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Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zum Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG) am 25. April 2002

von Rechtsanwalt Dr. Johannes Weberling, Berlin

Erster Fragenkomplex (Bilanz/Ausblick)

 

1. Frage: Hat das Gesetz und die mit seiner Ausführung betraute Behörde die gestellten Erwartungen erfüllt? An welcher Stelle (außer in den zu den in den Fragekomplexen 2 und 3 angesprochenen Fragen zu §§ 32, 34 und 14 StUG) wäre möglicherweise eine Weiterentwicklung des Gesetzes angeraten?

Das Stasi-Unterlagen-Gesetz von 1991 stellt einen tragfähigen Kompromiß des Gesetzgebers zur Sicherung der individuellen Rechte der Betroffenen und dem Schutz des Einzelnen vor der unbefugten Verwendung seiner in den Stasi-Unterlagen enthaltenen persönlichen Daten einerseits sowie den aus den Grundrechten der Presse- und Wissenschaftsfreiheit folgenden Informationsbedürfnissen von Wissenschaftlern und Journalisten anderseits dar. Einzelne 1991/1992 angemerkte Kritikpunkte haben sich weitgehend durch die tatsächliche Praxis des bzw. der Bundesbeauftragen für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes (BStU) erledigt, die sich bei der Anwendung des Gesetzes entsprechend dem Willen der breiten Mehrheit im Deutschen Bundestag 1991 an den gleichberechtigten Zielen des Gesetzes, dem Opfer- bzw Betroffenschutz auf der einen Seite und den Aufklärungs- bzw. Aufarbeitungsinteressen auf der anderen Seite orientiert.

Die Notwendigkeit von kurzfristigen Klarstellungen des Gesetzgebers im StUG wäre – von einer Änderung des § 14 StUG abgesehen – daher eigentlich nicht gegeben.

Gleichwohl ist es in Anbetracht der derzeitigen Diskussion sinnvoll, die Möglichkeiten zur Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes bei angemessener Berücksichtigung der Interessen der von der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes betroffenen Personen durch die Präzisierung einzelner Bestimmungen des StUG sowie einzelner Veränderungen, die sich aufgrund des Zeitablaufs anbieten, wie folgt zu verbessern:

1. Die Diskussion nicht zuletzt in dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren zwischen Dr. Kohl und der Behörde des BStU macht deutlich, daß es sinnvoll ist, den Begriff des „Dritten“ in § 6 Abs. 7 StUG zu präzisieren. Dritte sind nach § 6 Abs. 7 StUG sonstige Personen, über die der Staatssicherheitsdienst Informationen gesammelt hat. Die Formulierung „über die der Staatssicherheitsdienst Informationen gesammelt hat“, stellt eigentlich unmißverständlich klar, daß Voraussetzung für die Einstufung als „Dritter“ die zielgerichtete Informationserhebung des Staatssicherheitsdienstes gegenüber dieser Person ist. In den Stasi-Unterlagen sind aber zahlreiche Namen von Personen enthalten, die nicht aufgrund einer zielgerichteten Informationserhebung in die Akten gelangt sind. Es wäre deshalb sinnvoll klarzustellen, daß es neben den „Dritten“ auch noch sonstige Personen gibt, deren Daten in den Akten die Herausgabe der Akten nur dann behindert, wenn im konkreten Fall schutzwürdige Interessen dieser Personen berührt sein sollten.

2. In § 6 Abs. 9 StUG wird der Begriff der Verwendung von Unterlagen definiert. Gut zehn Jahre nach Inkrafttreten des StUG erscheint es angebracht, erste Schritte zur mittelfristigen Weiterentwicklung der Tätigkeit des BStU hin zu einem „normalen“ Archiv mit Forschungs- und Informationsabteilung zu unternehmen. In § 6 Abs. 9 Satz 1 StUG sollten deshalb vor den Worten „die sonstige Verarbeitung“ die Worte „die dauerhafte Sicherung,“ eingefügt werden.

