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presserecht.de Sun, 28 Apr 2024 04:49:26 Joomla! 1.5 de-de BVerfG: Keine überzogenen Anforderungen an die journalistische Wiedergabe fremder Meinungen http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=141442 BVerfG, Beschluss vom 9. November 2022 - 1 BvR 523/21:

Die Beschwerdeführerin – Herausgeberin einer Tageszeitung – ist in ihrer Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt, indem ihr die Äußerung „Den Staat lehne [der Antragsteller] (…) ab“ mit der Begründung gerichtlich untersagt wurde, dass für diese Meinung kein Mindestbestand an tatsächlichen Anknüpfungstatsachen festzustellen sei. Die Berichterstattung betrifft einen Beitrag über eine aus Sicht ehemaliger Mitglieder sektenähnliche Gemeinschaft, der der Antragsteller des Ausgangsverfahrens vorstehe.

Hier geht es zur diesbezüglichen Pressemitteilung des BVerfG Nr. 5/2023 vom 13. Januar 2023.

Hier geht es zum PDF-Dokument der Entscheidung (1 BvR 523/21). ]]>
Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:44
BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerden bezüglich des postmortalen Persönlichkeitsrechts des verstorbenen Bundeskanzlers a.D. Dr. Helmut Kohl http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=141342 BVerfG, Beschlüsse vom 24. Oktober 2022 - 1 BvR 19/22, 1 BvR 110/22:

Der aus der Garantie der Menschenwürde folgende Schutzauftrag gebietet keine Bereitstellung einer bestimmten Sanktion für Würdeverletzungen. Insbesondere gibt es keinen verfassungsrechtlichen Grundsatz des Inhalts, dass eine Verletzung der Menschenwürde stets einen Entschädigungsanspruch nach sich ziehen muss.

Der Bundesgerichtshof hat – entsprechend dem angegriffenen Urteil des Oberlandesgerichts – in dem angegriffenen Urteil ausgeführt, der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei im Grundsatz nicht vererblich. Dies gelte auch dann, wenn der Anspruch im Zeitpunkt des Todes des Verletzten und ursprünglichen Anspruchsinhabers bereits bei Gericht anhängig oder gar rechtshängig sei. Die grundsätzliche Unvererblichkeit ergebe sich entscheidend aus der Funktion des Geldentschädigungsanspruchs. Insoweit stehe der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Einem Verstorbenen könne aber Genugtuung nicht mehr verschafft werden. Dass der Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention diene, gebiete das (Fort-)Bestehen eines solchen Anspruchs nach dem Tode auch nicht unter dem Aspekt der Menschenwürde.

Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Aus der Garantie der Menschenwürde folgt keine Pflicht der Zivilgerichte, die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen des persönlichkeitsrechtlichen Sanktionensystems auszuweiten. Verfassungsrechtlich geboten ist dies jedenfalls dann nicht, wenn die Rechtsordnung andere Möglichkeiten zum Schutz der postmortalen Menschenwürde bereithält. Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass die postmortale Menschenwürde des Erblassers gegen Übergriffe durch die Beklagten schutzlos gestellt war. Dem Erblasser standen zu Lebzeiten, der Beschwerdeführerin stehen nach seinem Versterben Unterlassungsansprüche gegen die Beklagten zu.

Hier geht es zur diesbezüglichen Pressemitteilung des BVerfG Nr. 108/2022 vom 15. Dezember 2022.

Hier geht es zu den PDF-Dokumenten der Entscheidungen (1 BvR 19/22, 1 BvR 110/22).
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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:44
VG Berlin: Russia Today darf vorerst nicht weiter senden http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=140142 RT DE darf vorerst nicht weiter senden

VG Berlin, Beschluss vom 17. März 2022 - VG 27 L 43/22

Nach einer Eilentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin darf das Programm „RT DE“ vorerst nicht weiter veranstaltet und verbreitet werden. Die Antragstellerin veranstaltet und verbreitet seit 2014 unter dem Namen „RT DE“ bundesweit Rundfunk. Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg untersagte dies Anfang Februar 2022 unter Berufung darauf, dass die Antragstellerin nicht über die erforderliche Zulassung verfüge. Diese Entscheidung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Hiergegen richtet sich die am 8. Februar 2022 erhobene Klage der Antragstellerin. Zudem hat sie um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Sie meint im Wesentlichen, sie sei nicht die Veranstalterin des Programms und unterliege daher nicht der Zulassungspflicht.

Das VG Berlin hat den Eilantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Der Bescheid sei bei summarischer Prüfung aller Voraussicht nach rechtmäßig. Nach dem Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland (Medienstaatsvertrag) bedürften private Veranstalter zur Veranstaltung von Rundfunkprogrammen einer Zulassung, an der es der Antragstellerin fehle. Sie sei auch die Rundfunkveranstalterin, weil sie das Rundfunkprogramm unter eigener inhaltlicher Verantwortung anbiete. Sie könne sich nicht darauf berufen, reine Produktionsdienstleisterin zu sein. Entscheidend für die Eigenschaft als Veranstalterin sei der Umstand, dass sie die Letztverantwortung für das Programm übernehme und dieses tatsächlich verbreite. Auf eine etwaige Beschränkung des Gesellschaftszwecks im Handelsregister komme es damit ebenso wenig an wie darauf, dass ein wesentlicher Teil der Programminhalte nicht von ihr, sondern einem russischen TV-Sender produziert werde.

(Quelle: Pressemitteilung Nr. 10/2022 des VG Berlin vom 18. März 2022)

Hier geht es zum PDF-Dokument der Entscheidung.


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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:44
BVerfG: Verstoß gegen prozessuale Waffengleichheit bei Erlass einer einstweiligen Anordnung ohne vorangegangene Anhörung http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=140042 BVerfG, Beschluss vom 1. Dezember 2021 - 1 BvR 2708/19

Mit seinem am 11. Februar 2021 veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das OLG Hamburg die Beschwerdeführerin in ihrem grundrechtsgleichem Recht auf prozessuale Waffengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz verletzt hat, indem es ohne vorherige Anhörung eine einstweilige Anordnung erlassen hat.

Das zugrundeliegende Verfahren betrifft die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen. Das OLG Hamburg hatte im Ausgangsverfahren ohne vorherige Anhörung der Beschwerdeführerin in einer äußerungsrechtlichen Sache eine einstweilige Anordnung erlassen. Vor deren Erlass waren mehrere gerichtliche Hinweise an die Antragstellerin des Ausgangsverfahren ergangen, infolge derer sie ihre Anträge umgestellt, ergänzt und teilweise zurückgenommen hatte, ohne dass die Beschwerdeführerin hiervon Kenntnis hatte oder ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden wäre. Dies verletzt die Beschwerdeführerin offenkundig in ihrem grundrechtsgleichen Recht auf prozessuale Waffengleichheit. Den wiederholten Verstoß der Fachgerichte gegen das Gebot der Waffengleichheit bei einstweiligen Anordnungen nahm die Kammer schließlich zum Anlass, auf die rechtliche Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hinzuweisen. "Bei zukünftigen Verstößen gegen die Waffengleichheit durch den Senat wird die Kammer ein Feststellungsinteresse für eine Verfassungsbeschwerde oder einen Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 32 BVerfGG stets als gegeben ansehen." (Rn. 33)

Hier geht es zur diesbezüglichen Pressemitteilung des BVerfG Nr. 11/2022 vom 11. Februar 2022.

Hier geht es zum PDF-Dokument der Entscheidung.

 

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:44
BVerfG: Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Versagung der Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=139942 BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2021 - 1 BvR 1073/20

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Versagung der Auskunft über Bestandsdaten gegenüber einer Social Media Plattform.

Hier geht es zur diesbezüglichen Pressemitteilung des BVerfG Nr. 8/2022 vom 2. Februar 2022.

Hier geht es zum PDF-Dokument der Entscheidung.

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:44
BGH: Voraussetzungen eines Anspruchs auf Löschung einer selbst erwirkten Gegendarstellung aus einem Presse-Online-Archiv http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=139642 BGH, Urteil vom 28. September 2021 - VI ZR 1228/20:

Zum Anspruch auf Löschung einer selbst erwirkten Gegendarstellung aus dem Online-Archiv eiens Presseorgans, wenn auch die unzulässige Erstmitteilung dort nicht mehr zum Abruf vorgehalten wird

(Amtlicher Leitsatz)

[Hier geht es zum PDF-Dokument der Entscheidung]

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:44
BGH: Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Meinungs- und Medienfreiheit bei einem auf Erstbegehungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=138842 BGH, Urteil vom 9. März 2021 - VI ZR 73/20:

a) Zur Bestimmtheit eines Klageantrags bei einem auf Erstbegehungsgefahr gestützten äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch.


b) Zur Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen einerseits und der Meinungs- und Medienfreiheit andererseits bei einem auf Erstbegehungsgefahr gestützten Anspruch auf Unterlassung einer angekündigten, aber nicht näher konkretisierten Berichterstattung (hier: Berichterstattung über wis-senschaftliches Plagiat).

(Amtliche Leitsätze)

[Hier geht es zum PDF-Dokument der Entscheidung]

 

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:44
EuGH-Urteil vom 17. Juni 2021: Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschrift des Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO erfordert eine restriktive Auslegung der Norm http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=138642 EuGH: Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschrift des Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO erfordert eine restriktive Auslegung der Norm

EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - Rechtssache C‑800/19 (Mittelbayerischer Verlag /. SM)

Art. 7 Nr. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass das Gericht des Ortes, an dem sich der Mittelpunkt der Interessen einer Person befindet, die geltend macht, durch einen auf einer Website veröffentlichten Inhalt in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt worden zu sein, für die Entscheidung über eine von dieser Person erhobene Haftungsklage auf Ersatz des gesamten entstandenen Schadens nur dann zuständig ist, wenn der Inhalt objektive und überprüfbare Elemente enthält, anhand derer sich die Person unmittelbar oder mittelbar individuell identifizieren lässt.

[Hier geht es zum PDF-Dokument der Entscheidung]

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:44
EGMR: Berichterstattung über das Privatleben Prominenter zulässig, sofern im allgemeinen Interesse und unter angemessener Achtung der Privatsphäre http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=102442 EGMR, Urteile vom 7. Februar 2012 - Beschwerde-Nrn. 39954/08, 40660/08 und 60641/08 (rechtskräftig): Im Verfahren Axel Springer AG gegen Deutschland (Beschwerde-Nr. 39954/08) stellte der Gerichtshof mit einer Mehrheit der Stimmen eine Verletzung von Art. 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) fest. Im Verfahren Von Hannover gegen Deutschland (Nr. 2) (Beschwerde-Nrn. 40660/08 und 60641/08) stellte der Gerichtshof einstimmig keine Verletzung von Art. 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der EMRK fest.

Hier geht es zum PDF der Pressemitteilung Nr. 45 vom 7. Februar 2012 .

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:32
EGMR: Informationsrecht bei verfassungsgerichtlichem Verfahren http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=76442 Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte mit Urteil Nr. 37374/05 vom 14. April 2009 fest, daß die Verweigerung der Einsicht in die Verfahrensakten  eines laufenden Verfahrens der abstrakten Normenkontrolle vor dem ungarischen Verfassungsgericht das Recht auf Informationsfreiheit gemäß Art. 10 EMRK verletzt.

Hier geht es zum PDF-Dokument mit der Zusammenfassung der Entscheidung in Osteuropa Recht 2/2009, Seite 226 - 227 (mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift Osteuropa Recht)

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:29
EGMR: Rechtssache von Hannover gegen Deutschland http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=18842 Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Pressemitteilung des Kanzlers
Nichtamtliche Übersetzung

24.6.04

Kammerurteil in der Rechtssache von Hannover gegen Deutschland

(Pressemitteilung, veröffentlicht auf http://www.echr.coe.int/)

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat heute in der Rechtssache von Hannover gegen Deutschland (Beschwerde Nr. 59320/00) in öffentlicher Verhandlung das Urteil[1] verkündet.

Der Gerichtshof hat einstimmig entschieden, dass

  • Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privatlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt worden ist,
  • die Frage der Anwendung des Artikels 41 (gerechte Entschädigung) der Konvention noch nicht spruchreif ist. Die Entscheidung hierüber wird daher zurückgestellt, und die Regierungen sowie die Beschwerdeführerin sind aufgefordert, dem Gerichtshof schriftlich ihre entsprechenden Stellungnahmen zukommen zu lassen.

Das Urteil liegt in französischer Sprache (Originalfassung) und in englischer Sprache (Übersetzung) vor.

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin Prinzessin Caroline von Hannover ist 1957 geboren und die älteste Tochter des Fürsten Rainier III von Monaco. Sie besitzt die Staatsangehörigkeit von Monaco und hat dort auch ihren Wohnsitz.

Seit Beginn der neunziger Jahre versucht Prinzessin Caroline von Hannover in verschiedenen Ländern Europas – oftmals unter Einschaltung der Gerichte – gegen die Boulevardpresse vorzugehen, um die Veröffentlichung von Fotografien aus ihrem Privatleben zu verhindern.

Sie hat wiederholt ohne Erfolg die deutschen Gerichte angerufen, damit diese jede weitere Veröffentlichung einer Reihe von Fotos untersagen, die in den neunziger Jahren in den deutschen Zeitschriften Bunte, Freizeit Revue und Neue Post veröffentlicht wurden. Sie begründete ihre Klage damit, dass durch diese Veröffentlichungen ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens und ihr Recht am eigenen Bild verletzt würden.

In einem Grundsatzurteil vom 15. Dezember 1999 hat das Bundesverfassungsgericht die Veröffentlichung bestimmter Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern zu sehen ist, untersagt, da Kinder in höherem Maße des Schutzes bedürften als Erwachsene.

Das Verfassungsgericht befand allerdings, dass die Beschwerdeführerin, die unzweifelhaft eine „absolute Person der Zeitgeschichte“ sei, die Veröffentlichung von Fotografien hinnehmen müsse, die sie in der Öffentlichkeit zeigen, selbst wenn die Bilder eher ihr Alltagsleben betreffen als die Erfüllung ihrer offiziellen Pflichten. Das Gericht verwies in diesem Zusammenhang auf die Pressefreiheit und auf das legitime Interesse der Öffentlichkeit zu erfahren, wie sich eine solche Persönlichkeit allgemein im öffentlichen Leben verhält.

2. Verfahren und Zusammensetzung des Gerichtshofs

Die Beschwerde wurde am 6. Juni 2000 eingereicht und am 8. Juli 2003 für zulässig erklärt.

Am 16. und 26. September 2003 ermächtigte der Kammerpräsident den Verband Deutscher Zeitschriftenverleger und die Hubert Burda Media Holding GmbH & Co.KG gemäß Artikel 61 § 3 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs als Drittbeteiligte eine schriftliche Stellungnahme einzureichen.

Am 6. November 2003 hat im Menschenrechtsgebäude in Straßburg eine öffentliche mündliche Verhandlung stattgefunden.

Das Urteil wurde dann von einer Kammer gefällt, die sich aus folgenden 7 Richtern zusammensetzte:

Ireneu Cabral Barreto (Portugiese), Präsident,
Georg Ress (Deutscher),
Lucius Caflisch (Schweizer)[2]
Riza Türmen (Türke),
Boštjan Zupancic (Slowene),
John Hedigan (Ire),
Kristaq Traja (Albaner), Richter,
sowie Vincent Berger, Sektionskanzler

3. Zusammenfassung des Urteils[3]

Beschwerde

Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Entscheidungen der deutschen Gerichte würden gegen ihr Recht auf Achtung ihres Privatlebens verstoßen; denn die Gerichte hätten ihr keinen angemessenen Schutz vor der Veröffentlichung von Fotos gewährt, die Sensationsreporter von ihr ohne ihr Wissen gemacht haben, weil sie aufgrund ihrer Herkunft unzweifelhaft eine „absolute Person der Zeitgeschichte“ sei. Ferner liege eine Verletzung ihres Rechts auf Achtung ihres Familienlebens vor. Die Beschwerdeführerin beruft sich dabei auf Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Entscheidung des Gerichtshofs

Der Gerichtshof hält als Erstes fest, dass einige Fotografien, auf denen die Beschwerdeführerin mit ihren Kindern zu sehen ist, sowie das Foto, das sie in Begleitung eines Schauspielers hinten im Hof eines Restaurants zeigt, nicht länger Gegenstand des Rechtsstreits sind. Der Bundesgerichtshof hat nämlich jede weitere Veröffentlichung dieser Fotos untersagt, da durch sie das Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung ihres Familienlebens verletzt werde.

Es steht außer Zweifel, dass die von verschiedenen deutschen Zeitschriften veröffentlichten Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin allein oder mit anderen Personen im Rahmen ihres Alltagslebens zu sehen ist, ihr Privatleben berühren. Artikel 8 der Konvention ist daher in diesem Fall anwendbar. Es ist somit eine Abwägung zwischen dem Schutz des Privatlebens, auf den die Beschwerdeführerin Anspruch hat, und der durch Artikel 10 der Konvention garantierten Freiheit der Meinungsäußerung vorzunehmen.

Die Freiheit der Meinungsäußerung gilt zwar auch für die Veröffentlichung von Fotos, doch in diesem Bereich kommt dem Schutz des guten Rufs und der Rechte anderer besondere Bedeutung zu, da es hier nicht um die Verbreitung von „Ideen“ geht, sondern von Bildern, die sehr persönliche oder sogar intime Informationen über einen Menschen enthalten. Außerdem werden die in der Boulevardpresse veröffentlichten Fotos oftmals unter Bedingungen gemacht, die einer ständigen Belästigung gleichkommen und von der betroffenen Person als Eindringen in ihr Privatleben, wenn nicht sogar als Verfolgung empfunden werden.

Das entscheidende Kriterium für die Abwägung zwischen Schutz des Privatlebens einerseits und Freiheit der Meinungsäußerung andererseits besteht nach Ansicht des Gerichtshof darin, inwieweit die veröffentlichten Fotos zu einer Debatte beitragen, für die ein Allgemeininteresse geltend gemacht werden kann. Im vorliegenden Fall handelt es sich um Fotos aus dem Alltagsleben von Caroline von Hannover, um Fotos also, die sie bei rein privaten Tätigkeiten zeigen. Der Gerichtshof nimmt diesbezüglich zur Kenntnis, in welchem Zusammenhang die Fotos gemacht wurden, nämlich ohne Wissen der Beschwerdeführerin, ohne ihre Einwilligung und zuweilen auch heimlich. Diese Fotos können nicht als Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem öffentlichem Interesse angesehen werden, da die Beschwerdeführerin dabei kein öffentliches Amt ausübt und die strittigen Fotos und Artikel ausschließlich Einzelheiten ihres Privatlebens betreffen.

