiederum die Chefredakteure von Bild bis Spiegel in seltener Einmütigkeit auf die Palme gebracht hat;

  • in der Bundespolitik werden Informationsdefizite bei Hartz IV beklagt und man diskutiert darüber, ob und wie detailliert der Verteidigungsminister seinen Gesundheitszustand offen legen muß,

  • in Bayern streitet man um die Bekanntgabe der Standorte von Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen

  • und in der Kommunalpolitik sorgt ein Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zum Auskunftsrecht der Presse für einige Beunruhigung und Verunsicherung bei Bürgermeistern.

2. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse

Allen diesen Vorgängen ist eines gemeinsam: Auslöser sind in aller Regel nicht neue gesetzliche Grundlagen oder geänderte Vorschriften. Hintergrund sind vielmehr gesellschaftliche Veränderungsprozesse, veränderte Wahrnehmungen und Erwartungen, mit keineswegs einheitlichen, vielmehr durchaus unterschiedlichen, teilweise gegenläufigen Strömungen.

Da gibt es zum einen ein gesteigertes Bedürfnis nach öffentlicher Präsentation und Zurschaustellung, das auch auf ein interessiertes Publikum trifft. Andererseits wiederum wächst die Sensibiliät, wenn es um den Schutz der persönlichen Sphäre geht.

Bezogen auf den Bereich, den wir hier näher betrachten wollen, erleben wir ein ständig nachlassendes Interesse am allgemeinen politischen Geschehen, dokumentiert durch die rückläufige Wahlbeteiligung, demgegenüber aber ein sehr viel kritischeres und gezielteres partielles Interesse bei Einzelthemen, wenn man unmittelbar davon berührt oder gar betroffen ist. Da will man nicht nur wissen, was ist, sondern auch, warum das so ist. Man will Bescheid wissen über Gründe und Hintergründe, über Zusammenhänge und Abläufe.

Wir sehen uns heute Bürgern gegenüber, die dort, wo sie interessiert sind, selbstbewusster auftreten. Oder, um in unserem politischen Sprachgebrauch zu bleiben: Wir erleben den mündigen Bürger, den wir uns verbal immer gewünscht haben. Aber wenn er dann tatsächlich in Erscheinung tritt, tun wir uns oft noch schwer mit ihm.

Der gesellschaftspolitische Wandel in den Anschauungen und Erwartungen der Bürger findet seinen Niederschlag in einer neu akzentuierten, um nicht zu sagen pointierten, Interpretation der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Grundlagen durch die Gerichte und in einer veränderten Form der Berichterstattung in den Medien.

Wenn die Medien sich verstehen als Mittler zwischen Politik und Verwaltung einerseits und Öffentlichkeit andererseits, dann können sie an den Erwartungen ihrer Leser nicht vorbeigehen. Verlautbarungsjournalismus oder ausführliche Berichte über Gemeinderatssitzungen mit Themen, die sich immer wiederholen - dafür nimmt sich heute keiner mehr die Zeit zum Lesen. Bild im Boulevardbereich und Focus im gehobenen Niveau machen es vor: Griffige Geschichten, schnell auf den Punkt gebracht, möglichst mit dem Anschein einer Enthüllung oder den Hauch eines Skandals, möglichst an Personen festgemacht, das ist es, was heute erwartet wird.

Man würde es sich allerdings zu einfach machen, wenn man der Presse vorhalten wollte, dass sie damit nur die vordergründigen Bedürfnisse ihrer Leser und damit letztlich das wirtschaftliche Interesse des Verlegers bedient. Die Presse erfüllt damit den Wächterauftrag und ihre - wie sich leider oft genug zeigt - notwendige Kontrollfunktion, die sie nach unserer Verfassungsordnung hat.

3. Verfassungsrechtliche Ausgangslage

Nicht nur im Verhältnis zur Presse müssen wir uns immer bewusst sein: Transparenz ist ein Wesenselement der Demokratie.

In einer Verordnung der Europäischen Union zum Informationsrecht der EU-Bürger vom Mai 2001 (VO Nr. 1049, Amtsblatt der europ. Gemeinschaften vom 31.05.2001, S. 1) liest sich das so:

„Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei.“

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat das in der jüngst getroffenen Entscheidung zum Thema Presseauskunft (Beschluss vom 13.08.2004 Nr. 7 CE 04.1601) mit folgender Formulierung auf den Punkt gebracht:

„Die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedingt ein Verhalten der Behörden, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist. Dem Bürger müssen diese Angelegenheiten dadurch durchsichtig gemacht werden, dass der Presse genaue und gründliche Berichterstattung ermöglicht wird.„

Was uns damit der Verwaltungsgerichtshof wieder einmal ins Stammbuch geschrieben hat, ist die verfassungsrechtliche Lage, an der wir uns zu orientieren haben. Das Ganze hat darüber hinaus auch eine politische Dimension, die man ebenfalls nicht unterschätzen sollte und zu der ich am Schluß noch ein paar Sätze sagen werde.