3. In der Vergangenheit wurde insbesondere den Medien wiederholt vorgeworfen (vgl. zuletzt die Angriffe von RA Dr. Peter-Michael Diestel gegenüber der Lausitzer Rundschau wegen ihrer Berichterstattung über die frühere IM-Tätigkeit des Herausgebers des „Märkischen Boten“ Jürgen Heinrich (IMS Jochen) im „Märkischen Boten“), zwar umfassend über vermeintliche oder tatsächliche Stasibelastungen zu berichten, aber eventuelle Belastungen eigener redaktioneller Mitarbeiter nur unzureichend aufzuklären. Das StUG hat den Medien diese Aufklärungsarbeit in eigener Sache bisher allerdings nachhaltig erschwert. Lediglich auf dem Wege umfassender wissenschaftlicher und publizistischer Ausarbeitungen ist es möglich, die Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes auch insoweit aufzuklären. Um insbesondere den Medien die Möglichkeit zu geben, zur Sicherung ihrer Glaubwürdigkeit gerade auch eventuelle Belastungen einzelner Redakteure aufzuklären, ist es deshalb notwendig, den Katalog der Personen, die gem. den §§ 20 Abs. 1 Nr. 7 und 21 Abs. 1 Nr. 7 StUG mit ihrer Einwilligung überprüft werden können, zwischen e) und f) um die Personengruppe der „Tendenzträger“ zu erweitern.

2. Frage: Welchen Beitrag soll in der Zukunft die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der DDR im Rahmen des StUG für die politische Kultur in Deutschland leisten und wie sehen Sie die künftige Entwicklung der Aufgabenschwerpunkte der Behörde?

Die noch in den Anfängen steckende Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der DDR ist für die politische Kultur in Deutschland von nicht zu überschätzender Bedeutung. Struktur, Mechanismen und Wirkungsweisen des Staatssicherheitsdienstes der DDR, des „Schild und Schwerts“ der SED, waren das Herzstück des totalitären Staatswesens DDR. Die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der DDR wird die vielfältigsten Formen sowohl der Unterdrückung und des Gefügigmachens von Menschen, aber auch des Aufbegehrens, der Zivilcourage und des Widerstandes im Kleinen und Großen für die öffentliche Diskussion und insbesondere die politische Bildung dokumentieren. Eine freiheitlich-demokratische Gesellschaft, die mehr denn je auf die Mitwirkung couragierter Staatsbürger im Alltag angewiesen ist, kann auf diesen Fundus an Informationen nicht verzichten. Das Verfügbarmachen und Verfügbarhalten für Erforschung und Vermittlung dieser Fakten insbesondere für die nachwachsenden Generationen unseres Landes sowie die Mitwirkung an diesen Aufgaben wird der Schwerpunkt des BStU in den kommenden Jahrzehnten werden.

Zweiter Fragenkomplex (§§ 32, 34 StUG)

Bei der Herausgabe von MfS-Unterlagen an Forscher und Medienvertreter kollidieren Presse-, Wissenschafts- und Informationsfreiheit einerseits und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung andererseits.

1. Frage: Welches sind die verfassungsrechtlichen Grenzen der Herausgabe personenbezogener Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger und wie kann der Gesetzgeber bei der notwendigen Abwägung alle widerstreitenden Interessen so weit wie möglich berücksichtigen?

Bei der Beschlußfassung des StUG und seiner durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. März 2002 in Sachen Dr. Helmut Kohl ./. Bundesrepublik Deutschland (Az 3 C 46.01) wohl unvermeidlichen Novellierung hat der Gesetzgeber sowohl die Vorgaben des vom BVerfG aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleiteten Rechtes auf informationelle Selbstbestimmung, als auch die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 GG garantierten Grundrechte der Presse- und Wissenschaftsfreiheit zu berücksichtigen.1) So wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bei überwiegendem Allgemeininteresse eingeschränkt werden kann,2) werden auch die Grundrechte der Presse- und Wissenschaftsfreiheit durch die anderen von der Verfassung geschützten Rechtsgüter begrenzt.3) Bei einem Konflikt zwischen den Grundrechten verschiedener Grundrechtsträger hat eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu erfolgen, bei der festzustellen ist, welche Bestimmung des Grundgesetzes in der konkret zu entscheidenden Frage das höhere Gewicht hat. Ausgangspunkt ist dafür nach der Rechtsprechung des BVerfG und der herrschenden Lehre aber nicht die völlige Verdrängung eines der Grundrechte, sondern der Versuch, zwischen den kollidierenden Grundrechten insoweit einen schonenden Ausgleich zu finden, daß jedes von ihnen zu möglichst optimaler Wirkung gelangen kann.4) Der schon von der Durchführungs- und Auslegungsvereinbarung zum Einigungsvertrag vom 18. September 19905) für das StUG geforderte angemessene Interessenausgleich folgt also unmittelbar aus den Vorgaben des Grundgesetzes. Die Schaffung ausreichender Voraussetzungen für eine umfassende Aufarbeitung der Stasi-Vergangenheit gehört zu den in der Verfassung verankerten Pflichten des Staates. Denn das BVerfG vertritt seit seinem sog. „Hochschulurteil“ in ständiger Rechtsprechung – zuletzt in seinem Beschluß vom 24.4.19966) – die Auffassung, daß das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG dem Staat die Verpflichtung auferlegt, die Pflege der freien Wissenschaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation durch die Bereitstellung von personellen, finanziellen und organisatorischen Mitteln zu ermöglichen und zu fördern.7) Daraus folgt nicht zuletzt, daß archivarische Organisationsabläufe verfahrensmäßig so ausgestaltet werden müssen, daß der einzelne Forscher in der Lage ist, von seinem Recht aus Art. 5 Abs. 3 GG auch tatsächlich Gebrauch zu machen.8) Gleiches gilt zumindestens im Grundsatz für den Informationsanspruch von Medienvertretern gegenüber dem Staat und seinen Einrichtungen.9)