Ferner mag die Öffentlichkeit zwar ein Recht darauf haben, informiert zu werden, ein Recht, das sich unter besonderen Umständen auch auf das Privatleben von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens erstrecken kann, im vorliegenden Fall ist ein solches Recht jedoch nicht gegeben. Nach Auffassung des Gerichtshofs kann die Öffentlichkeit kein legitimes Interesse daran geltend machen zu erfahren, wo Caroline von Hannover sich aufhält und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält, auch wenn sie sich an Orte begibt, die nicht immer als abgeschieden bezeichnet werden können, und auch wenn sie eine weithin bekannte Persönlichkeit ist. Und selbst wenn ein solches Interesse der Öffentlichkeit besteht, ebenso wie ein kommerzielles Interesse der Zeitschriften, die die Fotos und die Artikel veröffentlichen, so haben diese Interessen nach Ansicht des Gerichtshofs im vorliegenden Fall hinter dem Recht der Beschwerdeführerin auf wirksamen Schutz ihres Privatlebens zurückzutreten.

Der Gerichtshof weist darauf hin, welche grundlegende Bedeutung dem Schutz des Privatlebens für die Selbstentfaltung jedes Einzelnen zukommt, und hält fest, dass jede Person, auch wenn es sich um eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens handelt, die „legitime Erwartung“ hegen darf, dass ihr Privatleben geschützt und geachtet wird. Die von den innerstaatlichen Gerichten aufgestellten Kriterien zur Unterscheidung zwischen einer „absoluten“ Person der Zeitgeschichte und einer „relativen“ Person reichen nach Ansicht des Gerichtshofs nicht aus, um einen wirksamen Schutz des Privatlebens der Beschwerdeführerin zu gewährleisten, und es hätte anerkannt werden müssen, dass die Beschwerdeführerin unter den gegebenen Umständen die „legitime Erwartung“ geltend machen darf, dass ihr Privatleben geschützt wird.

Angesichts dessen gelangt der Gerichtshof, trotz des Ermessensspielraums des Staates auf diesem Gebiet, zu dem Schluss, dass die deutschen Gerichte die widerstreitenden Interessen nicht in gerechter Weise gegeneinander abgewogen haben. Somit befindet der Gerichtshof, dass Artikel 8 der Konvention verletzt worden ist und dass über den Beschwerdepunkt, den die Beschwerdeführerin in Bezug auf ihr Recht auf Achtung ihres Familienlebens vorgebracht hat, nicht entschieden zu werden braucht.

Die Richter Cabral Barretto und Zupanc(ic( haben jeweils eine zustimmende persönliche Meinung zum Ausdruck gebracht; diese persönlichen Meinungen sind dem Urteil beigefügt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist 1959 in Straßburg von den Mitgliedsstaaten des Europarates gegründet worden, um über Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 zu urteilen. Die Zahl seiner Richter entspricht der Zahl der Vertragsstaaten der Konvention. Seit 1. November 1998 arbeitet er als ständig tagender Gerichtshof. In Kammern mit sieben Richtern oder in Ausnahmefällen in einer Großen Kammer mit siebzehn Richtern prüft er die Zulässigkeit und Begründetheit der bei ihm eingereichten Beschwerden. Die Vollstreckung seiner Urteile wird vom Ministerkomitee des Europarates überwacht. Nähere Informationen zum Gerichtshof und seiner Arbeit sind auf seiner Website zu finden.


[1] Gemäß Artikel 43 der Europäischen Menschenrechtskonvention kann jede Partei innerhalb von drei Monaten nach dem Datum des Urteils der Kammer in Ausnahmefällen die Verweisung der Rechts­sache an die Große Kammer (17 Mitglieder) des Gerichtshofs beantragen. Auf einen solchen Antrag hin prüft ein Ausschuss von fünf Richtern, ob die Rechtssache eine schwerwiegende Frage der Auslegung oder Anwendung der Konvention oder der Protokolle dazu oder eine schwerwiegende Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft. Ist dies der Fall, so entscheidet die Große Kammer die Sache durch ein endgültiges Urteil. Anderenfalls lehnt der Ausschuss den Antrag ab und das Urteil wird endgültig. Ansonsten wird das Urteil einer Kammer endgültig, wenn die genannte Frist von drei Monaten abgelaufen ist oder wenn die Parteien erklären, dass sie die Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer nicht beantragen werden.

[2] Für Liechtenstein gewählt

[3] Diese Zusammenfassung wurde vom Kanzler erstellt und ist für den Gerichtshof nicht rechtsverbindlich.


Diese Seite ist vom 6. Juli 2004
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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:27
EuGH, Urteil vom 7. August 2018: Im Internet frei zugängliches Foto nur mit erneuter Einwilligung des Fotografen auf anderer Website veröffentllichbar http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=131442 EuGH, Urteil vom 7. August 2018 - C-161/17:Ein im Internet frei zugängliches Foto darf ohne eine erneute Erlaubnis des Fotografen nicht auf einer anderen Website veröffentlicht werden. Davon ist die Setzung eines Hyperlink zu unterscheiden, der zu einer anderen Website führt.

Hier geht es zum PDF-Dokument der Entscheidung.

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:38
EuGH-Urteil vom 1. Dezember 2012: Vorabentscheidung zur Nutzung von Kampusch-Fotos ohne Urheberkennzeichnung zu Fahndungszwecken http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=101142 Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 1. Dezember 2012 - Rechtssache C-154/10: Vorabentscheidung zur Zulässigkeit der Nutzung von Portraitfotos der Natascha Kampusch ohne Urheberkennzeichnung zu Fahndungszwecken durch Zeitungsverlage.

Link zum PDF

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:31
EuGH: Unzulässigkeit des generellen Zugabenverbots in Österreich http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=95642 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

9. November 2010 (*)

„Richtlinie 2005/29/EG – Unlautere Geschäftspraktiken – Nationale Regelung, mit der Geschäftspraktiken, wonach das Angebot von Zugaben an Verbraucher vom Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig gemacht wird, grundsätzlich verboten werden“

In der Rechtssache C‑540/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 18. November 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2008, in dem Verfahren

Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH & Co. KG

gegen

„Österreich“-Zeitungsverlag GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter), J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, J.‑C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richter E. Juhász, G. Arestis und A. Borg Barthet, der Richterin P. Lindh sowie des Richters T. von Danwitz,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwälte S. Korn und G. Korn,

–        der „Österreich“-Zeitungsverlag GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt P. Zöchbauer und W. Zekert, Geschäftsführer,

–        der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer und A. Posch als Bevollmächtigte,

–        der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne als Bevollmächtigten,

–        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, J. Möller und S. Unzeitig als Bevollmächtigte,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Erlbacher und W. Wils als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 24. März 2010

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 Abs. 1 sowie 5 Abs. 2 und 5 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. L 149, S. 22, im Folgenden: Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag GmbH & Co. KG (im Folgenden: Mediaprint) und der „Österreich“-Zeitungsverlag GmbH, beide Presseunternehmen, über die Zulässigkeit eines von der Beklagten des Ausgangsverfahrens durchgeführten Verkaufs mit Zugaben.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3        In den Erwägungsgründen 6, 8, 9 und 17 der Richtlinie heißt es:

„(6)      Die vorliegende Richtlinie gleicht … die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken einschließlich der unlauteren Werbung an, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher unmittelbar und dadurch die wirtschaftlichen Interessen rechtmäßig handelnder Mitbewerber mittelbar schädigen. Im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip schützt diese Richtlinie die Verbraucher vor den Auswirkungen solcher unlauteren Geschäftspraktiken, soweit sie als wesentlich anzusehen sind, berücksichtigt jedoch, dass die Auswirkungen für den Verbraucher in manchen Fällen unerheblich sein können. Sie erfasst und berührt nicht die nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen; die Mitgliedstaaten können solche Praktiken, falls sie es wünschen, unter uneingeschränkter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht weiterhin regeln. …

(8)      Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern. …

(9)      Diese Richtlinie berührt nicht individuelle Klagen von Personen, die durch eine unlautere Geschäftspraxis geschädigt wurden. Sie berührt ferner nicht die gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften in den Bereichen Vertragsrecht, Schutz des geistigen Eigentums, Sicherheit und Gesundheitsschutz im Zusammenhang mit Produkten, Niederlassungsbedingungen und Genehmigungsregelungen, einschließlich solcher Vorschriften, die sich im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auf Glücksspiele beziehen, sowie die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft und die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung derselben. Die Mitgliedstaaten können somit unabhängig davon, wo der Gewerbetreibende niedergelassen ist, unter Berufung auf den Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Verbraucher in ihrem Hoheitsgebiet für Geschäftspraktiken Beschränkungen aufrechterhalten oder einführen oder diese Praktiken verbieten, beispielsweise im Zusammenhang mit Spirituosen, Tabakwaren und Arzneimitteln. …

(17)      Es ist wünschenswert, dass diejenigen Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen unlauter sind, identifiziert werden, um größere Rechtssicherheit zu schaffen. Anhang I enthält daher eine umfassende Liste solcher Praktiken. Hierbei handelt es sich um die einzigen Geschäftspraktiken, die ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Artikel 5 bis 9 als unlauter gelten können. Die Liste kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.“

4        Art. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Zweck dieser Richtlinie ist es, durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen.“

5        Art. 2 Buchst. d der Richtlinie sieht vor:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

d)      ‚Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern‘ (nachstehend auch ‚Geschäftspraktiken‘ genannt) jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“.

6        In Art. 3 der Richtlinie heißt es:

„(1)      Diese Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts.

(2)      Diese Richtlinie lässt das Vertragsrecht und insbesondere die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags unberührt.

(3)      Diese Richtlinie lässt die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Gesundheits- und Sicherheitsaspekte von Produkten unberührt.

…“

7        Art. 4 der Richtlinie lautet:

„Die Mitgliedstaaten dürfen den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Warenverkehr nicht aus Gründen, die mit dem durch diese Richtlinie angeglichenen Bereich zusammenhängen, einschränken.“

8        Art. 5 („Verbot unlauterer Geschäftspraktiken“) der Richtlinie bestimmt Folgendes:

(1)      Unlautere Geschäftspraktiken sind verboten.

(2)      Eine Geschäftspraxis ist unlauter, wenn

a)      sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht

und

b)      sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet, oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

(4)      Unlautere Geschäftspraktiken sind insbesondere solche, die

a)      irreführend im Sinne der Artikel 6 und 7

oder

b)      aggressiv im Sinne der Artikel 8 und 9 sind.

(5)      Anhang I enthält eine Liste jener Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind. Diese Liste gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten und kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.“

 Nationales Recht

9        § 9a des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 (BGBl. I Nr. 448/1984) in der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 136/2001 geänderten Fassung (im Folgenden: UWG) lautet wie folgt:

„(1)      Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1.      in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ankündigt, dass er Verbrauchern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) gewährt, oder Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt oder

2.      Unternehmern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt,

kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Unentgeltlichkeit der Zugabe durch Gesamtpreise für Waren oder Leistungen, durch Scheinpreise für eine Zugabe oder auf andere Art verschleiert wird.

(2)      Abs. 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Zugabe besteht

1.      in handelsüblichem Zugehör zur Ware oder handelsüblichen Nebenleistungen,

2.      in Warenproben,

3.      in Reklamegegenständen, die als solche durch eine auffallend sichtbare und dauerhafte Bezeichnung des reklametreibenden Unternehmens gekennzeichnet sind,

4.      in geringwertigen Zuwendungen (Prämien) oder geringwertigen Kleinigkeiten, sofern Letztere nicht für Zusammenstellungen bestimmt sind, die einen die Summe der Werte der gewährten Einzelgegenstände übersteigenden Wert besitzen,

5.      in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag, der der Ware nicht beigefügt ist,

6.      in einer bestimmten oder lediglich nach Bruchteilen zu berechnenden Menge derselben Ware,

7.      in der Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen oder

8.      in der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben (Gewinnspiel), bei dem der sich aus dem Gesamtwert der ausgespielten Preise im Verhältnis zur Zahl der ausgegebenen Teilnahmekarten (Lose) ergebende Wert der einzelnen Teilnahmekarte 0,36 € und der Gesamtwert der ausgespielten Preise 21 600 € nicht überschreitet; dies kann nur mittels eigener Teilnahmekarten erfolgen.

Z 8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10      Vom 25. November bis 6. Dezember 2007 veranstaltete die der Beklagten des Ausgangsverfahrens gehörende Tageszeitung Österreich die Wahl eines „Fußballers des Jahres“ und forderte das Publikum auf, daran per Internet oder mittels eines in der Tageszeitung abgedruckten Wahlcoupons teilzunehmen. Die Teilnahme an der Wahl ermöglichte den Gewinn eines Abendessens mit dem gewählten Fußballer.

11      Mediaprint war der Auffassung, dass die vom Erwerb der Zeitung abhängige Gewinnmöglichkeit eine unzulässige Zugabe im Sinne des § 9a Abs. 1 Z 1 UWG sei, und beantragte beim Handelsgericht Wien, der Beklagten des Ausgangsverfahrens aufzugeben, diese Praxis zu unterlassen. Während dieses Gericht dem Antrag stattgab, entschied das Oberlandesgericht Wien als Rekursgericht, dass das Zugabenverbot nur gelten könne, wenn der angekündigte Gewinn Anlass für das Publikum sein könne, die Zeitung zu kaufen. Ein solcher „Anlockeffekt“ liege im vorliegenden Fall insbesondere deshalb nicht vor, weil das Publikum an der Wahl auch per Internet teilnehmen könne.

12      Mediaprint erhob daraufhin gegen diese Entscheidung einen außerordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof. In seiner Vorlageentscheidung legt dieser zunächst dar, dass § 9a Abs. 1 Z 1 UWG ein allgemeines Zugabenverbot vorsehe, das sowohl der Gewährleistung des Verbraucherschutzes als auch dem Erhalt eines funktionierenden Wettbewerbs diene. Es sei fraglich, ob die Richtlinie, die dagegen den Verbraucherschutz bezwecke und ausschließlich das Verhältnis zwischen Verbrauchern und Unternehmen regle, einer solchen Bestimmung entgegenstehe.

13      Da die zu erlassende Entscheidung nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs von der Auslegung der Richtlinie abhängt, hat er beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Stehen Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie oder andere Bestimmungen dieser Richtlinie einer nationalen Regelung, wonach das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von unentgeltlichen Zugaben zu periodischen Druckschriften sowie das Ankündigen von unentgeltlichen Zugaben zu anderen Waren oder Dienstleistungen abgesehen von abschließend genannten Ausnahmen unzulässig ist, ohne dass im Einzelfall der irreführende, aggressive oder sonst unlautere Charakter dieser Geschäftspraxis geprüft werden müsste, auch dann entgegen, wenn diese Regelung nicht nur dem Verbraucherschutz, sondern auch anderen Zwecken dient, die nicht vom sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst werden, etwa der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt oder dem Schutz schwächerer Mitbewerber?

2.      Wenn Frage 1 bejaht wird: Ist die mit dem Erwerb einer Zeitung verbundene Ermöglichung der Teilnahme an einem Gewinnspiel allein deswegen eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie, weil diese Teilnahmemöglichkeit zumindest für einen Teil der angesprochenen Kreise zwar nicht das einzige, wohl aber das ausschlaggebende Motiv für den Erwerb der Zeitung bildet?

14      Mit Schreiben, das am 27. Juli 2009 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat die österreichische Regierung gemäß Art. 44 § 3 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beantragt, dass die Große Kammer über die Rechtssache entscheidet.

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

15      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die ein allgemeines Zugabenverbot vorsieht und nicht nur auf den Schutz der Verbraucher abzielt, sondern auch andere Ziele verfolgt, wie z. B. die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt und den Schutz schwächerer Mitbewerber.

16      Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu klären, ob die von dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verbot erfassten Verkäufe mit Zugaben Geschäftspraktiken im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie darstellen und damit deren Vorschriften unterliegen.

17      Dazu ist darauf hinzuweisen, dass Art. 2 Buchst. d der Richtlinie den Begriff „Geschäftspraxis“ mit einer besonders weiten Formulierung definiert als „jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt“.

18      Werbekampagnen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit denen die kostenlose Teilnahme des Verbrauchers an einem Preisausschreiben mit dem Kauf von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen verknüpft wird, fügen sich eindeutig in den Rahmen der Geschäftsstrategie eines Gewerbetreibenden ein und hängen unmittelbar mit der Absatzförderung und dem Verkauf zusammen. Sie stellen folglich Geschäftspraktiken im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie dar und fallen damit in deren sachlichen Anwendungsbereich (vgl. Urteil vom 14. Januar 2010, Plus Warenhandelsgesellschaft, C‑304/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19      Dieser Schluss wird durch das Vorbringen von Mediaprint sowie der österreichischen und der belgischen Regierung, wonach die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verkaufsförderungsmaßnahmen von der Richtlinie nicht erfasst seien, weil sie ausdrücklich Gegenstand eines Vorschlags der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates (KOM[2001] 546 endg., geändert durch KOM[2002] 585 endg.) gewesen seien, nicht in Frage gestellt. Dazu genügt die Feststellung, dass dieser Umstand als solcher es nicht ausschließt, dass solche Praktiken beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts unlautere Geschäftspraktiken im Sinne der genannten Richtlinie darstellen und von ihrem Anwendungsbereich erfasst werden, insbesondere angesichts dessen, dass der entsprechende Vorschlag im Jahr 2006 zurückgenommen wurde und daher nicht zum Erlass einer Verordnung geführt hat (Urteil Plus Warenhandelsgesellschaft, Randnr. 33).

20      Sodann ist zu prüfen, ob eine nationale Bestimmung wie § 9a Abs. 1 Z 1 UWG ungeachtet der Tatsache, dass sie, wie das vorlegende Gericht darlegt, einen umfassenderen Regelungszweck als die Richtlinie hat, weil sie nicht nur Verbraucher schützen will, sondern auch andere Ziele verfolgt, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen kann.

21      Dazu ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie, wie in Randnr. 17 des vorliegenden Urteils ausgeführt, durch einen besonders weiten sachlichen Anwendungsbereich gekennzeichnet ist, der alle Geschäftspraktiken erfasst, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängen. Vom Anwendungsbereich der Richtlinie sind dementsprechend, wie aus ihrem sechsten Erwägungsgrund hervorgeht, nur solche nationalen Rechtsvorschriften ausgenommen, die unlautere Geschäftspraktiken betreffen, die „lediglich“ die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern beeinträchtigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen.

22      Dies ist bei der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmung jedoch offensichtlich nicht der Fall.

23      Wie nämlich vom vorlegenden Gericht dargelegt, zielt Art. 9a Abs. 1 Z 1 UWG ausdrücklich auf den Schutz der Verbraucher und nicht nur auf den Schutz der Mitbewerber und der anderen Marktteilnehmer ab.