Zunächst aber: Wie ist die Rechtslage auf den verschiedenen Ebenen, auf denen wir in Kommunalpolitik und -verwaltung vor der Frage stehen, welchen Weg wir bei der Gratwanderung zwischen Information und Geheimhaltung gehen, im Umgang mit den Mitgliedern unserer Beschlussgremien, im Umgang mit den Bürgern und im Umgang mit der Presse?

II. Informationsrechte der Mitglieder von Gemeinde-, Kreis- oder Stadträten

Die gesetzlichen Bestimmungen sind seit Jahrzehnten die gleichen. Festzustellen ist aber gleichwohl, dass man damit in der Praxis vielerorts immer noch mit erstaunlicher Großzügigkeit umgeht, ohne sich der rechtlichen Risiken bewußt zu sein, vom vermeidbaren politischen Ärger ganz zu schweigen.

1. Tagesordnung

Die Risiken beginnen schon mit der Einladung zu den Sitzungen. Gültige Beschlüsse kommen nur zustande, wenn ordnungsgemäß geladen ist (Art. 47 Abs. 2 GO). Was zu einer ordnungsgemäßen Ladung gehört, bestimmt der Gemeinderat selbst in der Geschäftsordnung (Art. 45 Abs. 2 GO). Er ist bei dieser Festlegung allerdings keineswegs völlig frei. Die Bestimmungen müssen vielmehr so sein, dass die Mitglieder ihr Mandat sachgerecht und unbehindert ausüben können. Das bedeutet:

  • Die Beifügung der Tagesordnung zur Ladung ist in der Geschäftsordnung zwingend festzulegen.

  • Der Gemeinderat kann davon auch im Einzelfall nicht abweichen. Der alte Irrglaube, dass man sich über die Geschäftsordnung, weil man sie selbst beschlossen hat, auch hin und wieder hinwegsetzen kann, sollte wohl ausgerottet sein.

  • Die Tagesordnung muss so konkret und aussagekräftig formuliert sein, dass eindeutig erkennbar ist, worum es geht.

Die Tagesordnung darf sich also nicht auf Allgemeinplätze und Sammelbegriffe beschränken, wie das nur allzu oft noch der Fall ist.

Es genügt demnach nicht, wenn auf der Tagesordnung steht: Bauanträge oder Bauangelegenheiten. Vielmehr müssen die einzelnen Objekte bezeichnet sein, über die Beschuss gefasst werden soll: Wohnhaus, Einfamilienhaus, Garage ... mit Angaben zur Lage mitttels Straße, Hausnummer oder Flurnummer.

Der Bauherr kann angegeben werden, auch wenn dies für die Entscheidung nicht unbedingt notwendig ist. Grundsätzlich muss es sich ein Antragsteller für einen Vorgang, der in öffentlicher Sitzung behandelt werden soll, gefallen lassen, dass sein Name genannt wird. Das Verbot des Art. 84 BayBO zur Weitergabe der Daten ohne Einwilligung will nur vor einer Verwendung für behördenfremde Zwecke schützen.

Damit genügen selbstverständlich auch nicht die Tagesordnungspunkte Vertragsangelegenheiten oder Vergabe von Bauleistungen den genannten Anforderungen. Es muss erkennbar sein, worum es geht.

Es reicht auch nicht, auf die Tagesordnung nur zu schreiben: Personalangelegenheiten oder Grundstücksangelegenheiten. Statt dessen müsste es zum Beispiel heißen: Verkauf eines Gewerbegrundstücks oder Einstellung eines Kämmerers, Beförderung eines Beamten (Name möglich, aber nicht zwingend).

Personenbezogene Angaben auf der Tagesordnung – in diesen Fällen der nichtöffentlicher Sitzung – verstoßen dabei nicht gegen den Datenschutz, wenn sichergestellt ist, dass die Tagesordnung nur den Gemeinderatsmitgliedern zugeht. Es empfiehlt sich daher, die Tagesordnung jedenfalls der nichtöffentlichen Sitzung verschlossen zuzustellen.

Dass die beliebten Punkte Sonstiges oder Verschiedenes nichts auf der Tagesordnung zu suchen haben, versteht sich danach wohl von selbst. Jedenfalls können unter diesen nichts sagenden Sammelangaben keine gültigen Beschlüsse gefasst werden.