Die umstrittene Bedeutung des Teilsatzes in § 32 Abs. 1 Nr. 3 1. Spiegelstrich StUG über die Vorlage von Unterlagen mit personenbezogenen Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Informationen politischer Funktionen und Amtsträger in Ausübung ihres Amtes „soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind“, wurde vom Bundesverwaltungsgericht entgegen dem Auftrag der Durchführungs- und Auslegungsvereinbarung zum Einigungsvertrag vom 18. September 1990 und dem ihr folgenden Willen des Gesetzgebers von 1991 so gelesen, als würde er lauten „die nicht Betroffene oder Dritte sind“. Um Mißverständnisse hinsichtlich des Willens des Gesetzgebers von 1991 vorzubeugen, sollte – sofern auch im Jahre 2002 der Wille des Gesetzgebers zur umfassenden Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes bei angemessener Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen von Betroffenen unverändert ist – diese Bestimmung klargestellt werden. Es wäre deshalb sinnvoll, den Teilsatz „soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind“ in § 32 Abs. 1 Nr. 3 1. Spiegelstrich StUG sowie in § 32 Abs. 3 Nr. 2 1. Spiegelstrich StUG ersatzlos zu streichen und statt dessen unter ausdrücklichem Bezug auf die abgewogene und differenzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zu § 23 KUG (Ausnahmen vom Recht am eigenen Bild bei Personen der Zeitgeschichte)10) in § 32 Abs. 1 Nr. 3 2. Halbsatz StUG sowie in § 32 Abs. 3 Nr. 2 2. Halbsatz StUG jeweils die Worte „überwiegenden schutzwürdigen“ durch das Wort „berechtigte“ zu ersetzen. In Anlehnung an den im Presse- und Medienrecht geläufigen Begriff der „berechtigten Interessen“ und insbesondere unter Bezug auf die differenzierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum Verständnis des Anwendungsbereiches dieses Begriffes bei Personen der Zeitgeschichte gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG als Motiv des Gesetzgebers für diese Änderung, ist sichergestellt, daß die Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes auch in Zukunft umfassend unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen aller im Gesetz genannten Personen in jedem Einzelfall möglich ist.

Durch eine Ergänzung in § 32 Abs. 1 Nr. 4 StUG sowie in § 32 Abs. 3 StUG sollte zudem in Anlehnung an § 22 Sätze 3 und 4 KUG klargestellt werden, daß es nach dem Tode der betreffenden Person nur bis zum Ablauf von zehn Jahren einer Einwilligung der Angehörigen der betreffenden Person zur Vorlage bzw. Veröffentlichung von Stasi-Unterlagen bedarf und Angehörige im Sinne dieses Gesetzes der überlebende Ehegatte und die Kinder der betreffenden Person sind, sowie für den Fall, daß weder ein Ehegatte noch Kinder vorhanden sind, die Eltern der betreffenden Person.

2. Frage: Welche Folgen hätte es für die politische und historische Aufarbeitung der Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes, wenn Informationen aus den Unterlagen über Personen der Zeitgeschichte, Amts- und Funktionsträger nur mit deren Einwilligung für die in §§ 32, 34 StUG genannten Zwecke zur Verfügung gestellt werden dürften? Welche Konsequenzen ergäben sich für Publikationen, die aufgrund der bisherigen Herausgabepraxis der BStU bereits erschienen sind?