24      Zudem geht aus der Akte hervor, dass das UWG durch das Gesetz vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I Nr. 79/2007) gerade zum Zweck der Umsetzung der Richtlinie in Österreich reformiert wurde, ohne dass im Übrigen dessen § 9a geändert wurde. Der nationale Gesetzgeber nahm also an, dass dieses Gesetz die Konformität des innerstaatlichen Rechts mit der Richtlinie gewährleisten könne und es somit, wie in deren achtem Erwägungsgrund vorgesehen, ermöglichen werde, „unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern“ zu schützen sowie, wie es insbesondere in ihrem Art. 1 heißt, zum Erreichen eines „hohen Verbraucherschutzniveaus“ beizutragen.

25      In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die österreichische Regierung in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bestimmung falle nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie, da mit ihr im Wesentlichen das Ziel der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt in Österreich verfolgt werde. Sie ist daher von der Beurteilung der Ziele dieser Bestimmung durch das vorlegende Gericht, wie sie aus den Randnrn. 12 und 20 des vorliegenden Urteils hervorgeht, abgerückt.

26      Selbst wenn man davon ausgeht, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Bestimmung im Wesentlichen das Ziel der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt in Österreich verfolgt, ist darauf hinzuweisen, dass die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, in ihrem Gebiet Maßnahmen beizubehalten oder einzuführen, die bezwecken oder bewirken, dass Geschäftspraktiken aus Gründen der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt als unlauter eingestuft werden, nicht zu den in den Erwägungsgründen 6 und 9 sowie in Art. 3 der Richtlinie genannten Ausnahmen von ihrem Anwendungsbereich gehört.

27      In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass die Richtlinie die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vollständig harmonisiert.

28      Dem Vorbringen der österreichischen Regierung, § 9a Abs. 1 Z 1 UWG falle nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie, da er im Wesentlichen auf die Aufrechterhaltung der Medienvielfalt abziele, ist daher nicht zu folgen.

29      Sodann ist zu prüfen, ob die Richtlinie einem Zugabenverbot wie dem in § 9a Abs. 1 Z 1 UWG vorgesehenen entgegensteht.

30      Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, weil die Richtlinie die Regeln über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vollständig harmonisiert, die Mitgliedstaaten, wie dies in Art. 4 der Richtlinie ausdrücklich vorgesehen ist, keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen dürfen, und zwar auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen (Urteil Plus Warenhandelsgesellschaft, Randnr. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31      Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Art. 5 der Richtlinie, der unlautere Geschäftspraktiken verbietet, die Kriterien anführt, anhand deren die Unlauterkeit bestimmt werden kann.

32      So ist nach Art. 5 Abs. 2 eine Geschäftspraxis unlauter, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht und in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

33      Zudem definiert Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie zwei präzise Kategorien von unlauteren Geschäftspraktiken, nämlich die „irreführenden Geschäftspraktiken“ und die „aggressiven Geschäftspraktiken“, die den in den Art. 6 und 7 bzw. 8 und 9 angeführten Kriterien entsprechen.

34      Schließlich stellt die Richtlinie in Anhang I eine abschließende Liste von 31 Geschäftspraktiken auf, die nach ihrem Art. 5 Abs. 5 „unter allen Umständen“ als unlauter anzusehen sind. Folglich können, wie es im 17. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ausdrücklich heißt, nur diese Geschäftspraktiken ohne eine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Art. 5 bis 9 der Richtlinie als unlauter gelten.

35      Was die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechtsvorschriften anbelangt, steht fest, dass Praktiken, wonach Verbrauchern mit dem Kauf von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen verbundene Zugaben angeboten werden, in Anhang I der Richtlinie nicht aufgeführt sind. Sie dürfen daher nicht unter allen Umständen, sondern nur nach einer konkreten Beurteilung untersagt werden, anhand deren ihr unlauterer Charakter festgestellt werden kann.

36      Es ist jedoch festzustellen, dass nach § 9a Abs. 1 Z 1 UWG jede geschäftliche Handlung verboten ist, die das Anbieten einer Zugabe mit dem Kauf von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen verknüpft. Eine derartige Praxis ist mit anderen Worten allgemein verboten, ohne dass anhand des tatsächlichen Kontextes des Einzelfalls geprüft werden müsste, ob die fragliche geschäftliche Handlung im Licht der in den Art. 5 bis 9 der Richtlinie aufgestellten Kriterien „unlauter“ ist.

37      Außerdem widerspricht eine solche nationale Regelung, die strengere als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen vorsieht, dem Inhalt von Art. 4 der Richtlinie, der es den Mitgliedstaaten ausdrücklich untersagt, solche Maßnahmen beizubehalten oder zu erlassen, selbst wenn mit solchen Maßnahmen ein höheres Verbraucherschutzniveau erreicht werden soll.

38      Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Richtlinie einem Verbot – wie es die im Ausgangsverfahren fragliche nationale Bestimmung aufstellt – von Geschäftsangeboten entgegensteht, die den Kauf von Waren oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen mit der Gewährung von Zugaben verknüpfen.

39      Dass § 9a Abs. 2 UWG einige Ausnahmen von diesem Zugabenverbot vorsieht, kann diesen Schluss nicht in Frage stellen.

40      Auch wenn diese Ausnahmen, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, geeignet sind, die Tragweite des Verbots von Geschäftspraktiken zu beschränken, die darin bestehen, das Anbieten von Zugaben mit dem Kauf von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu verknüpfen, können sie nämlich als beschränkte und im Voraus definierte Ausnahmen nicht die notwendig anhand des Sachverhalts des konkreten Falles vorzunehmende Beurteilung ersetzen, ob eine Geschäftspraxis nach den in den Art. 5 bis 9 der Richtlinie angeführten Kriterien als „unlauter“ einzustufen ist, wenn es sich, wie im Ausgangsverfahren, um eine Praxis handelt, die nicht in Anhang I der Richtlinie aufgeführt ist (vgl. Urteil Plus Warenhandelsgesellschaft, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41      Nach alledem ist auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass die Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die ein allgemeines Zugabenverbot vorsieht und nicht nur auf den Schutz der Verbraucher abzielt, sondern auch andere Ziele verfolgt.

 Zur zweiten Frage

42      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht für den Fall der Bejahung der ersten Vorlagefrage wissen, ob Verkäufe mit Zugaben allein deswegen als unlautere Geschäftspraktiken im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie anzusehen sind, weil die Möglichkeit eines Gewinns zumindest für einen Teil der angesprochenen Verkehrskreise das ausschlaggebende Motiv dafür bildet, die Hauptware zu kaufen.

43      Wie in Randnr. 35 des vorliegenden Urteils ausgeführt, kann eine in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallende Geschäftspraxis, wenn sie nicht in ihrem Anhang I aufgeführt ist, nur nach einer konkreten Beurteilung, insbesondere im Licht der in den Art. 5 bis 9 der Richtlinie genannten Kriterien, als unlauter gelten.

44      Der Umstand, dass die Möglichkeit der Teilnahme an einem Preisausschreiben zumindest für einen Teil der angesprochenen Verkehrskreise das ausschlaggebende Motiv für den Kauf einer Zeitung darstellt, ist einer der Faktoren, die das nationale Gericht im Rahmen einer solchen Beurteilung berücksichtigen kann.

45      Dieser Umstand könnte nämlich das nationale Gericht zu der Feststellung veranlassen, dass die fragliche Geschäftspraxis das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie wesentlich beeinflusst oder geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

46      Dennoch gestattet dieser Umstand allein keineswegs den Schluss, ein Verkauf mit Zugabe sei eine unlautere Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie. Dazu muss auch überprüft werden, ob die fragliche Praxis den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie widerspricht.

47      Nach alledem ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass die mit dem Kauf einer Zeitung verbundene Möglichkeit der Teilnahme an einem Gewinnspiel nicht allein deshalb eine unlautere Geschäftspraktik im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie ist, weil diese Teilnahmemöglichkeit zumindest für einen Teil der angesprochenen Verbraucher das ausschlaggebende Motiv für den Kauf dieser Zeitung bildet.

 Kosten

48      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die ein allgemeines Zugabenverbot vorsieht und nicht nur auf den Schutz der Verbraucher abzielt, sondern auch andere Ziele verfolgt.

2.      Die mit dem Kauf einer Zeitung verbundene Möglichkeit der Teilnahme an einem Gewinnspiel ist nicht allein deshalb eine unlautere Geschäftspraktik im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 2005/29, weil diese Teilnahmemöglichkeit zumindest für einen Teil der angesprochenen Verbraucher das ausschlaggebende Motiv für den Kauf dieser Zeitung bildet.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:31
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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

16. Dezember 2008 (*)

„Richtlinie 95/46/EG – Anwendungsbereich – Verarbeitung und Verkehr personenbezogener Steuerdaten – Schutz natürlicher Personen – Freiheit der Meinungsäußerung“

In der Rechtssache C‑73/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Korkein hallinto-oikeus (Finnland) mit Entscheidung vom 8. Februar 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Februar 2007, in dem Verfahren

Tietosuojavaltuutettu

gegen

Satakunnan Markkinapörssi Oy,

Satamedia Oy

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und A. Ó Caoimh sowie der Richter P. Kūris, E. Juhász, G. Arestis, A. Borg Barthet, J. Klučka, U. Lõhmus und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 2008,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Satakunnan Markkinapörssi Oy und der Satamedia Oy, vertreten durch P. Vainio, lakimies,

–        der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten,

–        der estnischen Regierung, vertreten durch L. Uibo als Bevollmächtigten,

–        der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. I. Fernandes und C. Vieira Guerra als Bevollmächtigte,

–        der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und K. Petkovska als Bevollmächtigte,

–        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Docksey und P. Aalto als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. Mai 2008

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31, im Folgenden: Richtlinie).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Tietosuojavaltuutettu (Datenschutzbeauftragten) und der Tietosuojalautakunta (Datenschutzkommission) wegen der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Gesellschaften Satakunnan Markkinapörssi Oy (im Folgenden: Markkinapörssi) und Satamedia Oy (im Folgenden: Satamedia).

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

3        Wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 ergibt, bezweckt die Richtlinie den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

4        Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten beschränken oder untersagen nicht den freien Verkehr personenbezogener Daten zwischen Mitgliedstaaten aus Gründen des gemäß Absatz 1 gewährleisteten Schutzes.“

5        Der mit „Begriffsbestimmungen“ überschriebene Art. 2 der Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a)      ‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (‚betroffene Person‘); als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind;

b)      ‚Verarbeitung personenbezogener Daten‘ (‚Verarbeitung‘) jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Benutzung, die Weitergabe durch Übermittlung, Verbreitung oder jede andere Form der Bereitstellung, die Kombination oder die Verknüpfung sowie das Sperren, Löschen oder Vernichten;

c)      ‚Datei mit personenbezogenen Daten‘ (‚Datei‘) jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind, gleichgültig ob diese Sammlung zentral, dezentralisiert oder nach funktionalen oder geografischen Gesichtspunkten aufgeteilt geführt wird;

…“

6        Art. 3 der Richtlinie legt deren Anwendungsbereich wie folgt fest:

„(1) Diese Richtlinie gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

(2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten,

–        die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrags über die Europäische Union, und auf keinen Fall auf Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn die Verarbeitung die Sicherheit des Staates berührt) und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich;

–        die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.“

7        Das Verhältnis zwischen dem Schutz personenbezogener Daten und der Freiheit der Meinungsäußerung ist in Art. 9 der Richtlinie unter der Überschrift „Verarbeitung personenbezogener Daten und Meinungsfreiheit“ wie folgt geregelt:

„Die Mitgliedstaaten sehen für die Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken erfolgt, Abweichungen und Ausnahmen von diesem Kapitel sowie von den Kapiteln IV und VI nur insofern vor, als sich dies als notwendig erweist, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen.“

8        Hierzu ist dem 37. Erwägungsgrund der Richtlinie Folgendes zu entnehmen:

„Für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen, literarischen oder künstlerischen Zwecken, insbesondere im audiovisuellen Bereich, sind Ausnahmen von bestimmten Vorschriften dieser Richtlinie vorzusehen, soweit sie erforderlich sind, um die Grundrechte der Person mit der Freiheit der Meinungsäußerung und insbesondere der Freiheit, Informationen zu erhalten oder weiterzugeben, die insbesondere in Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und der Grundfreiheiten garantiert ist, in Einklang zu bringen. Es obliegt deshalb den Mitgliedstaaten, unter Abwägung der Grundrechte Ausnahmen und Einschränkungen festzulegen, die bei den allgemeinen Maßnahmen zur Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Daten, bei den Maßnahmen zur Übermittlung der Daten in Drittländer sowie hinsichtlich der Zuständigkeiten der Kontrollstellen erforderlich sind, ohne dass jedoch Ausnahmen bei den Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Verarbeitung vorzusehen sind. Ferner sollte mindestens die in diesem Bereich zuständige Kontrollstelle bestimmte nachträgliche Zuständigkeiten erhalten, beispielsweise zur regelmäßigen Veröffentlichung eines Berichts oder zur Befassung der Justizbehörden.“

9        Der mit „Ausnahmen und Einschränkungen“ überschriebene Art. 13 der Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten können Rechtsvorschriften erlassen, die die Pflichten und Rechte gemäß Artikel 6 Absatz 1, Artikel 10, Artikel 11 Absatz 1, Artikel 12 und Artikel 21 beschränken, sofern eine solche Beschränkung notwendig ist für

a)      die Sicherheit des Staates;

…“

10      Der mit „Sicherheit der Verarbeitung“ überschriebene Art. 17 der Richtlinie bestimmt:

„(1)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche die geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen durchführen muss, die für den Schutz gegen die zufällige oder unrechtmäßige Zerstörung, den zufälligen Verlust, die unberechtigte Änderung, die unberechtigte Weitergabe oder den unberechtigten Zugang – insbesondere wenn im Rahmen der Verarbeitung Daten in einem Netz übertragen werden – und gegen jede andere Form der unrechtmäßigen Verarbeitung personenbezogener Daten erforderlich sind.

Diese Maßnahmen müssen unter Berücksichtigung des Standes der Technik und der bei ihrer Durchführung entstehenden Kosten ein Schutzniveau gewährleisten, das den von der Verarbeitung ausgehenden Risiken und der Art der zu schützenden Daten angemessen ist.

(2)      Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche im Fall einer Verarbeitung in seinem Auftrag einen Auftragsverarbeiter auszuwählen hat, der hinsichtlich der für die Verarbeitung zu treffenden technischen Sicherheitsmaßnahmen und organisatorischen Vorkehrungen ausreichende Gewähr bietet; der für die Verarbeitung Verantwortliche überzeugt sich von der Einhaltung dieser Maßnahmen.

…“

 Nationales Recht

11      § 10 Abs. 1 des Grundgesetzes (Perustuslaki [731/1999]) vom 11. Juni 1999 bestimmt:

„Das Privatleben, die Ehre und der Hausfrieden eines jeden sind geschützt. Der Schutz der persönlichen Daten wird durch Gesetz näher geregelt.“

12      § 12 des Grundgesetzes sieht vor:

„Jeder hat Redefreiheit. Die Redefreiheit schließt das Recht ein, ohne vorherige Beschränkungen Informationen, Meinungen und andere Botschaften auszudrücken, zu veröffentlichen und zu empfangen. Nähere Vorschriften über die Ausübung der Redefreiheit werden durch Gesetz erlassen. …

Dokumente und andere Aufnahmen im Besitz von Behörden sind öffentlich, sofern deren Öffentlichkeit aus unerlässlichen Gründen nicht durch Gesetz besonders beschränkt worden ist. Jeder hat das Recht, aus öffentlichen Dokumenten und Aufnahmen Informationen zu entnehmen.“

13      Das Gesetz über personenbezogene Daten (Henkilötietolaki [523/1999]) vom 22. April 1999, mit dem die Richtlinie in das nationale Recht umgesetzt wird, gilt für die Verarbeitung derartiger Daten (§ 2 Abs. 1) mit Ausnahme von Personendateien, die nur in Medien veröffentlichtes Material als solches enthalten (§ 2 Abs. 4). Es gilt nur zum Teil für die Verarbeitung personenbezogener Daten zu redaktionellen, künstlerischen oder literarischen Zwecken (§ 2 Abs. 5).

14      Nach § 32 des Gesetzes über personenbezogene Daten hat der für die Dateien Verantwortliche die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zu ergreifen, um die personenbezogenen Daten vor unberechtigtem Zugriff oder zufälligem Verlust oder vor zufälliger oder rechtswidriger Zerstörung, Änderung, Weitergabe, Übermittlung oder einer anderen ungesetzlichen Verarbeitung zu schützen.

15      Das Gesetz über die Öffentlichkeit der Tätigkeiten der Behörden (Laki viranomaisten toiminnan julkisuudesta [621/1999]) vom 21. Mai 1999 regelt ebenfalls den Zugang zu Informationen.

16      Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes sind Dokumente, die unter dieses Gesetz fallen, grundsätzlich öffentlich.

17      Nach § 9 dieses Gesetzes hat jedermann Recht auf Zugang zu Informationen, die in einem öffentlichen Dokument der Behörden enthalten sind.

18      § 16 Abs. 1 des Gesetzes regelt die Art des Zugangs zu einem solchen Dokument. Danach können die Behörden den Inhalt des Dokuments mündlich mitteilen oder dieses in ihren Räumen zur Einsichtnahme, zur Anfertigung einer Kopie oder zum Anhören aushändigen oder in Form einer Kopie oder eines Ausdrucks übergeben.

19      In § 16 Abs. 3 dieses Gesetzes sind die Voraussetzungen geregelt, unter denen personenbezogene Daten aus Dateien von Behörden weitergegeben werden können:

„Personenbezogene Daten aus einer Personendatei einer Behörde dürfen, wenn in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, in Form einer Kopie oder eines Ausdrucks oder in elektronischer Form weitergegeben werden, wenn der Empfänger gemäß den Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten zur Speicherung und Verarbeitung solcher Daten befugt ist. Für eine Direktvermarktung und für Meinungsforschung oder Marktuntersuchungen dürfen personenbezogene Daten jedoch nur weitergegeben werden, wenn dies besonders vorgesehen ist oder wenn der Betroffene seine Zustimmung erklärt hat.“

20      Dem vorlegenden Gericht zufolge geht das Gesetz über die Öffentlichkeit und Geheimhaltung von Steuerdaten (Laki verotustietojen julkisuudesta ja salassapidosta [1346/1999]) vom 30. Dezember 1999 dem Gesetz über personenbezogene Daten und dem Gesetz über die Öffentlichkeit der Tätigkeiten der Behörden vor.

21      Nach § 2 des Gesetzes über die Öffentlichkeit und Geheimhaltung von Steuerdaten finden die Vorschriften des Gesetzes über die Öffentlichkeit der Tätigkeiten der Behörden und des Gesetzes über personenbezogene Daten auf Steuerdokumente und -daten Anwendung, sofern gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

22      Art. 3 dieses Gesetzes bestimmt:

„Steuerdaten sind entsprechend den Vorschriften dieses Gesetzes öffentlich.