Eine Ergänzung der Tagesordnung um einen nicht oder nicht hinreichend klar aufgeführten Punkt ist nach der Rechtsprechung nur unter zwei Voraussetzungen möglich:

  • Handelt es sich um eine dringliche Angelegenheit, kann die Tagesordnung bei der Sitzung noch mit Zustimmung der Mehrheit ergänzt werden. Dringlich ist aber eine Sache nicht schon, weil vergessen wurde, sie auf die Tagesordnung zu nehmen. Von Dringlichkeit kann man vielmehr nur ausgehen, wenn der Gemeinde durch Nichtbehandlung ein Nachteil entstehen könnte. Es handelt sich dabei um eine Rechtsfrage, die damit auch dem Risiko einer vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt.

  • Nicht in diesem Sinne dringliche Angelegenheiten können nur dann nachträglich auf die Tagesordnung kommen, wenn alle Mitglieder anwesend sind und kein Mitglied rügt. Das wird gerade in größeren Gremien selten genug der Fall sein. Warum ein Mitglied fehlt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich.

Wem diese strenge Betrachtung zu formalistisch-streng erscheint: Es ist die Rechtsauslegung durch die Gerichte, die auch ihren guten Sinn hat. Wäre das nicht so, könnten gerade auch Minderheiten durch die Vorenthaltung von Informationen der Möglichkeiten beraubt werden, ihr Mandat sachgerecht wahrzunehmen. Daher haben Verstöße immer die Ungültigkeit der Beschlüsse zur Folge.

2. Sitzungsunterlagen

Nun genügt in vielen Fällen auch eine sorgfältig formulierte Tagesordnung nicht, um ausreichende Informationen zu vermitteln. Müssen in diesen Fällen auch Sitzungsunterlagen und Beschlussvorlagen beigegeben werden?

Zunächst läßt sich aus dem Gesetz kein Anspruch darauf herleiten. Viele Gemeinden haben allerdings die Sollbestimmung der Mustergeschäftsordnung des Gemeindetags übernommen ("wenn und soweit das sachdienlich ist"). Damit sind sie eine gewisse Selbstbindung eingegangen. Aus einem Verstoß dagegen wird man aber nicht die Beschlussunfähigkeit des Gemeinderats ableiten können.

Wenn es aber Sitzungsunterlagen gibt, müssen diese allen Gemeinderatsmitgliedern in gleicher Weise zur Verfügung stehen. Soweit diese nur den Fraktionen zugehen, müssen sie auch den nicht in Fraktionen organisierten Einzelmitgliedern überlassen werden.

Entsprechendes gilt für Fraktionsführerbesprechungen. Lädt ein Bürgermeister oder Landrat dazu ein, muss er auch den Einzelgängern im Rat die Gelegenheit zur Teilnahme geben.

Mit der Herausgabe von Unterlagen für die nichtöffentliche Sitzung wird man eher zurückhaltend sein müssen, jedenfalls dann, wenn personenbezogene Daten enthalten sind. Solche Unterlagen sollten besser während der Sitzung verteilt und dann wieder eingesammelt werden. Besonders sensible personenbezogene Daten (z.B. Noten, Beurteilungen, Gesundheitsangaben, evt. auch Lebensumstände wie Familienstand) sollten auch dann nicht in die schriftlichen Unterlagen aufgenommen werden.

3. Akteneinsicht

Die Frage der Akteneinsicht durch Ratsmitglieder war schon häufiger Gegenstand von Entscheidungen und ist eindeutig geklärt. Wenn es im Gesetz heißt: „Der Gemeinderat überwacht die Gemeindeverwaltung“ (Art. 30 Abs. 3 GO), dann bezieht sich das auf den Gemeinderat als Ganzes. Das bedeutet: Ein Akteneinsichtsrecht zur Vorbereitung auf die Sitzung oder zur Wahrnehmung der Kontrollrechte kann nur der Gemeinderat, im Zweifel mit Mehrheitsbeschluss, nicht aber das einzelne Ratsmitglied für sich beanspruchen.

Ein Recht auf Auskunft, also ein Fragerecht – innerhalb und außerhalb der Sitzung – hat das einzelne Ratsmitglied hingegen schon. Dieses besteht aber nur gegenüber dem ersten Bürgermeister als Leiter der Gemeindeverwaltung und kann ohne dessen Zustimmung nicht gegenüber einzelnen Mitarbeitern der Verwaltung wahrgenommen werden.

4. Niederschrift

Die Gemeindeordnung (Art. 54 Abs. 3) gibt allen Ratsmitgliedern einen Anspruch auf eine Abschrift (nur) der Beschlüsse der öffentlichen Sitzung. Das ist der Mindeststandart, der zu erfüllen ist. Rechtlich ohne weiteres zulässig, vielfach üblich und oft auch in den Geschäftsordnungen vorgesehen ist darüber hinaus auch, dass die Mitglieder eine Ausfertigung der Niederschrift der gesamten öffentlichen Sitzung erhalten.

