Holger Dix / Corina Rebega: Die kurze Geschichte des rumänischen Lustrationsgesetzes |
Holger Dix/Corina Rebega:Die kurze Geschichte des rumänischen Lustrationsgesetzes Zusammenfassung des Länderberichts von Dr. Holger Dix und Corina Rebega, Rechtsstaatsprogramm Südosteuropa der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., vom 21. Juli 2010 Am 19. Mai 2010 hat das rumänische Abgeordnetenhaus 21 Jahre nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft ein Lustrationsgesetz verabschiedet. Mit diesem Gesetz wird der Zugang zu öffentlichen Ämtern solcher Personen reglementiert, die in der Zeit der kommunistischen Herrschaft von 1945 bis 1989 eine Funktion in Regierung oder in Organen staatlicher Repression innehatten. Das Gesetz war bereits im Jahr 2006 im Senat verabschiedet worden, verblieb dann aber vier Jahre ohne Entscheidung im Abgeordnetenhaus. Einer Klage von 29 Senatoren und 58 Abgeordneten folgend, erklärte das Verfassungsgericht das Gesetz anschließend für verfassungswidrig. Die Debatte um die Entlassung politisch belasteter Mitarbeiter aus öffentlichen Ämtern begann bereits nach dem politischen Umbruch des Jahres 1989. Das Bemühen um eine Aussöhnung nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen der Jahre 1989 und 1990 führte dann aber dazu, dass dieses Ansinnen nicht unmittelbar in eine Gesetzesinitiative mündete. Personelle Kontinuitäten zwischen alter und neuer gesellschaftlicher Elite erschwerten das Vorhaben eines Lustrationsgesetzes zusätzlich. Der im Jahr 2005 im Abgeordnetenhaus eingebrachte Gesetzentwurf war Ausdruck einer zunehmenden Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die im Dezember 2006 mit der erstmaligen öffentlichen Verurteilung der Verbrechen des Kommunismus durch den rumänischen Staatspräsidenten einen ersten Höhepunkt erreichte. Das geplante Lustrationsgesetz sah eine sehr weitreichende Regelung vor. Demnach sollten Personen, die für das kommunistische Regime gearbeitet hatten, unmittelbar aus ihrem öffentlichen Amt entlassen werden. Das dann im Jahr 2010 tatsächlich beschlossene Gesetz ging nicht so weit. Demnach sollten solche Personen für fünf Jahre von der Übernahme öffentlicher Ämter ausgeschlossen werden, die eine führende Funktion im früheren Staatsapparat innehatten. Dazu zählten u.a. Mitglieder des Ministerrats, Parteisekretäre, Regime-Propagandisten und Direktoren von Druckhäusern. Kandidaten für öffentliche Ämter hätten nach diesem Gesetz eine Erklärung abgeben müssen, dass sie nicht zu dem vom Lustrationsgesetz erfassten Personenkreis zählen. Bereits in öffentliche Ämtern ernannte Personen, die unter das Lustrationsgesetz fallen, hätten ihr Amt drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes aufgeben müssen. Gewählte Amtsträger hätten ihre Funktion bis zum Auslaufen des Mandats ausüben können, um anschließend für fünf Jahre von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen zu werden. Das Gesetz wurde von Abgeordneten aus Abgeordnetenhaus und Senat angegriffen, die dann zwei Klagen vor dem Verfassungsgericht einreichten. Sie begründeten die Klagen damit, das Gesetz widerspreche der rumänischen Verfassung, internationalen Menschenrechtskonventionen und der Rechtsprechung des Europäischen Menschengerichtshofs. In seinem Urteil über diese Klagen erkannte das Verfassungsgericht die grundsätzliche Bedeutung der Lustration an. Es warnte aber davor, Lustration als Revanche oder auf der Grundlage von Ideologien zu betreiben. Das Verfassungsgericht verwies zudem auf den langen zeitlichen Abstand zum kommunistischen Regime, weshalb Lustration nun nicht mehr zu rechtfertigen sei, zumal es keine Hinweise auf konkrete Bedrohungen der Demokratie gäbe. Folgende weitere Begründungen führte das Gericht an: - Lustration kann sich nur an solche Personen richten, die im früheren Regime Menschenrechte oder grundlegende Freiheiten verletzt haben. - Es darf keine kollektive Verurteilung geben, sondern es muss nach individueller Schuld entschieden werden. - Die rumänische Verfassung garantiere das Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern und das Recht, gewählt zu werden. Die Beschränkungen dieses Rechts sind durch die Verfassung definiert. Lustration kann keiner dieser Ausnahmen zugeordnet werden. - Das Gesetz verletzt die Unschuldsvermutung und es fehlen keine ausreichenden Einspruchsmöglichkeiten. - Die Annahme, alleine die Mitgliedschaft in einer kommunistischen Struktur würde zu einer Schuld führen, ist eine klare Verletzung dieser Prinzipien. - Die rückwirkende Änderung von legalen Normen ist nicht zulässig. Hier geht es zum PDF-Dokument der englischen Langfassung des Beitrags. |