Jedermann hat gemäß den Bestimmungen des Gesetzes über die Öffentlichkeit der Tätigkeiten der Behörden Recht auf Zugang zu Informationen, die in einem öffentlichen Steuerdokument, das im Besitz der Steuerbehörden ist, enthalten sind, sofern sich aus diesem Gesetz nicht etwas anderes ergibt.“

23      Gemäß § 5 Abs. 1 des Gesetzes sind bei der jährlich durchzuführenden Veranlagung zur Einkommensteuer der Name des Steuerpflichtigen, sein Geburtsjahr und seine Heimatgemeinde öffentliche Steuerdaten. Ebenfalls öffentlich sind u. a. die Angaben über

„1.      das im Rahmen der staatlichen Steuer zu versteuernde Einkommen aus Erwerbstätigkeit;

2.      die im Rahmen der staatlichen Steuer zu versteuernden Kapitaleinkünfte und Vermögen;

3.      das im Rahmen der Gemeindesteuern zu versteuernde Einkommen;

4.      die Einkommensteuer, die Gemeindesteuer und der Gesamtbetrag der festgesetzten Steuern und Gebühren.

…“

24      Schließlich belegt Kapitel 24 § 8 des Strafgesetzbuchs (Rikoslaki in der Fassung des Gesetzes 531/2000) die Verbreitung von Informationen, die das Privatleben beeinträchtigen, mit Strafe. Danach wird bestraft, wer durch ein Massenmedium oder in anderer Weise eine Information, eine Andeutung oder ein Bild, die das Privatleben eines anderen betreffen, einer großen Zahl von Menschen zugänglich macht, sofern die Handlung geeignet ist, dem Verletzten einen Schaden oder eine Kränkung zuzufügen oder ihn in der allgemeinen Achtung herabzusetzen.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

25      Markkinapörssi erfasst seit vielen Jahren öffentliche Daten bei den Steuerbehörden, um diese jährlich auszugsweise in den Regionalausgaben der Zeitschrift Veropörssi zu veröffentlichen.

26      Die dort veröffentlichten Informationen umfassen Namen und Vornamen von etwa 1,2 Millionen natürlichen Personen, deren Einkommen bestimmte Schwellenwerte überschreitet, sowie auf 100 Euro genau deren Einkommen aus Kapital und Erwerbstätigkeit und Angaben zur Besteuerung ihres Vermögens. Diese Informationen werden in Gestalt einer alphabetischen Liste nach Gemeinde und Einkommenskategorie geordnet veröffentlicht.

27      Laut dem Vorlagebeschluss trägt Markkinapörssi vor, dass die in der Zeitschrift Veropörssi angegebenen personenbezogenen Daten auf Antrag kostenfrei entfernt werden können.

28      Auch wenn diese Zeitschrift Artikel, Zusammenfassungen und Anzeigen enthält, ist ihr Hauptzweck die Veröffentlichung persönlicher Steuerdaten.

29      Markkinapörssi gab die in der Zeitschrift Veropörssi veröffentlichten personenbezogenen Daten auf einer CD-ROM an Satamedia weiter, die die gleichen Anteilseigner hat, um die Daten über einen Kurzmitteilungsdienst zu verbreiten. Zu diesem Zweck schlossen die beiden Gesellschaften eine Vereinbarung mit einem Mobilfunkunternehmen, das für Rechnung von Satamedia einen Kurzmitteilungsdienst einrichtete, der es Nutzern von Mobiltelefonen ermöglicht, sich gegen Zahlung von etwa zwei Euro die in der Zeitschrift Veropörssi veröffentlichten Daten auf ihr Telefon senden zu lassen. Auf Antrag werden die personenbezogenen Daten aus diesem Dienst entfernt.

30      Der Tietosuojavaltuutettu und die Tietosuojalautakunta, die finnischen Datenschutzbehörden, wachen über die Verarbeitung personenbezogener Daten und sind zu Entscheidungen gemäß dem Gesetz über personenbezogene Daten befugt.

31      Auf Beschwerden von Privatpersonen hin, die eine Verletzung ihrer Privatsphäre rügten, ersuchte der Tietosuojavaltuutettu, der mit einer Untersuchung der Tätigkeiten von Markkinapörssi und Satamedia betraut war, am 10. März 2004 die Tietosuojalautakunta, jenen die Fortsetzung ihrer Tätigkeiten in Bezug auf die in Rede stehende Verarbeitung personenbezogener Daten zu untersagen.

32      Nachdem die Tietosuojalautakunta den Antrag des Tietosuojavaltuutettu zurückgewiesen hatte, legte dieser einen Rechtsbehelf beim Helsingin hallinto-oikeus (Verwaltungsgericht Helsinki) ein, das den Rechtsbehelf gleichfalls zurückwies. Der Tietosuojavaltuutettu legte daraufhin ein Rechtsmittel beim Korkein hallinto-oikeus ein.

33      Das vorlegende Gericht betont, dass das Rechtsmittel des Tietosuojavaltuutettu nicht die Weitergabe von Daten durch die finnischen Steuerbehörden betreffe. Es weist gleichfalls darauf hin, dass die Tatsache, dass die in Rede stehenden Steuerdaten öffentlich seien, nicht in Frage gestellt werde. Es hegt jedoch Zweifel in Bezug auf die spätere Verarbeitung dieser Daten.

34      Unter diesen Umständen hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.      Liegt eine Tätigkeit, die als „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie anzusehen ist, vor, wenn die Daten natürlicher Personen bezüglich ihres Einkommens aus Erwerbstätigkeit und Kapital und ihres Vermögens

a)      auf der Grundlage öffentlicher Dokumente der Steuerbehörden erfasst und zum Zweck der Veröffentlichung verarbeitet werden,

b)      in einem Druckerzeugnis, in alphabetischer Reihenfolge und nach Einkommenskategorien aufgeführt, in Form umfassender, nach Gemeinden geordneter Listen veröffentlicht werden,

c)      auf einer CD-ROM zur Verarbeitung zu kommerziellen Zwecken weitergegeben werden,

d)      im Rahmen eines Kurzmitteilungsdienstes verwendet werden, in dem Mobilfunkbenutzer nach Versendung einer Kurzmitteilung mit dem Namen und dem Wohnort einer bestimmten Person an eine bestimmte Nummer als Antwort Daten über das Einkommen dieser Person aus Erwerbstätigkeit und Kapital sowie über deren Vermögen erhalten können?

2.      Ist die Richtlinie dahin auszulegen, dass die verschiedenen vorstehend unter den Buchst. a bis d genannten Tätigkeiten als „Verarbeitung personenbezogener Daten allein zu journalistischen Zwecken“ im Sinne von Art. 9 der Richtlinie angesehen werden können, wenn berücksichtigt wird, dass Daten von mehr als einer Million von Steuerpflichtigen auf der Grundlage von Daten erhoben wurden, die nach den nationalen Rechtsvorschriften über die Öffentlichkeit öffentlich sind? Ist es für eine Beurteilung der Rechtssache von Bedeutung, dass der Hauptzweck dieser Tätigkeit die Veröffentlichung der genannten Daten ist?

3.      Ist Art. 17 der Richtlinie in Verbindung mit den Grundsätzen und Zielen der Richtlinie dahin auszulegen, dass die Veröffentlichung von Daten, die zu journalistischen Zwecken erhoben worden sind, und deren Weitergabe für eine Verarbeitung zu kommerziellen Zwecken gegen diese Vorschrift verstößt?

4.      Kann die Richtlinie so ausgelegt werden, dass diejenigen Personendateien, die nur in Medien veröffentlichtes Material als solches enthalten, überhaupt nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

35      Die in dieser Frage genannten Daten, die sich auf Namen und Vornamen bestimmter natürlicher Personen, deren Einkommen bestimmte Schwellenwerte überschreitet, sowie u. a. auf deren Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Kapital bis auf 100 Euro genau beziehen, sind personenbezogene Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46, da es sich um „Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“ handelt (vgl. auch Urteil vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a., C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, Slg. 2003, I‑4989, Randnr. 64).

36      Sodann ergibt sich schon aus dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. b der Richtlinie eindeutig, dass die in der ersten Frage genannte Tätigkeit unter die Definition der „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne dieser Bestimmung fällt.

37      Infolgedessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass eine Tätigkeit, bei der die Daten natürlicher Personen bezüglich ihres Einkommens aus Erwerbstätigkeit und Kapital und ihres Vermögens

–        auf der Grundlage öffentlicher Dokumente der Steuerbehörden erfasst und zum Zweck der Veröffentlichung verarbeitet werden,

–        in einem Druckerzeugnis, in alphabetischer Reihenfolge und nach Einkommenskategorien aufgeführt, in Form umfassender, nach Gemeinden geordneter Listen veröffentlicht werden,

–        auf einer CD-ROM zur Verarbeitung zu kommerziellen Zwecken weitergegeben werden,

–        im Rahmen eines Kurzmitteilungsdienstes verwendet werden, in dem Mobilfunkbenutzer nach Versendung einer Kurzmitteilung mit dem Namen und dem Wohnort einer bestimmten Person an eine bestimmte Nummer als Antwort Daten über das Einkommen dieser Person aus Erwerbstätigkeit und Kapital sowie über deren Vermögen erhalten können,

als „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist.

 Zur vierten Frage

38      Mit seiner vierten Frage, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die in der ersten Frage unter den Buchst. c und d beschriebene Verarbeitung personenbezogener Daten, die Personendateien betrifft, die nur in Medien veröffentlichtes Material als solches enthalten, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.

39      Nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie findet diese in zwei Fällen keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten.

40      Der erste Fall betrifft die Verarbeitung personenbezogener Daten, die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrags über die Europäische Union, und auf keinen Fall auf Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn die Verarbeitung die Sicherheit des Staates berührt) und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich.

41      Diese Tätigkeiten, die in Art. 3 Abs. 2 erster Gedankenstrich der Richtlinie beispielhaft aufgeführt werden, sind jedenfalls spezifische Tätigkeiten des Staates oder staatlicher Stellen, die mit den Tätigkeitsbereichen von Privatpersonen nichts zu tun haben. Sie sollen dazu dienen, den Umfang der in dieser Bestimmung geregelten Ausnahme festzulegen, so dass diese Ausnahme nur für Tätigkeiten gilt, die entweder dort ausdrücklich genannt sind oder derselben Kategorie zugeordnet werden können (ejusdem generis) (vgl. Urteil vom 6. November 2003, Lindqvist, C‑101/01, Slg. 2003, I‑12971, Randnrn. 43 und 44).

42      Bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, wie sie in der ersten Frage unter den Buchst. c und d beschrieben wird, geht es jedoch um Tätigkeiten privater Gesellschaften. Diese Tätigkeiten finden nicht in einem Rahmen statt, der von staatlichen Stellen geschaffen ist und der öffentlichen Sicherheit dient. Folglich können solche Tätigkeiten nicht den in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie genannten gleichgestellt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. Mai 2006, Parlament/Rat, C‑317/04 und C‑318/04, Slg. 2006, I‑4721, Randnr. 58).

43      Was den zweiten Fall betrifft, der in Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich vorgesehen ist, so werden in Erwägungsgrund 12 der Richtlinie als Beispiele für Datenverarbeitung, die von einer natürlichen Person in Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird, Schriftverkehr und die Führung von Anschriftenverzeichnissen genannt.

44      Demzufolge ist diese zweite Ausnahme dahin auszulegen, dass mit ihr nur Tätigkeiten gemeint sind, die zum Privat- oder Familienleben von Privatpersonen gehören (vgl. Urteil Lindqvist, Randnr. 47). Dies ist bei den Tätigkeiten von Markkinapörssi und Satamedia, durch die die erfassten Daten einer unbegrenzten Zahl von Personen zur Kenntnis gebracht werden sollen, offensichtlich nicht der Fall.

45      Infolgedessen ist festzustellen, dass die in der ersten Frage in den Buchst. c und d beschriebene Verarbeitung personenbezogener Daten nicht zu einem der in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie genannten Fälle gehört.

46      Im Übrigen sieht die Richtlinie keine weitere Einschränkung ihres Anwendungsbereichs vor.

47      In diesem Zusammenhang hat die Generalanwältin in Nr. 125 ihrer Schlussanträge darauf hingewiesen, dass Art. 13 der Richtlinie Ausnahmen nur von bestimmten Vorschriften zulässt, zu denen Art. 3 nicht gehört.

48      Schließlich würde eine allgemeine Ausnahme von der Anwendung der Richtlinie zugunsten veröffentlichter Informationen die Richtlinie weitgehend leerlaufen lassen. Es würde nämlich ausreichen, dass die Mitgliedstaaten Daten veröffentlichen ließen, um diese dem von der Richtlinie vorgesehenen Schutz zu entziehen.

49      Auf die vierte Frage ist daher zu antworten, dass die in der ersten Frage unter den Buchst. c und d beschriebene Verarbeitung personenbezogener Daten, die Behördendateien mit personenbezogenen Daten betrifft, die nur in Medien veröffentlichtes Material als solches enthalten, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.

 Zur zweiten Frage

50      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die in der ersten Frage unter den Buchst. a bis d genannten Tätigkeiten, die Daten betreffen, die aus Dokumenten stammen, die nach den nationalen Rechtsvorschriften öffentlich sind, als Verarbeitung personenbezogener Daten, die allein zu journalistischen Zwecken erfolgt, anzusehen sind. Dem vorlegenden Gericht geht es dabei nach eigener Aussage auch um die Frage, ob es hierfür von Bedeutung ist, dass der Hauptzweck der betreffenden Tätigkeiten die Veröffentlichung der genannten Daten ist.

51      Einleitend ist festzustellen, dass die Bestimmungen einer Richtlinie nach ständiger Rechtsprechung mit Blick auf ihre Ziele und das mit ihr eingeführte System auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. September 2008, Caffaro, C‑265/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 14).

52      Wie sich aus ihrem Art. 1 ergibt, hat die Richtlinie unbestreitbar zum Ziel, dass die Mitgliedstaaten den freien Verkehr personenbezogener Daten ermöglichen und gleichzeitig den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten, insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung dieser Daten gewährleisten.

53      Dieses Ziel lässt sich jedoch nur erreichen, wenn berücksichtigt wird, dass die genannten Grundrechte in einem gewissen Maße mit dem Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung in Einklang gebracht werden müssen.

54      Dieser Einklang ist Gegenstand von Art. 9 der Richtlinie. Wie insbesondere aus ihrem Erwägungsgrund 37 hervorgeht, verfolgt die Richtlinie das Ziel, zwei Grundrechte miteinander in Einklang zu bringen, nämlich zum einen den Schutz der Privatsphäre und zum anderen die Freiheit der Meinungsäußerung. Diese Aufgabe obliegt den Mitgliedstaaten.

55      Um diese beiden „Grundrechte“ im Sinne der Richtlinie miteinander in Einklang zu bringen, sind die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, bestimmte Ausnahmen oder Einschränkungen in Bezug auf den Datenschutz und damit hinsichtlich des Grundrechts auf Privatsphäre vorzusehen, die in den Kapiteln II, IV und VI dieser Richtlinie genannt werden. Diese Ausnahmen dürfen allein zu journalistischen, künstlerischen oder literarischen Zwecken, die unter das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung fallen, gemacht werden, soweit sie sich als notwendig erweisen, um das Recht auf Privatsphäre mit den für die Freiheit der Meinungsäußerung geltenden Vorschriften in Einklang zu bringen.

56      In Anbetracht der Bedeutung, die der Freiheit der Meinungsäußerung in jeder demokratischen Gesellschaft zukommt, müssen einerseits die damit zusammenhängenden Begriffe, zu denen der des Journalismus gehört, weit ausgelegt werden. Um ein Gleichgewicht zwischen den beiden Grundrechten herzustellen, erfordert andererseits der Schutz der Privatsphäre, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Datenschutz, die in den vorstehend genannten Kapiteln der Richtlinie vorgesehen sind, auf das absolut Notwendige beschränken.

57      In diesem Zusammenhang sind folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

58      Erstens gelten die in Art. 9 der Richtlinie vorgesehenen Befreiungen und Ausnahmen, wie die Generalanwältin in Nr. 65 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat und sich aus den Vorarbeiten zu der Richtlinie ergibt, nicht nur für Medienunternehmen, sondern für jeden, der journalistisch tätig ist.

59      Zweitens schließt die Tatsache, dass eine Veröffentlichung öffentlicher Daten mit der Absicht verbunden ist, Gewinn zu erzielen, nicht von vorneherein aus, dass sie als eine Tätigkeit angesehen werden kann, die „allein zu journalistischen Zwecken erfolgt“. Denn, wie Markkinapörssi und Satamedia in ihrer Stellungnahme und die Generalanwältin in Nr. 82 ihrer Schlussanträge ausführen, möchte jedes Unternehmen mit seiner Tätigkeit einen Gewinn erzielen. Ein gewisser kommerzieller Erfolg kann sogar die unverzichtbare Voraussetzung für den Fortbestand eines professionellen Journalismus sein.

60      Drittens muss die Entwicklung und die Vervielfältigung der Mittel zur Kommunikation und zur Verbreitung von Informationen berücksichtigt werden. Wie insbesondere die schwedische Regierung ausgeführt hat, ist der Träger, mit dem die verarbeiteten Daten übermittelt werden – ob es sich um einen klassischen Träger wie Papier oder Radiowellen oder aber um einen elektronischen Träger wie das Internet handelt –, nicht ausschlaggebend für die Beurteilung, ob es sich um eine Tätigkeit „allein zu journalistischen Zwecken“ handelt.

61      Nach alledem können Tätigkeiten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die Daten betreffen, die aus Dokumenten stammen, die nach den nationalen Rechtsvorschriften öffentlich sind, als journalistische Tätigkeiten eingestuft werden, wenn sie zum Zweck haben, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Journalistische Tätigkeiten sind nicht Medienunternehmen vorbehalten und können mit der Absicht verbunden sein, Gewinn zu erzielen.

62      Demzufolge ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 9 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die in der ersten Frage unter den Buchst. a bis d genannten Tätigkeiten, die Daten betreffen, die aus Dokumenten stammen, die nach den nationalen Rechtsvorschriften öffentlich sind, als Verarbeitung personenbezogener Daten, die „allein zu journalistischen Zwecken“ im Sinne dieser Vorschrift erfolgt, anzusehen sind, wenn sie ausschließlich zum Ziel haben, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

Zur dritten Frage

63      Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 17 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Veröffentlichung von Daten, die zu journalistischen Zwecken erhoben worden sind, und deren Weitergabe für eine Verarbeitung zu kommerziellen Zwecken gegen diese Vorschrift verstößt.