Die Niederschrift über nichtöffentliche Sitzungen kann auch von Gemeinderatsmitgliedern nur eingesehen werden. Der Weitergabe dieser Niederschriften an Gemeinderatsmitglieder steht, auch wenn diese zur Geheimhaltung verpflichtet sind, in vielen Fällen der Datenschutz entgegen, wenn personenbezogene Daten oder Hinweise enthalten sind.

Der Datenschutz steht auch einer uneingeschränkten Weitergabe der Niederschriften über die nichtöffentliche Sitzung in der Verwaltung entgegen. Nach dem Datenschutzrecht ist eine Weitergabe personenbezogener Daten auch innerhalb der Verwaltung nur zulässig, soweit deren Kenntnis für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben erforderlich ist. (Bayer. Landesbeauftragter für den Datenschutz; 16. Tätigkeitsbericht 1994, Nr. 8.2).

III. Informationsanspruch der Bürger

Von den speziellen Informationsansprüchen, die Ratsmitglieder haben müssen, wenn sie ihr Mandat uneingeschränkt ausüben sollen, sind zu unterscheiden die Informationsrechte, die den Bürgern – genauer gesagt nicht nur diesen, sondern der Öffentlichkeit insgesamt – zustehen.

1. Öffentliche Sitzungen

Bezogen auf die Entscheidungsprozesse in den Vertretungsorganen ist immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass diese – hergeleitet aus dem Demokratieprinzip – grundsätzlich öffentlich stattzufinden haben (Art. 52 GO). Nach wie vor besteht eine vielfach zu beobachtende Neigung, allein mit dem Hinweis auf eine ungestörte Beratung oder aus Scheu vor einer kritischen Öffentlichkeit hinter verschlossene Türen zu beraten und zu entscheiden.

Die unzulässige Praxis wird dadurch befördert, dass ein Verstoß gegen das Grundprinzip der Öffentlichkeit keine Folgen für die Gültigkeit der Beschlüsse hat und auch die Rechtsaufsichtsbehörden kaum Veranlassung sehen, dagegen einzuschreiten – was sie unter dem neuerdings geltenden Opportunitätsgrundsatz auch nicht mehr müssen.

Die Rechtslage ist gleichwohl eindeutig: Der Regelfall ist die öffentliche Sitzung. Die Behandlung in nicht öffentlicher Sitzung ist die Ausnahme und bedarf damit der gesonderten Begründung und nicht umgekehrt. Die typischen Fälle, bei denen diese Begründung ohne weiteres gegeben ist, sind bekannt: Grundstücksgeschäfte, Personalangelegenheiten, Abgabenvorgänge (Widerspruch, Stundung, Erlass).

Die Geheimhaltung gilt aber auch hier nur, solange es dafür sachliche Gründe gibt. Das Gesetz sieht ausdrücklich vor (Art. 52 Abs. 3 GO), dass nach Wegfall des Geheimhaltungsgrundes die Beschlüsse bekanntzugeben sind. Eine Vorschrift, die in der Praxis ziemlich regelmäßig mißachtet wird, sei es bewußt oder aus Nachlässigkeit. Wenn ein Grundstücksgeschäft gelaufen ist, gibt es keinen Grund mehr, dieses der Öffentlichkeit vorzuenthalten. Wenn die Einstellung eines Mitarbeiters beschlossen ist, darf das auch die Öffentlichkeit wissen.

Vorsicht aber: Bekanntgegeben werden darf nur der Beschluss als solcher, also das Ergebnis. Der Inhalt und Verlauf der Beratung, das Abstimmungsverhältnis oder gar das Abstimmungsverhalten einzelner Mitglieder müssen geheim bleiben.

Zuständig für die Bekanntgabe ist allein der erste Bürgermeister. Es handelt sich bei der Frage, ob die Gründe für die Geheimhaltung weggefallen sind, um eine Rechtsfrage, so dass letztlich auch kein Raum für Entscheidungsalternativen bleibt. Ein Gemeinderatsbeschluss ist daher nicht notwendig. Er könnte auch dem Bürgermeister die eigene Auseinandersetzung mit dieser Rechtsfrage nicht abnehmen.

Die Bestimmungen zur Öffentlichkeit gelten in gleicher Weise auch für beschließende Ausschüsse (Art. 55 Abs. 2 GO). Für vorberatende Ausschüsse läßt das Gesetz offen, ob sie unter den gleichen Voraussetzungen öffentlich oder generell nichtöffentlich tagen.

Für die Nichtöffentlichkeit auch in Angelegenheiten, die einer öffentlichen Behandlung zugänglich wären, wird oft angeführt, dass ohne Publikum die Beratung erleichtert wird und unbefangener möglich ist. Dagegen ließe sich anführen, dass ein Ratsmitglied schon die Statur haben sollte, seine Meinung auch vor der Öffentlichkeit zu vertreten.