Eine historische Aufarbeitung, die diesen Namen verdient, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr möglich, da ein umfassender Zugang zu den vorhandenen Unterlagen von der willkürlichen Entscheidung der in den Unterlagen genannten Personen der Zeitgeschichte abhängt. Da diese nicht garantiert ist, wird kein Wissenschaftler (und kein Journalist) ein Forschungs- oder Recherchevorhaben in Angriff nehmen, dessen Ausgang unbestimmt ist. Ohne die vorgeschlagene Novellierung würde sich die Aufarbeitung zwangsläufig auf die inneren Strukturen und Verhältnisse des Staatssicherheitsdienstes beschränken müssen.

Es besteht hinsichtlich der bereits erschienenen Publikationen die Gefahr, daß deren weitere Verbreitung auf Antrag gerichtlich untersagt wird. Eine vereinzelte Entscheidung des Landgerichts Berlin im Jahre 199711), die wegen der bisherigen überwiegenden Rechtsauffassung vor dem Kammergericht keinen Bestand hatte12), wäre ohne Novellierung des StUG heute wohl nicht mehr mit Erfolg angreifbar.

3. Frage: Ist die Aufnahme einer neuen Kategorie des „Funktionärs“ in § 6 StUG eine Möglichkeit, um zu verhindern, daß Staats-/Parteifunktionäre und andere Systemträger unter Umständen als Betroffene oder Dritte bewertet werden können?

Der Begriff des „Funktionärs“ wurde und wird sowohl in West- als auch in Ostdeutschland gebraucht und ist daher als solcher zur Differenzierung nicht geeignet. Wird der Begriff auf ostdeutsche „Funktionsträger“ hin konkretisiert, widerspricht dieses Vorgehen dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG. Abgesehen davon widerspricht ein derartiges West- und Ostdeutsche unterscheidendes Vorgehen auch dem – bisher – allen gemeinsamen Ziel, das Zusammenwachsen Deutschlands zu fördern.

 

Dritter Fragenkomplex (§ 14 StUG)

Nach derzeitiger Rechtslage können Betroffene und Dritte i. S. v. § 6 StUG ab 1. Januar 2003 die Anonymisierung bzw. Löschung der sie betreffenden Informationen verlangen. Es wird befürchtet, daß dadurch vor allem für die künftige Forschung ein irreversibler Verlust an Erkenntnissen einhergehen würde, der einer teilweisen Vernichtung der Unterlagen gleich käme. Deshalb wurde vorgeschlagen, den Anonymisierungsanspruch ab 01.01.2003 zu überdenken.

1. Frage: Welche Probleme ergäben sich bei einer Beibehaltung der Vorschrift aus wissenschaftlicher und archivischer Sicht?

Festzustellen ist zunächst, daß die beim BStU lagernden Unterlagen bisher immer noch nicht alle aufbereitet werden konnten. Die Frage nach den aus § 14 StUG folgenden Problemen kann daher eigentlich erst nach Aufbereitung aller Unterlagen abschließend beantwortet werden. Die Entwicklung der historischen Forschung, insbesondere der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, belegt im übrigen, daß heute nicht einmal ansatzweise alle Fragestellungen künftiger Forschungen voraussehbar sind. Vernichtet man das für künftige Forschungen zur Verfügung stehende Material aus tagespolitischen Erwägungen, nimmt man künftigen Generationen die Möglichkeit andere und ggfls. bessere Einsichten über unsere Zeit zu gewinnen.

2. Frage: Wäre eine erneute Verlängerung der Frist oder eine ersatzlose Streichung der Vorschrift verfassungsrechtlich zulässig und welche sonstigen Änderungen kämen zur Vermeidung der nachteiligen Folgen einer Anonymisierung in Betracht? Wäre statt dessen z.B. eine Regelung i. S. v. § 5 Bundesarchivgesetz sinnvoll?