64      In Anbetracht der Antwort auf die zweite Frage braucht diese Frage nicht beantwortet zu werden.

 Kosten

65      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass eine Tätigkeit, bei der die Daten natürlicher Personen bezüglich ihres Einkommens aus Erwerbstätigkeit und Kapital und ihres Vermögens

–        auf der Grundlage öffentlicher Dokumente der Steuerbehörden erfasst und zum Zweck der Veröffentlichung verarbeitet werden,

–        in einem Druckerzeugnis, in alphabetischer Reihenfolge und nach Einkommenskategorien aufgeführt, in Form umfassender, nach Gemeinden geordneter Listen veröffentlicht werden,

–        auf einer CD-ROM zur Verarbeitung zu kommerziellen Zwecken weitergegeben werden,

–        im Rahmen eines Kurzmitteilungsdienstes verwendet werden, in dem Mobilfunkbenutzer nach Versendung einer Kurzmitteilung mit dem Namen und dem Wohnort einer bestimmten Person an eine bestimmte Nummer als Antwort Daten über das Einkommen dieser Person aus Erwerbstätigkeit und Kapital sowie über deren Vermögen erhalten können,

als „Verarbeitung personenbezogener Daten“ im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist.

2.      Art. 9 der Richtlinie 95/46 ist dahin auszulegen, dass die in der ersten Frage unter den Buchst. a bis d genannten Tätigkeiten, die Daten betreffen, die aus Dokumenten stammen, die nach den nationalen Rechtsvorschriften öffentlich sind, als Verarbeitung personenbezogener Daten, die „allein zu journalistischen Zwecken“ im Sinne dieser Vorschrift erfolgt, anzusehen sind, wenn sie ausschließlich zum Ziel haben, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

3.      Die in der ersten Frage unter den Buchst. c und d beschriebene Verarbeitung personenbezogener Daten, die Behördendateien mit personenbezogenen Daten betrifft, die nur in Medien veröffentlichtes Material als solches enthalten, fällt in den Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46.

Unterschriften

*) Verfahrenssprache: Finnisch

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:29
EuGH: Publizitätspflicht der GmbH & Co. KG http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=6342 Europäischer Gerichtshof 1. Instanz
Urteil vom 23. Deptember 2004

Europäischer Gerichtshof, Verbundene Rechtssachen C-435/02 und C-103/03
23. Deptember 2004 – Axel Springer AG ./. Zeitungsverlag Niederrhein und Weske

Tenor

  1. Die Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs konnte, soweit sich daraus ergibt, dass jeder die Möglichkeit hat, den Jahresabschluss und den Lagebericht der von ihr erfassten Gesellschaftsformen einzusehen, ohne ein schutzbedürftiges Recht oder Interesse belegen zu müssen, wirksam auf der Grundlage des Artikels 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages (nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG) erlassen werden.
  2. Die Prüfung der ersten beiden Fragen in der Rechtssache C-435/02 sowie der zweiten und der dritten Frage in der Rechtssache C-103/03 am Maßstab der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der freien Berufsausübung und der Freiheit der Meinungsäußerung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte.
  3. Die Prüfung der dritten Frage in der Rechtssache C-435/02 und der vierten Frage in der Rechtssache C-103/03 am Maßstab des Grundsatzes der Gleichbehandlung hat nichts ergeben, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte.

23. September 2004
„Artikel 104 § 3 der Verfahrensordnung – Gesellschaftsrecht – Richtlinie 90/605/EWG zur Änderung des Anwendungsbereichs der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG – Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG) – Gesellschaft mit der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, bei der alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter die Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben – GmbH & Co. KG – Offenlegung der Jahresabschlüsse – Möglichkeit für Dritte, diese Unterlagen einzusehen – Begriff des Dritten – Einbeziehung u. a. der Konkurrenten – Gültigkeit – Rechtsgrundlage – Grundsätze der freien Berufsausübung, der Pressefreiheit und der Gleichbehandlung“
(Zweite Kammer)

 

In den verbundenen Rechtssachen C-435/02 und C-103/03
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG
eingereicht vom Landgericht Essen (Deutschland) und vom Landgericht Hagen (Deutschland) mit Beschlüssen vom 25. November 2002 und 11. Februar 2003, eingegangen am 2. Dezember 2002 und 5. März 2003, in den Verfahren

Axel Springer AG

gegen

Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG (C-435/02),

und

Axel Springer AG

gegen

Hans-Jürgen Weske (C-103/03),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter), der Richter J.-P. Puissochet und R. Schintgen sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric,

Generalanwalt: F. G. Jacobs,
Kanzler: R. Grass,

nach Mitteilung an die vorlegenden Gerichte, dass der Gerichtshof gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden beabsichtigt,

nach Aufforderung der Beteiligten im Sinne von Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes zur Einreichung etwaiger Stellungnahmen,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

1. Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Gültigkeit der Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (ABl. L 317, S. 60).

2. Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten der Axel Springer AG (im Folgenden: Springer) gegen die Zeitungsverlag Niederrhein GmbH & Co. Essen KG (im Folgenden: Zeitungsverlag Niederrhein) (C-435/02) und gegen Herrn Weske, den Geschäftsführer der Radio Ennepe-Ruhr-Kreis mbH & Co. KG (im Folgenden: Radio Ennepe) (C-103/03), wegen Anträgen von Springer auf Einsicht in die Jahresabschlüsse des Zeitungsverlags Niederrhein und von Radio Ennepe.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3. Nach Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 44 Absatz 2 Buchstabe g EG) wirken der Rat der Europäischen Union und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften auf die Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit hin, indem sie, soweit erforderlich, die Schutzbestimmungen koordinieren, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 EG-Vertrag (jetzt Artikel 48 Absatz 2 EG) im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten.

4. Die Richtlinie 90/605 erging zur Änderung des Anwendungsbereichs u. a. der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25. Juli 1978 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen (ABl. L 222, S. 11, im Folgenden: Vierte Gesellschaftsrichtlinie).

5. Die Vierte Gesellschaftsrichtlinie schreibt Maßnahmen zur Koordinierung der nationalen Vorschriften über den Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften vor. Sie gilt in Deutschland für Gesellschaften folgender Rechtsformen: Aktiengesellschaft, Kommanditgesellschaft auf Aktien und Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

6. Die Artikel 1 und 2 der Richtlinie 90/605 erstrecken die Anwendung der durch die Vierte Gesellschaftsrichtlinie vorgeschriebenen Koordinierungsmaßnahmen u. a. auf bestimmte Formen von Personengesellschaften, darunter in Deutschland die Kommanditgesellschaft, sofern alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter dieser Gesellschaften Kapitalgesellschaften sind, die eine der in der vorstehenden Randnummer dieses Urteils genannten Rechtsformen haben.

7. Die Richtlinie 90/605 erstreckt somit in Deutschland die Anwendung der durch die Vierte Gesellschaftsrichtlinie vorgeschriebenen Koordinierungsmaßnahmen u. a. auf Gesellschaften mit der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft, bei denen alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter die Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben (im Folgenden: GmbH & Co. KG).

8. Diese Gesellschaftsform unterliegt daher u. a. Artikel 47 Absatz 1 der Vierten Gesellschaftsrichtlinie in der Fassung des Artikels 38 Absatz 3 der Siebenten Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages über den konsolidierten Abschluss (ABl. L 193, S. 1), der bestimmt:

„Der ordnungsgemäß gebilligte Jahresabschluss und der Lagebericht sowie der Bericht der mit der Abschlussprüfung beauftragten Person sind nach den in den Rechtsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten gemäß Artikel 3 der Richtlinie 68/151/EWG vorgesehenen Verfahren offen zu legen.

Die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates können jedoch den Lagebericht von der genannten Offenlegung freistellen. In diesem Fall ist der Lagebericht am Sitz der Gesellschaft in dem betreffenden Mitgliedstaat zur Einsichtnahme für jedermann bereitzuhalten. Eine vollständige oder teilweise Ausfertigung dieses Berichts muss auf bloßen Antrag erhältlich sein. Das dafür berechnete Entgelt darf die Verwaltungskosten nicht übersteigen.“

9. Artikel 3 Absätze 1 bis 3 der Ersten Richtlinie 68/151/EWG des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten (ABl. L 65, S. 8, im Folgenden: Erste Gesellschaftsrichtlinie), lautet:

„(1) In jedem Mitgliedstaat wird entweder bei einem zentralen Register oder bei einem Handels- oder Gesellschaftsregister für jede der dort eingetragenen Gesellschaften eine Akte angelegt.

(2) Alle Urkunden und Angaben, die nach Artikel 2 der Offenlegung unterliegen, sind in dieser Akte zu hinterlegen oder in das Register einzutragen; der Gegenstand der Eintragungen in das Register muss in jedem Fall aus der Akte ersichtlich sein.

(3) Vollständige oder auszugsweise Abschriften der in Artikel 2 bezeichneten Urkunden oder Angaben sind auf schriftliches Verlangen zuzusenden. Die Gebühren für die Erteilung dieser Abschriften dürfen die Verwaltungskosten nicht übersteigen.

...“

 

10. Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe f der Ersten Gesellschaftsrichtlinie sieht vor:

 

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften mindestens auf folgende Urkunden und Angaben erstreckt:

...

f) die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für jedes Geschäftsjahr...“

Nationale Regelung

11. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 22. April 1999 in der Rechtssache C-272/97 (Kommission/Deutschland, Slg. 1999, I-2175) festgestellt, dass die Richtlinie 90/605 nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist in deutsches Recht umgesetzt worden war.

12. Das deutsche Recht, insbesondere das Handelsgesetzbuch (HGB), wurde seitdem geändert, damit sich die durch die Vierte Gesellschaftsrichtlinie vorgeschriebenen Koordinierungsmaßnahmen nun u. a. auf die GmbH & Co. KG erstrecken (§ 264a HGB).

13. Die neue Regelung sieht außerdem vor, dass Verletzungen der vorgeschriebenen Verpflichtungen zu Ordnungsgeldern von mindestens 2 500 Euro und höchstens 25 000 Euro führen, die vom Amtsgericht, dem in Deutschland für die Führung des Handelsregisters zuständigen Gericht, festgesetzt werden.

14. Diese Ordnungsgelder können jedoch nur auf einen beim Amtsgericht gestellten Antrag hin festgesetzt werden. Der Kreis der Personen, die einen solchen Antrag stellen können, ist hingegen nicht beschränkt, so dass jeder dazu berechtigt ist (§§ 335a und 335b HGB).

Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsfragen

15. Springer beantragte bei den örtlich zuständigen Amtsgerichten, den Zeitungsverlag Niederrhein, ein im Presse- und Verlagswesen tätiges Unternehmen, und Radio Ennepe, ein im Rundfunkbereich tätiges Unternehmen, mittels Festsetzung von Zwangsgeldern zur Vorlage ihrer Jahresabschlüsse anzuhalten, damit Springer sie einsehen konnte.

16. Die angerufenen Gerichte gaben diesen Anträgen mit Verfügungen statt, mit denen die beantragten Anordnungen getroffen und den Geschäftsführern der Gesellschaften, Herrn Glandt und Herrn Weske, Ordnungsgelder in Höhe von 5 000 Euro für den Fall angedroht wurden, dass die Unterlagen nicht innerhalb der gesetzten Frist eingereicht würden.

17. Da die Jahresabschlüsse nicht fristgemäß eingereicht wurden, wurden durch Beschlüsse die Ordnungsgelder festgesetzt.

18. Der Zeitungsverlag Niederrhein und Herr Glandt sowie Herr Weske legten daraufhin Beschwerden gegen diese Beschlüsse bei den vorlegenden Gerichten ein.

19. Diese sind der Auffassung, dass die bei ihnen anhängigen Rechtssachen Zweifel an der Gültigkeit der Richtlinie 90/605 aufwerfen.

20. In der Rechtssache C-435/02 hat das Landgericht Essen das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Ist die Richtlinie 90/605/EWG in Verbindung mit Artikel 47 der Richtlinie 78/660/EWG insoweit mit dem Gemeinschaftsgrundrecht der Berufsfreiheit vereinbar, als dadurch die Kommanditgesellschaften, deren persönlich haftender Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, verpflichtet werden, den Jahresabschluss und den Lagebericht insbesondere ohne Beschränkung des Kreises der zur Einsichtnahme berechtigten Personen offen zu legen?
  2. Ist die Richtlinie 90/605/EWG in Verbindung mit Artikel 47 der Richtlinie 78/660/EWG insoweit mit den Gemeinschaftsgrundrechten der Presse- und Rundfunkfreiheit vereinbar, als dadurch die Kommanditgesellschaften, deren persönlich haftender Gesellschafter eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist und die im Bereich des Presse- und Verlagswesens bzw. im Rundfunkbereich tätig sind, verpflichtet werden, den Jahresabschluss und den Lagebericht insbesondere ohne Beschränkung des Kreises der zur Einsichtnahme berechtigten Personen offen zu legen?
  3. Ist die Richtlinie 90/605/EWG insoweit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, als sie zu einer Benachteiligung der Kommanditgesellschaften, deren Komplementär eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist, gegenüber Kommanditgesellschaften, deren Komplementär eine natürliche Person ist, führt, obwohl die Gläubiger der GmbH & Co. KG durch die Offenlegungspflicht der GmbH besser geschützt werden als Gläubiger einer Kommanditgesellschaft, deren Komplementär als natürliche Person keinen Offenlegungspflichten unterliegt?

21 In der Rechtssache C-103/03 hat das Landgericht Hagen ebenfalls das Verfahren ausgesetzt und dieselben drei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, denen es folgende erste Frage vorangestellt hat:

Konnte sich die Europäische Gemeinschaft zum Erlass der KapCoRiLi (Richtlinie 90/605/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG über den Jahresabschluss bzw. den konsolidierten Abschluss hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs) auf Artikel 54 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 Buchstabe g EG-Vertrag stützen, obwohl diese Richtlinie Einsichtsrechte auch für nicht schutzbedürftige Dritte gewährt?

22 Wegen ihres Zusammenhangs werden die Rechtssachen C-435/02 und C-103/03 zu gemeinsamer Entscheidung durch Beschluss verbunden.

Zu den Vorabentscheidungsfragen

23 Da die Antwort auf die erste in der Rechtssache C-103/03 vorgelegte Frage klar aus dem Urteil vom 4. Dezember 1997 in der Rechtssache C-97/96 (Daihatsu Deutschland, Slg. 1997, I-6843) abgeleitet werden kann und die Beantwortung der übrigen in der Rechtssache C-103/03 sowie der in der Rechtssache C-435/02 vorgelegten Fragen keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, hat der Gerichtshof die vorlegenden Gerichte gemäß Artikel 104 § 3 seiner Verfahrensordnung darüber unterrichtet, dass er beabsichtigt, durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden, und den in Artikel 23 der Satzung des Gerichtshofes bezeichneten Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern.

24 In der Rechtssache C-435/02 hat der Rat daraufhin erklärt, dass er keine Einwände dagegen habe, dass der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheide. Dagegen haben in den Rechtssachen C-435/02 und C-103/03 der Zeitungsverlag Niederrhein und Herr Weske Einwände erhoben und sich dabei auf das Vorbringen in ihren schriftlichen Erklärungen bezogen. Dies hat den Gerichtshof jedoch nicht veranlasst, von dem beabsichtigten Verfahrensweg abzuweichen.

Zur ersten Frage in der Rechtssache C-103/03

25 Mit seiner ersten Frage in der Rechtssache C-103/03 möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 90/605, soweit sich daraus ergibt, dass jeder die Möglichkeit hat, den Jahresabschluss und den Lagebericht der von ihr erfassten Gesellschaftsformen einzusehen, ohne ein schutzbedürftiges Recht oder Interesse belegen zu müssen, wirksam auf der Grundlage des Artikels 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages erlassen werden konnte.

26 Herr Weske macht geltend, dass der Kreis der nach Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages zu schützenden Dritten sowohl die Personen einschließe, die eine Rechtsbeziehung zu der Gesellschaft hätten, als auch diejenigen, die eine solche Beziehung erst begründen wollten, und damit auch potenzielle Gesellschafter, Beschäftigte oder Gläubiger.

27 Diese Vorschrift erlaube jedoch nicht, dass der Kreis der Dritten so definiert werde, dass er jedermann unabhängig von seiner Stellung einschließe. Die im Urteil Daihatsu Deutschland vertretene weite Auslegung dieses Begriffes des Dritten sei daher nicht frei von Bedenken.

28 Hierzu ist festzustellen, dass, wie der Rat und die Kommission vortragen, die Antwort auf diese Frage klar aus dem Urteil Daihatsu Deutschland abgeleitet werden kann.

29 Nach den Randnummern 19 und 20 des genannten Urteils ist nämlich in Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages selbst vom Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein die Rede, ohne dass insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden, so dass der Begriff der Dritten im Sinne dieses Artikels nicht auf die Gläubiger der Gesellschaft beschränkt werden kann.

30 In Randnummer 21 des Urteils Daihatsu Deutschland hat der Gerichtshof ferner festgestellt, dass das Ziel, die Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit aufzuheben, das dem Rat und der Kommission durch Artikel 54 Absätze 1 und 2 des Vertrages in sehr weit gefassten Wendungen aufgegeben ist, nicht durch Artikel 54 Absatz 3 des Vertrages eingeschränkt wird, da dieser, wie die Verwendung des Wortes „insbesondere“ in Artikel 54 Absatz 3 belegt, lediglich eine nicht abschließende Liste von Maßnahmen enthält, die zur Verwirklichung dieses Zieles zu ergreifen sind.

31 Weiter hat der Gerichtshof in Randnummer 22 des genannten Urteils erklärt, dass die Bestimmungen des Artikels 3 der Ersten Gesellschaftsrichtlinie, die die Führung eines öffentlichen Registers, in das alle offen zu legenden Urkunden und Angaben einzutragen sind, sowie für jedermann die Möglichkeit vorsehen, Abschriften der Jahresabschlüsse zugesandt zu bekommen, das in der vierten Begründungserwägung dieser Richtlinie zum Ausdruck gebrachte Bestreben bestätigen, diese Informationen jedem Dritten zugänglich zu machen, der die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennt oder kennen kann.

32 In derselben Randnummer hat der Gerichtshof hinzugefügt, dass dieses Bestreben auch in den Begründungserwägungen der Vierten Gesellschaftsrichtlinie Ausdruck findet, in denen auf das Erfordernis hingewiesen wird, hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften herzustellen (siehe insbesondere die dritte Begründungserwägung).

33 Aus dem Urteil Daihatsu Deutschland ergibt sich somit klar, dass die durch Artikel 3 der Ersten Gesellschaftsrichtlinie vorgeschriebenen Offenlegungspflichten, auf die sich Artikel 47 Absatz 1 der Vierten Gesellschaftsrichtlinie bezieht und die durch die Richtlinie 90/605 auf bestimmte Formen von Personengesellschaften wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende erstreckt werden, bedeuten, dass jeder die Möglichkeit hat, den Jahresabschluss und den Lagebericht der von der Richtlinie erfassten Gesellschaftsformen einzusehen, ohne ein schutzbedürftiges Recht oder Interesse belegen zu müssen.