Problematisch und nicht mehr mit dem Sinn des Gesetzes vereinbar wird es auf jeden Fall dann, wenn in der öffentlichen Sitzung weitgehend auf die nichtöffentliche Beratung Bezug genommen wird, ohne dass diese nochmals öffentlich reflektiert wird. Damit ist die Entscheidungsfindung für die Öffentlichkeit nicht mehr nachvollziehbar. Wohl auch aus diesen Erwägungen heraus enthält das Geschäftsordnungsmuster des Bayer. Gemeindetags nicht mehr den früheren Vorschlag, dass vorberatende Ausschüsse generell nichtöffentlich tagen. In der Praxis ist das wohl noch vielfach der Fall. Man sollte das schon einmal überdenken.

2. Bekanntgabe der Tagesordnung

Öffentliche Sitzungen sind mit der Tagesordnung bekanntzugeben (Art. 52 Abs. 1 GO). Für Inhalt und Aussagekraft der Tagesordnung gilt dabei das gleiche wie bei der Ladung der Gemeinderatsmitglieder. Der Unterschied zu dort besteht lediglich darin, dass ein Verstoß gegen die korrekte Bekanntgabe der Tagesordnung keine Rechtsfolgen für die Beschlüsse hat, gleichwohl aber rechtswidrig ist.

Die Tagesordnung nichtöffentlicher Sitzungen darf im Gegensatz dazu nicht bekanntgegeben werden, weil allein schon die konkrete Bezeichnung der Beratungspunkte gegen die Geheimhaltungsvorschrift verstoßen könnte.

3. Einsicht in die Sitzungsunterlagen

Einen Anspruch auf Einsicht in die Sitzungsunterlagen haben Zuhörer der öffentlichen Ratssitzungen generell nicht. Diese dienen explizit nur der Vorbereitung der Ratsmitglieder.

Wenn allerdings die Beratung in öffentlichen Sitzungen weitgehend auf der Grundlage von Sitzungsunterlagen stattfindet, die nur die Mitglieder vor sich haben, mag es für die Zuhörer mitunter schwierig werden, der Diskussion zu folgen. Das ist dann eigentlich nicht mehr im Sinne ihres Teilnahmerechts.

Von daher empfiehlt es sich schon, die heute vorhandenen Präsentationsmöglichkeiten (Overhead, Beamer) zu nutzen, wenn man die Zuhörer wirklich teilhaben lassen will. Aufpassen muss man dann allerdings, wenn in den Vorlagen personenbezogene Daten enthalten sind. So dürfen zum Beispiel Baupläne privater Bauvorhaben nicht so ausgehängt oder präsentiert werden, dass für die Zuschauer der Sitzung auch die Lage und Größe der Zimmer oder die Baukosten erkennbar sind.

4. Bürgerversammlung

Eine Informationsmöglichkeit außerhalb der Gemeinderatssitzungen sollte für die breitere Öffentlichkeit nach wie vor auch die Bürgerversammlung (Art. 18 GO) sein. Wir wissen allerdings alle, dass Bürgerversammlungen vielfach nur noch ein Schattendasein führen, oft nur noch der gesetzlichen Pflicht genügend abgehalten werden.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Eine Ursache für den Rückgang des Interesses, der in den meisten Fällen zu beobachten ist, ist gewiss auch, dass heute andere laufende Informationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die es früher in dieser Form nicht gab. Zu nennen sind hier vor allem die gemeindlichen Mitteilungsblätter. Das Internet, wenn es denn regelmäßig aktuell gepflegt wird, wird in Zukunft ein weiteres dazu beitragen.

Nur um informiert zu werden über das, was beschlossen wurde und gilt, lohnt also den Gang zur Bürgerversammlung immer weniger. Wo sich deren Inhalt darauf beschränkt, braucht man sich über mangelndes Interesse nicht zu beklagen.

Wenn man die Bürgerversammlung am Leben erhalten will, muss man sich auf ihren eigentlichen Zweck zurückbesinnen, den der Gesetzgeber ihr schon vor über 50 Jahren zugedacht hat. Nach dem Wortlauf der Gemeindeordnung geht es bei der Bürgerversammlung nicht um Information, die dazugehören mag, sondern um die „Erörterung gemeindlicher Angelegenheiten“ (Art. 18 Abs. 1 GO).

Recht verstanden macht eine Erörterung nur Sinn, wenn die Entscheidung noch offen ist. Das heißt: Die Bürgerversammlung sollte nach der Intension des Gesetzgebers der Diskussion über bevorstehende Entscheidungen dienen, im Planungsstadium, wenn es noch Alternativen gibt, und nicht – wie das überwiegend in der Praxis der Fall ist – der Information über bereits entschiedene oder soweit fortgeschrittene Tatbestände, dass es faktisch keine Entscheidungsalternativen mehr gibt.

Wenn man sich darauf wieder mehr besinnt – und eigentlich auch nur dann – hat die Bürgerversammlung im Zeitalter der modernen Kommunikationsmedien noch einen Sinn und eine Zukunft.