Die Anonymisierungs- und Vernichtungsvorschrift des § 14 des StUG entstand 1991 unter anderem aus der Sorge heraus, daß ein Mißbrauch der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes nie ganz auszuschließen sei und Betroffene deshalb die Möglichkeit haben müßten, sie in ihrem Privatbereich berührende Daten bzw. Akten völlig vernichten zu lassen. Die Tätigkeit der Behörde des BStU in den vergangenen zehn Jahren und der verantwortungsvolle Umgang gerade der Betroffenen mit den ihnen zur Kenntnis gelangten Informationen in den Stasi-Unterlagen beweist, daß diese Sorge unbegründet war. § 14 StUG kann daher ersatzlos entfallen. Der Schutz der Betroffenen wird durch die vorhandenen Vorschriften in der Interpretation des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 8. März 2002 absolut und unter der Maßgabe, daß die unter II. 1. vorgeschlagenen Änderungen zu §§ 32, 34 StUG umgesetzt werden, umfassend gewährleistet. Eine Bestimmung in Anlehnung an § 5 BArchG wäre gegenüber der derzeitigen Rechtslage zwar eine Verbesserung, aber nicht ausreichend.

Berlin, den 22. April 2002


1) Vgl. BVerfGE 65, 41 ff.; Krause, Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung BVerfGE 65,1, JuS 1984, 269 ff.; Stoltenberg, Zur Regelung des Umgangs mit den Stasi-Akten, ZRP 1990, 461; Weberling, Zum Recht des Wissenschaftlers auf Zugang zu den Stasi-Akten, DVBl. 1991, 683 f.; Wyduckel, Archivgesetzgebung im Spannungsfeld von informationeller Selbstbestimmung und Forschungsfreiheit, DVBl. 1989, 331.

2) Vgl. u.a. Groth, Das Stasi-Unterlagen-Gesetz. Ein Beispiel für die Schwierigkeiten der Gesetzgebung nach dem Einigungsvertrag KJ 1991, 176 f.; Krause (Fußn. 1), S. 271.

3) Vgl. Scholz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, 1991, Art. 5 Abs. 3, Rdnr. 185; Antoni, in: Seifert/Hömig, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 1991, Art. 5, Rdnr. 30; Flämig Forschungsauftrag der Hochschule, in: Kimminich (Hrsg.) Handbuch des Wissenschaftsrechts, Band 2, 1982, S. 879 (893).

4) Vgl. zuletzt BVerfGE 39, 1 (43); Antoni, in: Seifert/Hömig (Fußn. 10), Vor Art. 1, Rdnr. 14; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 1982, Rdnr. 72. Diese Vorgabe übersieht Abel, Datenschutz in den neuen Bundesländern, DtZ 1991, 115.

5) BGBl. II, S. 1239.

6) Vgl. BVerfG, Beschluß vom 24.4.1996 – 1 BvR 712/86, BayVBl. 1996, 753 (754).

7) Vgl. BVerfGE 35, 114 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig , Grundgesetz. Kommentar, Art. 5 Abs. 3, Rdnr. 116; Antoni, in: Seifert/Hömig (Fußn. 3), Art. 5, Rdnr. 29; Becker/Oldenhage, Erläuterungen zum Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz – BArchG), Das Deutsche Bundesrecht, 1988, S. 8; Flämig, Forschungsauftrag der Hochschule, in: Kimminich u.a. (Hrsg.), Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd. 2, S. 879 ff., 891; Hailbronner, Forschungsreglementierung und Grundgesetz, WissR 1980, 212 (215); Meusel, Außeruniversitäre Forschung im Wissenschaftsrecht, 2./1999, Rdnr. 159 f.; Weberling (Fußn. 8), S. 683, und (Fußn. 1), S. 163; Wyduckel (Fußn. 1), S. 335. A.A. Freys, Das Recht der Nutzung und des Unterhalts von Archiven, 1989, S. 75 ff.

8) Vgl. Weberling (Fußn. 8), S. 683; Wyduckel (Fußn. 7), S. 335.

9) Vgl. statt vieler Löffler, Presserecht, 4./1997, Rdnr. 16 ff. m.w.N.; zuletzt VG Cottbus, Beschluß vom 15. Januar 2002 – 1 L 783/01, S. 3 f. (unveröffentlicht; rechtskräftig).

10) Vgl. zuletzt BVerfG, Beschlüsse vom 26. April 2001, AfP 2001, 212 ff..

11) Vgl. LG Berlin, Urteil vom 18. März 1997 – 27 O 534/96.

12) Die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 18. März 1997 (Fußn. 11) wurde nicht rechtskräftig, da sich die Parteien vor dem Kammergericht im Berufungsverfahren unter dem Az 9 U 3549/97 verglichen, nachdem das Kammergericht deutlich gemacht hatte, daß die Entscheidung des LG wohl keinen Bestand haben werde.