34 Aus den Randnummern 21 und 22 des genannten Urteils geht ferner klar hervor, dass ein Gemeinschaftsrechtsakt, der derartige Offenlegungspflichten vorsieht, auf der Grundlage des Artikels 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages erlassen werden konnte, da in dieser Vorschrift, die dem Gemeinschaftsgesetzgeber weitreichende Befugnisse verleiht, vom Ziel des Schutzes der Interessen Dritter ganz allgemein die Rede ist, ohne dass insoweit einzelne Gruppen unterschieden oder ausgeschlossen würden, so dass sich der Begriff des Dritten im Sinne dieses Artikels auf alle Dritten bezieht. Folglich ist dieser Begriff weit auszulegen und erfasst u. a. die Konkurrenten der betreffenden Gesellschaften.

35 Somit ist auf die erste Frage in der Rechtssache C-103/03 zu antworten, dass die Richtlinie 90/605, soweit sich daraus ergibt, dass jeder die Möglichkeit hat, den Jahresabschluss und den Lagebericht der von ihr erfassten Gesellschaftsformen einzusehen, ohne ein schutzbedürftiges Recht oder Interesse belegen zu müssen, wirksam auf der Grundlage des Artikels 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages erlassen werden konnte.

Zu den ersten beiden Fragen in der Rechtssache C-435/02 sowie der zweiten und der dritten Frage in der Rechtssache C-103/03

36 Mit den ersten beiden Fragen in der Rechtssache C-435/02 sowie der zweiten und der dritten Frage in der Rechtssache C-103/03, die zusammen zu prüfen sind, möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 90/605, soweit sich daraus ergibt, dass jeder die Möglichkeit hat, den Jahresabschluss und den Lagebericht von Unternehmen, die eine der von ihr erfassten Gesellschaftsformen haben und ihre Tätigkeit wie im vorliegenden Fall im Presse- oder Verlagswesen oder im Rundfunkbereich ausüben, einzusehen, ohne ein schutzbedürftiges Recht oder Interesse belegen zu müssen, mit den allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen der Berufs- und der Pressefreiheit vereinbar ist.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

37 Der Zeitungsverlag Niederrhein und Herr Weske machen geltend, dass die Richtlinie 90/605 in Verbindung mit Artikel 47 der Vierten Gesellschaftsrichtlinie ein legitimes Gemeinwohlziel verfolge, da die durch sie vorgeschriebenen Offenlegungspflichten dem Schutz der Gesellschafter, der Beschäftigten und der Gläubiger der Gesellschaft dienten.

38 Die Einbeziehung aller interessierten Personen einschließlich der Konkurrenten in den Kreis der zur Einsicht in die betreffenden Unterlagen Berechtigten sei jedoch insbesondere im Hinblick auf das berechtigte Interesse der Gesellschaft an der Geheimhaltung bestimmter Daten eine unangemessene Belastung. Die Richtlinie 90/605 sei daher mit dem Gemeinschaftsgrundrecht der Berufsfreiheit unvereinbar und folglich ungültig.

39 Der Zeitungsverlag Niederrhein und Herr Weske tragen ferner vor, dass die Freiheit der Meinungsäußerung als durch das Gemeinschaftsrecht garantiertes Grundrecht die gesamte Betätigung der Presse- und der Rundfunkunternehmen schütze.

40 Da die Richtlinie 90/605 und die Vierte Gesellschaftsrichtlinie keinen besonderen Schutz für Presse- und Rundfunkunternehmen enthielten, indem sie Ausnahmen von den in ihnen vorgesehenen Offenlegungspflichten bestimmten, seien sie unvereinbar mit der Meinungsfreiheit.

41 Die belgische Regierung macht geltend, dass die durch die Richtlinie 90/506 vorgeschriebene Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses dadurch gerechtfertigt sei, dass Dritte im Fall der von der Richtlinie erfassten Gesellschaften nur begrenzt auf den Gesellschafter Rückgriff nehmen könnten, da dieser eine juristische Person mit beschränkter Haftung sei.

42 Die Kommission bezieht sich auf die ersten drei Begründungserwägungen der Vierten Gesellschaftsrichtlinie, aus denen insbesondere hervorgehe, dass die Vorschriften über die Offenlegung des Jahresabschlusses und des Lageberichts notwendig seien, weil die Gesellschaftsformen, für die diese Vorschriften gälten, Dritten eine Sicherheit nur durch ihr Gesellschaftsvermögen böten, und dass es erforderlich sei, hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Unternehmen herzustellen.

43 Die Einbeziehung u. a. der Konkurrenten in den Kreis der zur Einsichtnahme in die fraglichen Dokumente berechtigten Personen sei ein erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung des sowohl in diesen Begründungserwägungen als auch in Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Daihatsu Deutschland genannten Zieles, nämlich des Schutzes nicht nur der Gesellschafter, sondern auch Dritter.

44 Die Kommission trägt ferner vor, dass die Frage bezüglich des allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatzes der Berufsfreiheit im vorliegenden Fall die Frage bezüglich des allgemeinen Grundsatzes der Pressefreiheit umfasse.

45 Der Rat macht geltend, dass die Richtlinie 90/605 keinen unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstelle, der das Recht auf freie Berufsausübung in seinem Wesensgehalt antaste.

46 Außerdem verstoße die durch die Richtlinie 90/605 vorgeschriebene Offenlegungspflicht in keiner Weise gegen die Pressefreiheit, wie sie insbesondere in Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankert sei, da sie in keiner Weise den Inhalt der Informationen oder Ideen berühre, die von einer unter die Richtlinie fallenden Gesellschaft mitgeteilt würden.

Antwort des Gerichtshofes

47 Zunächst ist festzustellen, dass die Frage, ob die Offenlegungspflichten, die den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Personengesellschaften auferlegt sind, mit der Freiheit der Meinungsäußerung vereinbar sind, in der Frage nach der Vereinbarkeit dieser Verpflichtungen mit der freien Berufsausübung aufgeht. Die betreffenden Verpflichtungen gelten nämlich für alle Unternehmen mit einer bestimmten Gesellschaftsform unabhängig von der Art ihrer Tätigkeiten. Sie weisen zudem keinen hinreichend direkten und speziellen Zusammenhang mit einer Tätigkeit auf, die unter die Freiheit der Meinungsäußerung fällt. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Regelung, die die betreffenden Gesellschaften unabhängig von der ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit berührt.

48 Der Gerichtshof hat entschieden, dass sowohl das Eigentumsrecht als auch die freie Berufsausübung zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehören. Nach dieser Rechtsprechung kann aber die Ausübung dieser Rechte Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff darstellen, der diese Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (vgl. Urteile vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-280/93, Deutschland/Rat, Slg. 1994, I-4973, Randnr. 78, und vom 10. Juli 2003 in den Rechtssachen C-20/00 und C-64/00, Booker Aquaculture und Hydro Seafood, Slg. 2003, I-7411, Randnr. 68, und die dort zitierte Rechtsprechung).

49 Unter diesen Voraussetzungen erscheint selbst dann, wenn die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Offenlegungspflichten eine hinreichend direkte und bedeutsame Auswirkung auf die freie Berufsausübung haben sollten, die Beschränkung, zu der sie führen, insbesondere die Beschränkung des Rechts eines Unternehmens, bestimmte potenziell sensible Daten geheim zu halten, auf jeden Fall eindeutig gerechtfertigt.

50 Nach den ersten drei Begründungserwägungen der Vierten Gesellschaftsrichtlinie verfolgen nämlich die Offenlegungsvorschriften, die die Richtlinie für bestimmte Formen von Kapitalgesellschaften vorsieht, das zweifache, dem Gemeinwohl dienende Ziel des Artikels 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages, Dritte vor den finanziellen Risiken zu schützen, die mit Gesellschaftsformen verbunden sind, die ihnen eine Sicherheit nur durch ein Gesellschaftsvermögen bieten, und hinsichtlich des Umfangs der zu veröffentlichenden finanziellen Angaben in der Gemeinschaft gleichwertige rechtliche Mindestbedingungen für miteinander im Wettbewerb stehende Gesellschaften herzustellen.

51 Die Richtlinie 90/605 soll nach ihren ersten fünf Begründungserwägungen speziell einer Praxis begegnen, die darin besteht, dass die rechtliche Regelung dadurch umgangen wird, dass eine beträchtliche und weiter steigende Zahl von Gesellschaften in Form von Personengesellschaften errichtet wird, bei denen alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter die Rechtsform von Kapitalgesellschaften haben, um sich der Wirkung der für diese Gesellschaften geltenden Offenlegungsvorschriften zu entziehen, d. h. einer Praxis, die somit dem oben genannten Ziel der Vierten Gesellschaftsrichtlinie zuwiderläuft, Dritte vor den finanziellen Risiken der Gesellschaftsformen zu schützen, die ihnen eine Sicherheit nur durch ein Gesellschaftsvermögen bieten.

52 Folglich entsprechen die durch die Richtlinie 90/605 vorgeschriebenen Maßnahmen tatsächlich den Zielen des Artikels 54 Absatz 3 Buchstabe g des Vertrages und damit im Sinne der in Randnummer 48 dieses Beschlusses zitierten Rechtsprechung dem Gemeinwohl dienenden Zielen der Gemeinschaft.

53 Der Nachteil, zu dem die durch diese Offenlegungsvorschriften auferlegten Verpflichtungen führen könnten, erscheint im Übrigen begrenzt. Es erscheint nämlich zweifelhaft, ob diese Vorschriften geeignet sind, die Wettbewerbsstellung der betreffenden Gesellschaften zu ändern, anders als dies in der dem Urteil Deutschland/Rat vom 5. Oktober 1994 (Randnr. 81) zugrunde liegenden Rechtssache der Fall war.

54 Diese Beurteilung wird durch die Vorschriften der Vierten Gesellschaftsrichtlinie, insbesondere die Artikel 11, 27 und 44 bis 47, bestätigt, die die Möglichkeit vorsehen, die Informationen, die im Jahresabschluss und im Jahresbericht von Gesellschaften, die die Grenzen bestimmter Größenmerkmale nicht überschreiten, enthalten sein müssen, und die Offenlegung der Abschlüsse dieser Gesellschaften zu beschränken. Darüber hinaus soll Artikel 45 dieser Richtlinie insbesondere verhindern, dass den betreffenden Unternehmen durch die Offenlegung bestimmter Daten ein erheblicher Nachteil zugefügt wird.

55 Ferner können nach Artikel 46 der Richtlinie die Angaben, die im Lagebericht enthalten sein müssen, allgemein gehalten sein, so dass es entgegen dem Vorbringen des Zeitungsverlags Niederrhein und von Herrn Weske nicht erforderlich ist, bestimmte sensible Daten, aus denen z. B. die Berechnungsgrundlage der Preise hervorgehen kann, detailliert mitzuteilen.

56 Im Übrigen werden durch die Offenlegung des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften, die die einzigen unbeschränkt haftenden Gesellschafter einer von der Richtlinie 90/605 erfassten Personengesellschaft wie derjenigen sind, die wie in den Ausgangsverfahren die Form einer GmbH & Co. KG hat, im vorliegenden Fall also des Jahresabschlusses von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nur Angaben über die Lage der betreffenden Gesellschafter und keine Angaben über die Lage der Personengesellschaft mitgeteilt. Sie macht daher die Veröffentlichung des Jahresabschlusses der letztgenannten Gesellschaft nicht überflüssig.

57 Zudem können nach dem durch Artikel 1 Nummer 4 der Richtlinie 90/605 in die Vierte Gesellschaftsrichtlinie eingefügten Artikel 57a Personengesellschaften wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden GmbH & Co. KGs von den Offenlegungspflichten befreit werden, wenn ihre Abschlüsse zusammen mit denen eines ihrer unbeschränkt haftenden Gesellschafter offen gelegt werden müssen oder in die konsolidierten Abschlüsse einer Gruppe von Gesellschaften einbezogen sind.

58 Unter diesen Voraussetzungen stellt die Verpflichtung im Bereich der Offenlegung des Jahresabschlusses und des Lageberichts, die Personengesellschaften wie denjenigen auferlegt ist, die die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende Rechtsform einer GmbH & Co. KG haben, keinen unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff dar, der die freie Berufsausübung in ihrem Wesensgehalt antastet.

59 Nach alledem ist auf die ersten beiden Fragen in der Rechtssache C-435/02 sowie die zweite und die dritte Frage in der Rechtssache C-103/03 zu antworten, dass die Prüfung dieser Fragen am Maßstab der allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der freien Berufsausübung und der Freiheit der Meinungsäußerung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte.

Zur dritten Frage in der Rechtssache C-435/02 und zur vierten Frage in der Rechtssache C-103/03

60 Mit der dritten Frage in der Rechtssache C-435/02 und der vierten Frage in der Rechtssache C-103/03 möchten die vorlegenden Gerichte im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 90/605 mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar ist, soweit sie Kommanditgesellschaften, bei denen alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung haben, Verpflichtungen zur Offenlegung des Jahresabschlusses auferlegt. Diese Gesellschaften seien gegenüber Kommanditgesellschaften benachteiligt, bei denen mindestens ein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person sei und die diesen Verpflichtungen nicht unterlägen, obwohl die Gläubiger von Gesellschaften mit der erstgenannten Gesellschaftsform besser geschützt seien als die Gläubiger von Gesellschaften mit der letztgenannten Form, da die Gesellschafter bei der erstgenannten Form als Gesellschaften mit beschränkter Haftung derartigen Offenlegungspflichten unterlägen, natürliche Personen jedoch nicht.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

61 Der Zeitungsverlag Niederrhein und Herr Weske machen geltend, dass die Offenlegungsvorschriften eine gravierende Ungleichbehandlung der Kommanditgesellschaften, bei denen mindestens ein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person sei, und der Kommanditgesellschaften darstellten, bei denen alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter Gesellschaften mit beschränkter Haftung seien, wie die GmbH & Co. KG, und dass den letztgenannten Kommanditgesellschaften durch diese Situation erhebliche Nachteile entstünden.

62 Der Rat trägt vor, dass aus den ersten drei Begründungserwägungen der Richtlinie 90/605 hervorgehe, dass diese eine Lücke schließen solle, die sich aus den Vorschriften der Vierten Gesellschaftsrichtlinie ergebe und die nach Ansicht des Gesetzgebers im Widerspruch zu Sinn und Zweck Letzterer stehe, da eine ständig steigende Zahl von Gesellschaften wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Kommanditgesellschaften nicht den Offenlegungspflichten unterliege, obwohl ihre Gläubiger nur gegen unbeschränkt haftende Gesellschafter mit der Rechtsform von Gesellschaften mit beschränkter Haftung vorgehen könnten, die Dritten eine Sicherheit nur durch ihr Gesellschaftsvermögen böten.

63 Im Hinblick auf Dritte bestehe ein grundlegender Unterschied zwischen solchen Kommanditgesellschaften und Kommanditgesellschaften, bei denen mindestens ein unbeschränkt haftender Gesellschafter eine natürliche Person sei, die für die Schulden der Gesellschaft mit ihrem gesamten Vermögen hafte.

64 Dass Kommanditgesellschaften wie der GmbH & Co. KG, bei denen alle unbeschränkt haftenden Gesellschafter die Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung hätten, Offenlegungspflichten auferlegt würden, anderen Kommanditgesellschaften aber nicht, sei daher objektiv gerechtfertigt.

65 Die Kommission verweist auf denselben objektiven Unterschied zwischen den verschiedenen Kommanditgesellschaften und schließt daraus, dass die Richtlinie 90/605 keine Diskriminierung darstelle.

Antwort des Gerichtshofes

66 Zunächst ist daran zu erinnern, dass der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung, der zu den wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts gehört, verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist. (vgl. u. a. Urteil vom 9. September 2004 in der Rechtssache C-304/01, Spanien/Kommission, Slg. 2004, I-0000, Randnr. 31).

67 Wie aus Randnummer 51 dieses Beschlusses hervorgeht, beruht der Unterschied, den die Richtlinie 90/605 zwischen den von ihr erfassten Kommanditgesellschaften wie der GmbH & Co. KG und den Kommanditgesellschaften macht, zu deren unbeschränkt haftenden Gesellschaftern mindestens eine natürliche Person außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie gehört, auf der Erwägung, dass die erste Gruppe dieser Gesellschaften mittelbar dieselben Risiken für Dritte birgt wie die von der Vierten Gesellschaftsrichtlinie erfassten Kapitalgesellschaften, indem diese Gesellschaften Dritten eine Sicherheit nur durch ein Gesellschaftsvermögen bieten, was bei der zweiten Gruppe von Kommanditgesellschaften nicht der Fall ist.

68 Die Richtlinie 90/605 folgt derselben Logik wie die Vierte Gesellschaftsrichtlinie, deren Umgehung sie verhindern soll und zu der sie insoweit rein akzessorisch ist. In diesem Sinne ergänzt die Richtlinie 90/605 die Vierte Gesellschaftsrichtlinie, damit der Vorteil der Beschränkung der Haftung, den einige Gesellschaftsformen genießen, mit einer angemessenen Offenlegung zum Schutz der Interessen Dritter einhergeht.

69 Der Unterschied, den die Richtlinie 90/605 zwischen den beiden in Randnummer 67 dieses Beschlusses genannten Gruppen von Kommanditgesellschaften zur Festlegung des Anwendungsbereichs der Vierten Gesellschaftsrichtlinie und der durch diese Richtlinie auferlegten Offenlegungspflichten macht, ist daher aus Gründen des Schutzes der Interessen Dritter, eines wesentlichen Zieles der Richtlinie 90/605 und der Vierten Gesellschaftsrichtlinie, objektiv gerechtfertigt.

70 Diese Beurteilung wird nicht durch den von den vorlegenden Gerichten angeführten Umstand in Frage gestellt, dass die Gläubiger der von der Richtlinie 90/605 erfassten Kommanditgesellschaften bereits dadurch geschützt seien, dass die Gesellschafter als Gesellschaften mit beschränkter Haftung den in der Vierten Gesellschaftsrichtlinie vorgesehenen Offenlegungspflichten unterlägen, während diese Verpflichtungen nicht für natürliche Personen gälten.

71 Wie bereits in Randnummer 56 dieses Beschlusses festgestellt worden ist, liefert die Offenlegung des Jahresabschlusses von Kapitalgesellschaften, die die einzigen unbeschränkt haftenden Gesellschafter einer von der Richtlinie 90/605 erfassten Personengesellschaft wie derjenigen sind, die wie in den Ausgangsverfahren die Form einer GmbH & Co. KG hat, im vorliegenden Fall also des Jahresabschlusses von Gesellschaften mit beschränkter Haftung, nur Angaben über die Lage der betreffenden Gesellschafter und keine Angaben über die Lage der Personengesellschaft.

72 Nach alledem ist nicht ersichtlich, dass die Richtlinie 90/605 gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt.