5. Einsicht in amtliche Unterlagen (Informationsfreiheitsgesetze)

Ein Thema, um das es bei uns derzeit noch ruhig ist, in das aber abseits unserer unmittelbaren Wahrnehmung schon heftige Bewegung gekommen ist, ist das Recht der Bürger auf Einsicht in amtliche Unterlagen und deren Herausgabe. Es spricht viel dafür, dass wir uns hier in naher Zeit auf einen grundlegenden Paradigmenwechsel einstellen müssen.

Deutsche Rechtstradition, die vor allem auch in Bayern noch uneingeschränkt Bestand hat, ist es, dass Akten und deren Inhalt die Arbeitsgrundlage der Behörden sind und daher auch prinzipiell nur diesen zur Verfügung stehen. Will ein Privater in Akten öffentlicher Behörden Einsicht nehmen, muss er dafür ein berechtigtes Interesse haben und auch begründen. In der Regel ist das nur in ihn betreffenden eigenen Angelegenheiten der Fall. Es gilt das Prinzip des Amtsgeheimnisses.

Und mit dieser fortgeltenden Rechtstradition hinken wir in Deutschland inzwischen auch auf diesem Feld der internationalen Entwicklung hinterher. Der Zug ist dort längst in die umgekehrte Richtung abgefahren: Nicht mehr der Bürger muß sein berechtigtes Interesse darlegen, sondern die Behörde muss begründen, warum sie ausnahmsweise keine Akteneinsicht gewähren, Dokumente und Informationen nicht herausgeben kann.

In den USA, deren Verständnis von Demokratie und Rechtsstaat uns ansonsten gegenwärtig nicht immer überzeugt, gibt es bereits seit 1966 einen gesetzlich verbürgten Anspruch auf umfassende Informationsherausgabe durch die Behörden. Viele europäische Staaten haben inzwischen nachgezogen. Die Grundrechtscharta der Europäischen Union, im Dezember 2000 in Nizza proklamiert, gesteht sogar allen Unionsbürgern ein Grundrecht auf „Zugang zu den Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission“ zu (Art. 42).

Dieses Grundrecht steht inzwischen auch nicht mehr nur in einem hehren Katalog, sondern ist in der eingangs bereits erwähnten EU-Verordnung vom 30. Mai 2001 auch praktisch umgesetzt. Diese Verordnung hat zum Inhalt, dass grundsätzlich alle Dokumente der Organe für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Als Dokument zählt alles, was in jedweder Form dort produziert wird. Der Zugang zu den Dokumenten kann nach Wunsch des Antragstellers durch Einsichtnahme vor Ort oder durch Überlassung einer Kopie, gegebenenfalls in elektronischer Form, erfolgen.

Der Antrag auf Zugang zu diesen Dokumenten bedarf keiner Begründung. Die Einsichtnahme und Kopien bis 20 Seiten sind kostenlos.

Natürlich muß es Ausnahmen geben. Die Einsicht kann verweigert werden zum Schutz personenbezogener Daten und bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit, die Verteidigung und für die Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik.

Unabhängig wie eng oder weit die Ausnahmen im Einzelfall ausgelegt werden, was im Streitfall einer gerichtlichen Überprüfung unterliegt, ist das ein völlig neuer, um nicht zu sagen revolutionärer, Ansatz. Akten sind nicht mehr von Haus aus Herrschaftswissen der Verwaltung, sondern sind Informationsquelle der Öffentlichkeit. Wir werden neu orientieren müssen.

Zumindest Vorboten davon sind inzwischen in der Bundesrepublik angekommen. In vier Bundesländern – Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen (seit 2001) – gelten inzwischen sogenannte Informationsfreiheitsgesetze mit vergleichbarem Inhalt.

Auf Bundesebene steht das Thema im Regierungsprogramm seit Bildung der rotgrünen Koalition im Jahr 1998. Der Widerstand verschiedener Ministerien hat bisher verhindert, dass ein Gesetz zustande kam. Inzwischen hat man sich ein Stück angenähert. Es hat den Anschein, als sei man der Verständigung auf einen Entwurf ein Stück näher gekommen.

In Bayern ist es um dieses Thema noch ruhig. Man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass das auch etwas mit der politischen Farbenlehre zu tun hat.

Wenn wir aber auf diesem Gebiet im internationalen Vergleich nicht Entwicklungsland bleiben wollen, werden auch wir uns auch darauf einstellen müssen, dass wir unsere Aktenschränke öffnen müssen.

Die Protagonisten sprechen in diesem Zusammenhang vom Abschied vom Obrigkeitsstaat. Sicher eine zugespitzte und pointierte Formulierung. Ohne Frage wäre das aber zumindest ein weiterer Schritt zu einer offenen Demokratie und auch eine Art Nagelprobe, ob wir diese wirklich wollen.

IV. Auskunftsrecht der Presse

In diesem Kontext ist dann vielleicht auch die jüngste Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Aug. 2004 nicht mehr so erschreckend, wie sie vielen auf den ersten Blick erschien.

Bei näherer Betrachtung ist das Ergebnis auch nicht so aufregend. Das Gericht hat aus Anlass eines konkreten Falles in einer Gemeinde im Landkreis Würzburg nichts anderes getan, als in der Auslegung des Presserechts einiges klarzustellen und zu verdeutlichen, was bisher in der Verwaltungspraxis nicht überall so verstanden wurde. Und – um es gleich zu sagen – die Entscheidung überzeugt in jeder Hinsicht.

Es geht um Art. 4 des Bayer. Pressegesetzes. Danach hat die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft, das durch Redakteure und andere Mitarbeiter, auch feste freie Mitarbeiter, ausgeübt werden kann. Ein Auskunftsverweigerungsrecht gibt es danach nur (Art. 4 Abs. 2 Satz 2), soweit aufgrund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht (Geheimhaltungsvorschriften, Persönlichkeitsrecht).

Wichtig: Es handelt sich dabei um eine Ermessensvorschrift. Ermessen bedeutet nicht, dass man nach Belieben entscheiden kann. Vielmehr ist in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen der Freiheit der Berichterstattung auf der einen Seite und entgegenstehenden Rechten auf anderen Seite wie dem Persönlichkeitsrecht oder den Belangen der Gemeinde notwendig.

Was die Sache im Vollzug so schwierig zu machen scheint, ist die Feststellung des Gerichts, dass der Hinweis auf die Behandlung in nichtöffentlicher Sitzung allein noch keine Auskunftsverweigerung gegenüber der Presse rechtfertigt. Das war bisher in vielen Fällen der bequeme formale Weg, um sich einem Auskunftsverlangen zu entziehen. Dieser Weg ist jetzt verbaut.

Art. 52 Abs. 2 GO ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs nur eine reine Verfahrensvorschrift für die Vorgehensweise des Gemeinderats. Wenn der Gemeinderat nichtöffentlich entscheidet, ist das lediglich ein Indiz dafür, dass Geheimhaltung geboten ist. Entscheidend für den Auskunftsanspruch der Presse ist aber letztlich die materielle Rechtslage. Wenn eine Auskunft verweigert wird, müssen daher die sachlichen Gründe mitgeteilt werden.

Im konkreten Fall, der ja nicht so einmalig ist, hat das Gericht daher festgestellt, dass der Presse bekannt zu geben sind die Zahl, die Namen und die Funktionen der Mitarbeiter einer Gemeindeverwaltung. Bis dahin ist das kaum aufregend, weil das heute ohnehin oft schon im Internet nachzulesen ist. Allerdings muss sich die Presse nicht darauf verweisen lassen, selbst nachzulesen, sondern sie kann verlangen, dass sie diese Angaben geliefert bekommt. Sie muss die Angaben nicht selbst zusammensuchen.

Wenn ein Bewerber neu eingestellt wurde, ist dessen Name mitzuteilen. Das gilt aber nicht für die Namen der abgelehnten Bewerber. Insoweit stehen deren schutzwürdige Interessen entgegen wegen möglicher Probleme bei der derzeitigen Dienststelle oder Nachteilen bei künftigen Bewerbungen. Nicht für eine Veröffentlichung geeignet sind die Begründungen für die getroffene Auswahl aus mehren Bewerbern, wohl aber abstrakte Auswahlkriterien, nach denen vorgegangen wurde.

Einer differenzierten Betrachtung bedarf nach dieser Entscheidung auch die Mitteilung über die Bezüge von Mitarbeitern. Die Besoldungsgruppe und die dafür vorgesehenen Bezüge sind durch die Dienstbezeichnung ohnehin bekannt. Entsprechendes gilt für die Eingruppierung von Angestellten und Arbeitern, die im Stellenplan nachzulesen ist, der in öffentlicher Sitzung beschlossen wird. Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind darüber hinaus aber die konkreten Bezüge eines Mitarbeiters, da diese auch rein personenbezogene Bestandteile enthalten (Familienstand, Kinderzuschläge).

Das ist alles bei sachlicher Betrachtung schlüssig und in sich konsequent, wie die ganze Entscheidung des Verwaltungsgerichtshof. Was für uns wirklich neu scheinen mag, ist – und das erklärt vielleicht auch ein Stück die Aufregung –, dass wir uns nicht ersparen können, uns intensiver mit der Rechtslage im konkreten Fall zu befassen, als wir das bisher für notwendig gehalten haben.