73 Unter diesen Voraussetzungen ist auf die dritte Frage in der Rechtssache C-435/02 und die vierte Frage in der Rechtssache C-103/03 zu antworten, dass ihre Prüfung am Maßstab des Grundsatzes der Gleichbehandlung nichts ergeben hat, was die Gültigkeit der Richtlinie 90/605 beeinträchtigen könnte.

 

Kosten

74 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 


Quelle: www.curia.eu.int

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:25
EuGH: Werbeunterbrechungen http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=6642 Europäischer Gerichtshof
Urteil vom 23. Oktober 2003

Rs. C-245/01
(RTL Television GmbH / Niedersächsische Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk – Werbeunterbrechungen)

 Vorabentscheidung "Richtlinie 89/552/EWG - Artikel 11 Absatz 3 - Fernsehen - Fernsehwerbung Werbeunterbrechungen audiovisueller Werke - Begriff der Reihen"

(Fünfte Kammer)

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 15. Juni 2001 vier Fragen nach der Auslegung von Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Am 7. Oktober 1993 strahlte RTL „Die Rache der Amy Fisher“ aus, einen Film von 86 Minuten Länge, und unterbrach diesen viermal durch Werbung. Entsprechend verfuhr sie eine Woche später bei der Ausstrahlung von „Schreie im Wald“, einem Film von 90 Minuten Länge. Diese Filme wurden im Rahmen eines Zyklus „Gefährliche Leidenschaften“ gesendet.

Mit Bescheid vom 12. November 1993 stellte der Niedersächsische Landesrundfunkausschuss (im Folgenden: NLA) fest, dass RTL durch die Unterbrechung beider Filme mit jeweils vier Werbepausen gegen § 26 Absatz 4 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrags verstoßen habe. Er verbot, diese Filme im Fall einer erneuten Ausstrahlung mit mehr als einer bzw. zwei Werbepausen zu unterbrechen.

Mit demselben Bescheid untersagte der NLA RTL, acht weitere Filme und jeden Kinospielfilm oder Fernsehfilm, der im Rahmen der in den Programmübersichten ausgewiesenen Reihen („Gefährliche Leidenschaften“, „Familienschicksale“ und „Der große TV-Roman“) ausgestrahlt werde, häufiger durch Werbung zu unterbrechen, als es § 26 Absatz 4 Satz 1 des Rundfunkstaatsvertrags gestatte.

Zur Begründung seiner Maßnahme führte der NLA aus, dass die fraglichen Sendungen nicht als Teile einer Reihe im Sinne des § 26 Absatz 4 des Rundfunkstaatsvertrags anzusehen seien und daher nicht in zeitlichen Abständen von 20 Minuten durch Werbung unterbrochen werden könnten.

Der Begriff der Reihe sei dem der Serie verwandt und verlange eine weitgehende Identität der einzelnen Sendungen durch Handlungsmuster und Personen. Weder der Sendeplatz noch die Tatsache, dass das Drehbuch auf einem Roman basiere oder dass gewisse thematische Übereinstimmungen, wie Liebe, Leid oder allgemeine Familienbeziehungen, erkennbar seien, reichten als verbindende Elemente aus, um diese Sendungen als Reihe einstufen zu können.

Am 23. November 1993 erhob RTL beim Niedersächsischen Venvaltungsgericht (Deutschland) Klage auf Aufhebung des Bescheides des NLA.

Mit Urteil vom 25. September 1997 wies das Niedersächsische Verwaltungsgericht die Klage von RTL ab. RTL legte beim vorlegenden Gericht Berufung gegen dieses Urteil ein.

Das vorlegende Gericht hat daher die Entscheidung ausgesetzt und beschlossen, dem Gerichtshof Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Filme, die für das Fernsehen produziert worden sind und nach ihrer Konzeption Pausen für die Einfügung von Werbespots vorsehen, in Anbetracht der Zielsetzung von Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552, die darin besteht, Werbeunterbrechungen zum Schutz des künstlerischen Wertes von Kinospielfilmen und Fernsehfilmen einzuschränken, unter den Begriff „Fernsehfilme“ im Sinne dieser Bestimmung fallen.

RTL macht geltend, dass für das Fernsehen produzierte Filme, die bereits nach ihrer Konzeption Pausen für die Einfügung von Werbespots vorsähen, nicht unter den Begriff „Fernsehfilme“ in Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552 fielen.

Dieser Auslegung stehen sowohl der Wortlaut als auch die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung entgegen.

Der Wortlaut des Artikels 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552 ist eindeutig. Er enthält keinen Anhaltspunkt für eine eigene Kategorie von für das Fernsehen produzierten Filmen, die nicht unter den Begriff „Fernsehfilme“ fallen, weil sie bereits nach ihrer Konzeption Pausen für Werbespots vorsehen.

Dies wird auch durch die Entstehungsgeschichte von Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552 bestätigt, wie sie u. a. das vorlegende Gericht dargelegt hat. Dem Vorschlag der Kommission zur Änderung dieser Bestimmung, der darauf abzielte, die Fernsehfilme von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Regelung auszuklammern, ist der Rat nämlich nicht gefolgt. Dieser Vorschlag war aber gerade damit begründet worden, dass bei solchen Filmen bereits in der Konzeptionsphase natürliche Pausen vorgesehen werden können, in die sich Werbespots einfügen lassen, ohne die Einheit des Werkes zu gefährden.

Aus der siebenundzwanzigsten Begründungserwägung und aus Artikel 11 Absatz&1 nbsp;der Richtlinie 89/552 folgt, dass diese Bestimmung einen ausgewogenen Schutz der Bnanziellen Interessen der Fernsehveranstalter und der Werbetreibenden einerseits sowie der Interessen der Rechteinhaber, d.  h. der Autoren und Urheber, und der Zuschauer als Verbraucher andererseits bezweckt.

Doch selbst wenn dieses Ziel, wie RTL vorträgt, für die in Rede stehenden Filme insofern, als es sich auf den Schutz der Interessen det Fernsehveranstalter und derjenigen der Rechteinhaber erstreckt, nicht von Bedeutung sein sollte, da dieser Schutz hier nicht gefordert wird, bleibt im vorliegenden Fall doch ein anderer wesentlicher Aspekt dieser Zielsetzung eindeutig relevant, nämlich der Schutz der Zuschauer als Verbraucher gegen übermäßige Werbung.

Die von RTL vertretene Auslegung verkennt diesen gleichwohl wesentlichen Aspekt des von Artikel 11 der Richtlinie 89/552 verfolgten Zieles eines ausgewogenen Schutzes.

Schließlich führt eine Auslegung, nach der die weitergehende Schutzregelung des Artikels 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552 auch auf Fernsehfilme wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden anwendbar ist, nicht zu einem Ergebnis, das mit den Grundrechten nicht vereinbar wäre.

ieser stärkere Schutz kann zwar eine Einschränkung der Meinungsfreiheit darstellen, wie sie in Artikel 10 Absatz 1 EMRK, auf den die achte Begründungserwägung der Richtlinie 89/552 im Übrigen verweist, verankert ist.

Diese Einschränkung ist jedoch nach Artikel 10 Absatz 2 EMRK gerechtfertigt.

Denn sie verfolgt ein legitimes Ziel, nämlich den „Schutz ... der Rechte anderer“ im Sinne der genannten Bestimmung, d. h. den Schutz der Zuschauer als Verbraucher sowie deren Interesse, Zugang zu Programmen guter Qualität zu haben. Diese Ziele können Maßnahmen gegen übermäßige Werbung rechtfertigen.

Zur Verhältnismäßigkeit der fraglichen Einschränkung ist festzustellen, dass diese nicht den Inhalt der Werbebotschaft betrifft, dass sie kein Verbot, sondern lediglich eine Begrenzung der Zahl der Unterbrechungen enthält, die für alle Veranstalter gilt, und dass sie es grundsätzlich den Fernsehveranstaltern überlässt, den Zeitpunkt (vgl. Punkt 249 des Erläuternden Berichts zum Fernsehübereinkommen) und – in den Grenzen des Artikels 18 der Richtlinie 89/552 – die Länge der Werbeunterbrechungen zu bestimmen.

Zur zweiten, dritten und vierten Frage

Mit der zweiten, der dritten und der vierten Frage, die zusammen zu prüfen sind, mtichte das vorlegende Gericht wissen, welche Verbindung zwischen Filmen bestehen muss, damit sie unter die in Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552 vorgesehene Ausnahmeregelung für "Reihen" fallen künnen.

Bei audiovisuellen Werken wie u. a. Fernsehfilmen sollen die Zuschauer durch Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552 stärker gegen übermäßige Werbung geschützt werden.

Einem im Wesentlichen an formalen Kriterien orientierten Verständnis des Begriffes „Reihen“, wie es RTL vertritt, kann nicht gefolgt werden, weil dies die Erreichung dieses Zieles beeinträchtigen würde.

Der Begriff „Reihen“ erfordert mithin materielle Verbindungen, d. h. Gemeinsamkeiten, die sich auf den Inhalt der betreffenden Filme beziehen.

Zur näheren Bestimmung der Merkmale des Begriffes "Reihen" ist auf die Gründe abzustellen, aus denen die Richtlinie bei Sendungen wie den Reihen einen weniger weit gehenden Schutz der Zuschauer gegen übermäßige Werbung vorsieht.

Dieser geringere Schutz lässt sich damit erklären, dass Reihen gerade aufgrund der inhaltlichen Elemente, die die einzelnen Filme, aus denen sie bestehen, verknüpfen, wie z. B. der Fortentwicklung einer Handlung oder des Wiederkehrens einer oder mehrerer Personen, von den Fernsehzuschauern geringere Aufmerksamkeit verlangen als Filme.

Der Gerichtshof hat für Recht erkannt:

  1. Filme, die für das Femsehen produziert worden sind und nach ihrer Konzeption Pausen für die Einfügung von Werbespots vorsehen, fallen unter den Begriff „Fernsehfilme“ in Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Richtlinie 97/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997.

  2. Die Verbindungen, die zwischen Filmen bestehen müssen, damit diese unter die in Artikel 11 Absatz 3 der genannten Richtlinie vorgesehene Ausnahme für „Reihen“ fallen können, müssen sich aus dem Inhalt der betreJfenden Filme ergeben, wie z. B. der Fortentwicklung einer Handlung von einer Sendung zur anderen oder dem Wiederkehren einer oder mehrerer Personen in den einzelnen Sendungen.

Generalanwalt F. G. Jacobs hat seine Schlussanträge in der Sitzung der Fünften Kammer vom 22. Mai 2003 voreetragen.

Er ist der Meinung gewesen, dass die Vorlagefragen wie folgt beantwortet werden sollten:

     

  1. Artikel 11 Absatz 3 der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit in der Fassung der Richtlinie 97/36/EG vom 30. Juni 1997 ist unabhängig davon anwendbar, ob Fernsehfilme von vornherein für das Fernsehen produziert worden sind und nach ihrer Konzeption Pausen für die Einfügung von Werbespots vorsehen.
  2.  

     

  3. Mehrere audiovisuelle Werke stellen eine ,Reihe' im Sinne der Vorschrift dar, wenn sie einen durchgehenden dramatischen Erzählstrang oder Personen (dramatis personae) gemeinsam haben.
  4.  


Quelle: Tätigkeiten des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Bulletin der Abteilung Presse und Information des Gerichtshofes), Nr. 28/03, S. 14 ff.

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:24
EuGH: ARD ./. Kommission http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=6742 Europäischer Gerichtshof
Urteil vom 30. September 2003

Rs. T-158/00

Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (ARD) / Kommission der Europäischen Gemeinschaften

„Wettbewerb – Zusammenschlüsse – Zulässigkeit – Bezahlfernsehmarkt und Markt für digitale interaktive Fernsehdienste – Ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt – Zusagen in der ersten Prüfungsphase – Fristen – Änderung der Zusagen – Unzulänglichkeit der Zusagen“ (Dritte Kammer)

Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt

Am 22. Dezember 1999 meldeten die Unternehmen British Sky Broadcasting Group plc (nachstehend: BSkyB) und Kirch Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG (nachstehend: KW) gemäß Artikel 4 der Verordnung Nr. 4064/89 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 ein Zusammenschlussvorhaben an. Danach sollte BSkyB zusammen mit KW die gemeinsame Kontrolle über das Unternehmen Kirch Pay-TV GmbH & Co. KGaA (nachstehend: KirchPayTV) erwerben. BSkyB ist ein britisches Unternehmen, das im Medienbereich tätig ist, vorrangig im Bereich analoger und digitaler Fernsehdienste, die über Satellit und Kabel im Vereinigten Königreich und in Irland verbreitet werden, sowie zusätzlich im Bereich des terrestrischen Digitalfernsehens im Vereinigten Königreich. Sie vertreibt ihre eigenen Bezahlfernsehkanäle direkt an Abonnenten und über gewerbliche Kabel- und Sendebetriebe. Außerdem ist sie an dem Unternehmen British Interactive Broadcasting/Open beteiligt, das im Vereinigten Königreich digitale interaktive Fernsehdienste anbietet. Schließlich erbringt sie eine Reihe fernsehrelevanter Dienstleistungen.

Im Zeitpunkt der Anmeldung des Vorhabens war BSkyB in Deutschland nicht auf den Märkten für Bezahlfernsehen, für interaktives Digitalfernsehen und für den Erwerb von Fernsehrechten tätig. KirchPayTV, ein deutsches Unternehmen, wurde zum Zeitpunkt der Anmeldung allein durch KW kontrolliert, die ihrerseits im alleinigen gesellschaftsrechtlichen Eigentum der Kirch-Gruppe steht, eines Medienkonzerns, der in den Bereichen frei empfangbares Fernsehen, Rechtehandel auf den Gebieten Sport und Fiction, Film- und Fernsehproduktionen, Business-TV, Bezahlfernsehen und technische Dienstleistungen für Bezahlfernsehen tätig ist.

Die Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens vom 22. Dezember 1999 wurde im Amtsblatt vom 11. Januar 2000 veröffentlicht. Am selben Tag erhielt die Klägerin ein Auskunftsersuchen der Kommission, in dem sie gebeten wurde, bis zum 14. Januar 2000 zu den Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb Stellung zu nehmen.

Die Klägerin antwortete der Kommission innerhalb der gesetzten Frist, dass der Zusammenschluss eine Verstärkung der beherrschenden Stellung von KirchPayTV auf den Märkten für Bezahlfernsehen, für den Erwerb von Programmrechten und für die Erbringung technischer Dienstleistungen für Bezahlfernsehen sowie die Entstehung einer solchen Stellung auf dem Markt für digitale interaktive Fernsehdienste zur Folge haben würde. Außerdem brachte die Klägerin ihre Sorge zum Ausdruck, dass das Zusammenwirken zwischen Kirch und BSkyB zu einer Verstärkung der vertikalen Integration der beteiligten Unternehmen auf den betroffenen Märkten und zu einer zwischenstaatlichen Wettbewerbsbeschränkung vor allem in den Bereichen der Beschaffung von Fernsehprogrammen und der digitalen interaktiven Fernsehdienste führen würde.

Die am Zusammenschluss Beteiligten legten der Kommission ein Zusagenpaket vor. Die Kommission forderte die Klägerin am 29. Februar 2000 auf, zu diesen Zusagen bis zum 2. März 2000 Stellung zu nehmen.

In ihrer Stellungnahme vom 2. März 2000 beanstandete die Klägerin, die angebotenen Zusagen stellten nicht mehr als das bloße Versprechen dar, die marktbeherrschende Stellung von KirchPayTV nicht zu missbrauchen.

Am 14. März 2000 forderte die Kommission die Klägerin auf, bis zum 15. März 2000 13.00 Uhr zu einer ersten abgewandelten Fassung des Zusagenpakets Stellung zu nehmen. Die Klägerin gab eine kurz gefasste Kommentierung ab.

Die Kommission gab der Klägerin keine Kenntnis von einer zweiten abgewandelten Fassung des Zusagenpakets und forderte sie nicht zu einer Stellungnahme dazu auf. Die Klägerin erhielt von diesem Paket am 18. März 2000 von dritter Seite Kenntnis.

Mit der Entscheidung vom 21. März 2000 (nachstehend: angefochtene Entscheidung) genehmigte die Kommission den fraglichen Zusammenschluss unter Bedingungen gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 sowie Artikel 57 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).

Die von den Beteiligten angebotenen Zusagen reichten nach Auffassung der Kommission aus, um ihre ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt wegen seiner Auswirkungen auf die Märkte für Bezahlfernsehen und für digitale interaktive Fernsehdienste auszuräumen, und sie genehmigte daher den Zusammenschluss gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89.

Mit Klageschrift, die am 13. Juni 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

Zur Begründetheit

Zum ersten Klagegrund: fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt des Artikels 2 Absätze 3 und 4 der Verordnung Nr. 4064/89

Die Klägerin trägt vor, die Kommission sei in Nummer 54 der angefochtenen Entscheidung bezüglich der Auswirkung des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt gestützt auf ihre Ausführungen in den Nummern 56 bis 70 zu dem Ergebnis gelangt, dass auf diesem Markt weder BSkyB noch irgendein anderes Unternehmen kurz- und mittelfristig potenzieller Wettbewerber von KirchPayTV sei.

Der Umstand, dass KirchPayTV es trotz ihrer beherrschenden Stellung hinsichtlich der Infrastruktur und der Programminhalte und obwohl sie auf dem Bezahlfernsehmarkt der einzige Anbieter ist, angesichts der Stärke des frei empfangbaren Fernsehens in Deutschland nicht schafft, die Wirtschaftlichkeitsschwelle zu erreichen, wäre geeignet, andere Betreiber von einem Markteintritt abzuhalten.

Ferner würde das finanzielle Scheitern von KirchPayTV nur das Argument untermauern, dass für einen Markteintritt erhebliche Mittel verfügbar sein müssten. Die Klägerin hat jedoch der in den Nummern 68 und 69 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Behauptung nicht widersprochen, dass BSkyB nicht in der Lage sein werde, die für den Eintritt in einen neuen, a priori verlustbringenden Markt erforderlichen Mittel aufzubringen, da sie erhebliche Investitionen zu tragen habe, um sich als Betreiber von digitalen Fernsehdiensten im Vereinigten Königreich zu etablieren und eine Satellitenptattform gegen die Konkurrenz durchzusetzen.

Folglich beruht das Vorbringen der Klägerin, sofern KirchPayTV nicht infolge des Zusammenschlusses neue Finanzmittel zuflössen, würden potenzielle Wettbewerber in den fraglichen Markt einsteigen, auf der nicht nachgewiesenen Annahme, dass das hnanzielle Scheitern von KirchPayTV auf diesem Markt ein den Markteintritt potenzieller Wettbewerber begünstigender Faktor wäre.