Uns muss klar sein: Nicht allein die Presse läßt uns in Politik und Verwaltung nicht mehr durchgehen, dass wir Informationen ohne rechtlich schlüssige Begründung vorenthalten. Desgleichen pochen auch die selbstbewußter gewordenen Ratsmitgliedern und eine kritischer gewordenen Öffentlichkeit auf ihre ihnen gesetzlich garantierten Ansprüche.

V. Die politische Dimension einer offenen Information

Und spätestens hier sollte man sich der politischen Dimension eines offenen Umgangs mit Informationen bewußt werden.

Im Bericht der hiesigen MainPost (01.10.2004) über eine Veranstaltung zum Pressebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs stand das Zitat: „Eine weitsichtige Kommune informiert die Presse von selbst.“ Ich kann dem nur zustimmen, möchte aber ergänzen: ... nicht nur die Presse, sondern auch die Bürger und namentlich auch die Ratsmitglieder.

Der Anschein von Geheimniskrämerei, also Geheimhaltung, wo sie nicht vorgeschrieben ist, schafft immer Mißtrauen, läßt Gerüchte wabern und bringt einen als Amtsträger unvermeidlich in eine Abwehr- und Rechtfertigungsposition. Ein offener – besser noch offensiver – Umgang mit Informationen schafft dagegen Vertrauen – Vertrauen und Akzeptanz bis dahin, dass das gezielte Recherchieren und das Bedürfnis, selbst nachzuforschen und Vermutungen anzustellen, viel von ihrem Reiz verlieren.

Das wird bestätigt durch die bisherigen Erfahrungen in den Ländern, die bereits Informationsgesetze haben. Entgegen vielfachen Befürchtungen werden die Behörden keineswegs mit Auskunftsbegehren überschüttet, die ihre regulären Arbeitsabläufe in Frage stellen. Das Gegenteil ist eingetreten. Die Nachfragen sind sehr begrenzt und beschränken sich auf konkrete Fragestellungen aus dem unmittelbaren Wohnumfeld, die mit einer kurzen Auskunft meist sehr schnell erledigt werden können. Wenn sich erst Diskussionen entwickeln, weil die sachlichen Informationen fehlen, dann erfordert die nachträgliche Auseinandersetzung damit in aller Regel sehr viel mehr Aufwand.

Wenn Sie als Bürgermeister ihren Ratsmitgliedern die unmittelbare Information direkt bei den zuständigen Mitarbeitern der Verwaltung auch mit der Möglichkeit der Akteneinsicht anbieten, soweit der Datenschutz nicht entgegensteht, werden Sie mit Sicherheit nach kurzer Zeit feststellen: Die Nachfragen und Nachforschungen im Rathaus werden nicht mehr, sondern weniger. Allein dieses Angebot schafft so viel Vertrauen, dass kaum jemand Anlass sieht, sich die zusätzliche Mühe einer Nachfrage zu machen.

Die Erkenntnis, dass ein offener Umgang mit Information die Arbeit nicht erschwert, sondern ganz erheblich erleichtert, hat sich allerdings noch längst nicht überall durchgesetzt – mit entsprechenden Folgen:

  • Wenn heute die Politik Probleme hat mit der Akzeptanz ihrer Entscheidungen durch die Betroffenen, liegt es oft nicht so sehr am Inhalt dieser Entscheidungen, sondern an den Mängeln in der Vermittlung und an der fehlenden Transparenz für die Bürger.

  • Hartz IV ist nicht zuletzt deswegen so schlecht gestartet, weil erst Stück für Stück ans Tageslicht kam, was die Betroffenen erwartet.

  • Wenn in Gemeinderäten die Zusammenarbeit gestört ist, liegt es bei genauerem Hinsehen meist nicht an sachlich unüberbrückbaren Gegensätzen, sondern daran, dass Sitzungen nicht sorgfältig genug vorbereitet sind, dass Informationen unzureichend sind und erst auf Nachfrage gegeben werden, und sich damit der Eindruck festsetzt, dass etwas verschwiegen werden soll.

  • Und mancher Bürgerentscheid, der in der Sache zunächst nur mäßige Resonanz fand, hat erst durch eine unglückliche Informationspolitik der Verwaltung den rechten Schub bekommen. Die Bürger begehren dann nicht mehr in erster Linie gegen die Sache auf, sondern gegen die Vorenthaltung von Informationen und die Zugeknöpftheit der Verwaltung.

Einen Kommentar in der Zeitung, der mit dem Satz endet: „Es bleibt der Eindruck, dass nicht alle Karten auf dem Tisch liegen und öffentliche Diskussionen gescheut werden“ – den sollte man sich als Kommunalpolitiker möglichst ersparen.

Das ist es, was ich meine, dass man bei allen rechtlich im Einzelfall schwierigen Problemen, die sich mit der Fragestellung „Information und Geheimhaltung“ verbinden, vor allem auch deren politische Dimension nicht unterschätzen sollte.