Nach alledem ist der Klagegrund, die Kommission habe einen Beurteilungsfehler begangen, indem sie angenommen habe, BSkyB könne nicht als kurz- und mittelfristig potenzieller Wettbewerber angesehen werden, nicht stichhaltig.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung von Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89

Die Klägerin trägt vor, das Zusammenschlussvorhaben sei im vorliegenden Fall gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Fusionskontrollverordnung in der ersten Phase der Fusionskontrolle für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden, nachdem die beteiligten Unternehmen Zusagen gemacht hätten. Ein Zusammenschlussvorhaben in der ersten Phase der Fusionskontrolle auf der Grundlage von Zusagen der beteiligten Unternehmen für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, sei eine gängige Praxis der Kommission, die in der Lehre heftig kritisiert worden sei und erst vor kurzem im neuen Artikel 6 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung, der durch die Verordnung Nr. 1310/97 eingefügt worden sei, eine formelle gesetzliche Grundlage erhalten habe.

Der Rückgriff auf diese Möglichkeit sei in der Verordnung Nr. 1310/97 jedoch einschränkenden Voraussetzungen unterworfen und komme, wie aus der achten Begründungserwägung der Verordnung hervorgehe, nur dann in Betracht, „wenn das Wettbewerbsproblem klar umrissen ist und leicht gelöst werden kann“.

Der zweite Klagegrund – so das Gericht – ist zurückzuweisen, weil nicht bewiesen worden ist, dass die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen hat, indem sie das Problem als klar umrissen und leicht zu lösen ansah; eine Entscheidung darüber, ob Zusagen in der ersten Phase nur dann akzeptiert werden dürfen, wenn die Wettbewerbsprobleme klar umrissen und leicht zu lösen sind, oder ob es ausreicht, dass die Zusagen die ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt zerstreuen können, ist nicht erforderlich.

Zum dritten Klagegrund: Unzulänglichkeit der Zusagen

Die Klägerin trägt vor, die von der Kommission akzeptierten Zusagen reichten nicht aus, um die ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen Markt auszuräumen. Sie stützt diesen Klagegrund auf Rügen, die alle Zusagen gemeinsam betreffen, auf spezifisch einzelne Zusagen betreffende Rügen und auf Rügen, die sie aus dem Fehlen angeblich gebotener Zusagen herleitet.

Zur ersten Rüge, mit der beanstandet wird, die Zusagen enthielten lediglich Versprechen, von der Kommission festgestellte marktbeherrschende Stellungen nicht zu missbrauchen, ist zunächst festzustellen, dass die Zusagen, obzwar sie eher verhaltensbezogener Natur sind, einen strukturorientierten Charakter aufweisen, da sie ein Strukturproblem lösen sollen, nämlich das des Marktzutritts Dritter.

Da durch die Zusagen, die Struktur der digitalen Übertragung auf allen Ebenen für den Wettbewerb geöffnet wird, gehen sie in ihrer Tragweite weit über ein einfaches Verbot, eine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen, hinaus.

Sodann ist klarzustellen, dass es nicht darum geht, ob den Verpflichtungen aus den Zusagen angeblich Artikel 82 EG zugrunde liegt, sondern vielmehr darum, ob die Zusagen die durch den Zusammenschluss verursachten Probleme lösen können. Die Klägerin hat jedoch in ihrer Klageschrift die Geeignetheit der Zusagen nur abstrakt in Frage gestellt und ihre Verhältnismäßigkeit gegenüber den von der Kommission klar umrissenen Wettbewerbsproblemen nicht geprüft.

Im Übrigen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Zusagen gegenüber der allgemeinen Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach Artikel 82 EG keinen Mehrwert bieten. Im Rahmen der allgemeinen Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach Artikel 82 EG ist der Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung und ihres Missbrauchs von der Kommission und den Dritten zu führen. Dagegen bewirken die Zusagen, die bei einer Genehmigungsentscheidung über einen Zusammenschluss in Form einer Bedingung auferlegt werden, einen Übergang der Beweislast für ihre Einhaltung auf die an dem fraglichen Zusammenschluss beteiligten Unternehmen. Insoweit gehen die Zusagen bereits über die allgemeine Aufsicht nach Artikel 82 EG hinaus.

Hierzu ist überdies festzustellen, dass ohne Zusagen die Einleitung eines nationalen oder gemeinschaftlichen Verfahrens nach Artikel 82 EG geboten wäre, dessen Ausgang ungewiss und dessen Ergebnis jedenfalls schwerer durchzusetzen wäre.

In der vorliegenden Rechtssache sehen die Zusagen eine Reihe genauer Maßnahmen zur Öffnung des Zugangs zu den verschiedenen Märkten und ein bindendes Schiedsverfahren für den Fall von Schwierigkeiten bei der Durchführung vor.

Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Zusagen, durch die interessierten Dritten Zugang zur technischen Plattform der Kirch-Gruppe verschafft werden solle, seien nur eine Anwendung der nach Artikel 82 EG jedem marktbeherrschenden Unternehmen obliegenden Verpflichtung, seine technischen Dienstleistungen Dritten zur Verfügung zu stellen, um ihnen zu ermöglichen, mit ihm in Wettbewerb zu treten. Sie bestreitet damit, dass die Zusagen ausreichen.

Durch die drei ersten Zusagen der Kirch-Gruppe soll Inhalteanbietern Zutritt zum Bezahlfernsehmarkt und zum Markt für digitale interaktive Fernsehdienste verschafft werden. Sie gewährleisten den Zugang zur technischen Satellitenplattform der Kirch-Gruppe zu fairen, angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen, damit ihre digitalen Dienstleistungen über die d-Box empfangen werden können. Die drei Zusagen haben dadurch eine strukturbezogene Auswirkung. Sie stellen nicht nur ein Versprechen dar, eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 82 EG nicht zu missbrauchen, und scheinen nicht von vornherein ungeeignet zu sein, die hier durch den Zusammenschluss aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme zu lösen.

Im Übrigen hat die Klägerin nicht nachgewiesen oder auch nur vorgetragen, warum es neben den verschiedenen Maßnahmen zur Öffnung der Märkte, die sich aus den in der Entscheidung vorgesehenen Zusagen insgesamt ergeben, noch der von ihr vorgeschlagenen Zusage bedurft hätte.

Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat; die Rüge ist daher zurückweisen.

Zum vierten Klagegrund: Verfahrensfehler durch Nichteinleitung des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 1 Buchsta6e c der Verordnung Nr. 4064/89

Die Klägerin trägt vor, die Kommission könne gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung in Verbindung mit der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1310/97 lediglich in Fällen, in denen das Wettbewerbsproblem klar umrissen sei und leicht gelöst werden könne, Zusagen bereits in der ersten Phase der Kontrolle annehmen und dürfe nur dann darauf verzichten, das Verfahren gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Fusionskontrollverordnung einzuleiten.

Zum Argument, die Kommission habe festgestellt, dass das Zusammenschlussvorhaben Anlass zu ernsthaften Bedenken gebe, ist daran zu erinnern, dass in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Fusionskontrollverordnung, wonach die Kommission das Verfahren einzuleiten hat, wenn sie feststellt, dass der angemeldete Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Sedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, ausdrücklich vorgesehen ist, dass diese Verpflichtung unbeschadet des Artikels 6 Absatz 2 gilt. Dort wird der Kommission aber gerade die Befugnis gegeben, das genannte Verfahren nicht einzuleiten und den Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, wenn sie feststellt, dass der angemeldete Zusammenschluss nach Änderungen durch die beteiligten Unternehmen keinen Anlass mehr zu ernsthaften Bedenken gibt.

Zum fünften Klagegrund: unzulässige Verkürzung der Beteiligungsrechte Dritter am Verfahren

Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe die Beteiligungsrechte Dritter am Verfahren verletzt, indem sie Zusagen angenommen habe, die von den am Zusammenschluss Beteiligten so spät angeboten worden seien, dass die Klägerin dazu nicht mehr rechtzeitig habe Stellung nehmen können.

Nach Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98 seien die der Kommission von den beteiligten Unternehmen gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 vorgeschlagenen Zusagen, die nach Absicht der Beteiligten die Grundlage für eine Entscheidung nach Artikel 6 Absatz i Buchstabe b dieser Verordnung bilden sollten, der Kommission nicht später als drei Wochen nach dem Tag des Eingangs der Anmeldung vorzulegen.

Es ergebe sich, dass die Kommission nach Ablauf der Frist des Artikels 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98, d. h. im vorliegenden Fall nach dem 29. Februar 2000, grundsätzlich nicht mehr berechtigt gewesen sei, Modifikationen von vorgeschlagenen Zusagen zu berücksichtigen.

Dennoch habe die Kommission nach diesem Tag zwei Änderungen des Zusagenpakets berücksichtigt, die sachlich erheblich gewesen seien.

Es ist festzustellen, dass die hier von der Kommission nach der Dreiwochenfrist angenommenen Änderungen begrenzten Umfang im Sinne von Nummer 37 der Mitteilung hatten, d. h. „als sofortige Antwort auf die Ergebnisse der Beratungen vorgelegt (worden sind und] Klarstellungen, Verfeinerungen und/oder sonstige Verbesserungen (umfassen], die sicherstellen, dass die Verpflichtungen durchführbar und wirksam sind“.

Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin weder nachgewiesen noch in ihren Schriftsätzen oder in der mündlichen Verhandlung auch nur vorgetragen hat, welche wesentlichen Änderungen nach der Dreiwochenfrist vorgenommen worden sein sollen; sie hat lediglich behauptet, dass solche Änderungen vorgenommen worden seien.

Was die Zusagen 1 bis 3 betreffend den Zugang Dritter zur Plattform von Kirch angeht, so bestehen die Änderungen in der geänderten gegenüber der ersten Fassung insbesondere in der Erweiterung des Kreises der Adressaten dieser Zusagen auf alle interessierten Dritten anstelle der bisherigen Beschränkung auf die Fernsehveranstalter und in der Verdeutlichung der dem betreffenden Kirch-Unternehmen gegenüber dem Adressaten des Angebots obliegenden Kooperationspflichten, darunter die Pflicht zur Offenlegung der Informationen über das Zugangskontrollsystem und über die technischen Dienstleistungen binnen eines Monats ab schriftlicher Anforderung des interessierten Dritten.

Es ist festzustellen, dass der Gehalt der Zusage, den Zugang Dritter zum d-Box-System von Kirch zu erweitern, unverändert bleibt und dass die Änderungen Verbesserungen im Sinne von Nummer 37 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen darstellen.

Es ist jedoch noch zu untersuchen, ob die Kommission, wie die Klägerin geltend macht, durch die Annahme der Änderungen der ursprünglichen Zusagen nach der Dreiwochenfrist die Verfahrensrechte der Klägerin beeinträchtigt hat.

Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin, bevor sie von der Kommission am 29. Februar 2000 über die von BSkyB und Kirch vorgeschlagenen Zusagen unterrichtet wurde, als Dritte am Verfahren beteiligt war und von der Kommission am 11. Januar 2000 ein Auskunftsersuchen erhielt, in dem sie gebeten wurde, zu den Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb Stellung zu nehmen. Ihren am 14. und am 21. Januar 2000 eingereichten Stellungnahmen folgte am 9. Februar 2000 eine Besprechung mit der Generaldirektion Wettbewerb.

Ferner legte die Klägerin auf Anfrage der Kommission mit Schriftsatz vom 22. Februar 2000 dar, welche Auflagen, Bedingungen und öffentlich-rechtlichen Zusagen sie im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht für erforderlich hielt.

Außerdem wurde die Klägerin, wie sie in der Klageschrift ausgeführt hat, aufgefordert, zu den ursprünglichen Zusagen binnen einer Frist von knapp 48 Stunden und zur ersten Änderung des Zusagenpakets binnen 24 Stunden Stellung zu nehmen.

Überdies hatte die Klägerin die Möglichkeit, zu der ersten Änderung des Zusagenpakets in ihrem Schreiben vom 15. März 2000 Stellung zu nehmen. Sie wiederholte einmal mehr ihre Befürchtung hinsichtlich der Verstärkung der beherrschenden Stellung von Kirch auf dem Markt für Bezahlfernsehen in Deutschland und hinsichtlich der Begründung einer Quasi-Monopol-Stellung für die Lieferung technischer Plattformen und Dienstleistungen. Außerdem forderte sie Änderungen hinsichtlich der Modalitäten der Zusagen, um eine Erweiterung des Marktzugangs für andere Set-Top-Boxen als die d-Box und die Öffnung des Kirchschen Systems für den MHP-Standard zu erreichen, ohne dass dies an Fristen, Bedingungen oder diskriminierenden geschäftlichen Auflagen geknüpft sein dürfe.

Demnach hat die Kommission in der ersten Phase Dritte, darunter die Klägerin, angehört.

Folglich ist festzustellen, dass die Klägerin sehr wohl in der Lage war, ihren Standpunkt zur Tragweite und zur Art der Zusagen, die nach ihrer Auffassung von den am Zusammenschluss Beteiligten anzubieten und von der Kommission als Bedingungen oder Auflagen aufzuerlegen waren, mitzuteilen.

Da es sich um eine Entscheidung der Kommission in der Phase I handelt, macht der Umstand, dass die Klägerin für die Stellungnahme zur ersten Änderung der ihr bekannten ursprünglichen Zusagen nur knapp 24 Stunden Zeit hatte, die Entscheidung nicht rechtswidrig.

Das Gericht hat für Recht erkannt und entschieden:

     

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2.  

  3. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission und der Streithelferinnen KirchPayTV und BSkyB.


Quelle: Tätigkeiten des Gerichtshofes und des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Bulletin der Abteilung Presse und Information des Gerichtshofes), Nr. 25/03, S. 32 ff.

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:24
EuG: Öffentlicher Zugang zu Dokumenten in Verfahren vor den Gemeinschaftsgerichten http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=64342 URTEIL DES GERICHTS (Große Kammer)

12. September 2007

„Zugang zu Dokumenten – Von der Kommission in Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht eingereichte Schriftsätze – Entscheidung, mit der der Zugang verweigert wird“

In der Rechtssache T‑36/04

Association de la presse internationale ASBL (API) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S. Völcker, F. Louis und J. Heithecker,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Docksey und P. Aalto als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 20. November 2003 über die Ablehnung eines Antrags der Klägerin auf Zugang zu Schriftsätzen, die die Kommission in Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht eingereicht hat,

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf, der Richter M. Jaeger, J. Pirrung, M. Vilaras und H. Legal, der Richterinnen M. E. Martins Ribeiro, E. Cremona und I. Pelikánová, des Richters D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter N. Wahl, M. Prek und V. Ciucă,

Kanzler: E. Coulon,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2007

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Art. 255 EG bestimmt:

„(1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat das Recht auf Zugang zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission vorbehaltlich der Grundsätze und Bedingungen, die nach den Absätzen 2 und 3 festzulegen sind.

(2) Die allgemeinen Grundsätze und die aufgrund öffentlicher oder privater Interessen geltenden Einschränkungen für die Ausübung dieses Rechts auf Zugang zu Dokumenten werden vom Rat binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam gemäß dem Verfahren des Artikels 251 festgelegt.

…“

2 Die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) legt die Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen für das Recht aus Art. 255 EG auf Zugang zu Dokumenten dieser Organe fest. Die Verordnung gilt seit dem 3. Dezember 2001.

3 Die Erwägungsgründe 2 und 4 der Verordnung lauten:

„(2) Transparenz ermöglicht eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess und gewährleistet eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung gegenüber dem Bürger in einem demokratischen System. Transparenz trägt zur Stärkung der Grundsätze der Demokratie und der Achtung der Grundrechte bei, die in Artikel 6 [EU] und in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankert sind.

(4) Diese Verordnung soll dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten größtmögliche Wirksamkeit verschaffen und gemäß Artikel 255 Absatz 2 [EG] die allgemeinen Grundsätze und Einschränkungen dafür festlegen.“

4 Art. 2 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 sieht vor:

„(1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe.

(3) Diese Verordnung gilt für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden.“

5 Nach Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 versteht man unter einem Dokument „Inhalte …, die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen“.

6 Art. 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt hinsichtlich der Ausnahmen vom Zugangsrecht:

„…

(2) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

– …

– der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung,

– der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten,

es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

(6) Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments freigegeben.

(7) Die Ausnahmen gemäß den Absätzen 1 bis 3 gelten nur für den Zeitraum, in dem der Schutz aufgrund des Inhalts des Dokuments gerechtfertigt ist …“

7 Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 lautet:

„Anträge auf Zugang zu einem Dokument sind in schriftlicher, einschließlich elektronischer, Form in einer der in Artikel 314 [EG] aufgeführten Sprachen zu stellen und müssen so präzise formuliert sein, dass das Organ das betreffende Dokument ermitteln kann. Der Antragsteller ist nicht verpflichtet, Gründe für seinen Antrag anzugeben.“

8 Nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 kann „[i]m Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung … der Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen“.

9 Art. 8 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 betreffend die Behandlung von Zweitanträgen sieht vor:

„(1) Ein Zweitantrag ist unverzüglich zu bearbeiten. Binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Registrierung eines solchen Antrags gewährt das Organ entweder Zugang zu dem angeforderten Dokument und macht es innerhalb dieses Zeitraums gemäß Artikel 10 zugänglich oder teilt schriftlich die Gründe für die vollständige oder teilweise Ablehnung mit. Verweigert das Organ den Zugang vollständig oder teilweise, so unterrichtet es den Antragsteller über mögliche Rechtsbehelfe, das heißt, Erhebung einer Klage gegen das Organ und/oder Einlegen einer Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nach Maßgabe der Artikel 230 [EG] bzw. 195 [EG].

(2) In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, kann die in Absatz 1 vorgesehene Frist um fünfzehn Arbeitstage verlängert werden, sofern der Antragsteller vorab informiert wird und eine ausführliche Begründung erhält.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

10 Die Association de la presse internationale ASBL (API) ist eine nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtete Organisation ausländischer Journalisten aller Sparten und Fachrichtungen mit Sitz in Belgien. Sie verfolgt das Ziel, ihre Mitglieder bei der Berichterstattung über die Europäische Union in ihren Heimatländern zu unterstützen.

11 Mit Schreiben vom 1. August 2003 beantragte die API bei der Kommission nach Art. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 den Zugang zu allen Schriftstücken, die die Kommission in den folgenden Rechtssachen beim Gericht oder Gerichtshof eingereicht hat:

– Honeywell/Kommission, T‑209/01, und General Electric/Kommission, T‑210/01;

– MyTravel/Kommission, T‑212/03;

– Airtours/Kommission, T‑342/99;

– Kommission/Österreich, C‑203/03;

– Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑466/98, Kommission/Dänemark, C‑467/98, Kommission/Schweden, C‑468/98, Kommission/Finnland, C‑469/98, Kommission/Belgien, C‑471/98, Kommission/Luxemburg, C‑472/98, Kommission/Österreich, C‑475/98, und Kommission/Deutschland, C‑476/98 (im Folgenden: „Open skies“-Rechtssachen);

– Köbler, C‑224/01;

– Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg, C‑280/00.

12 Mit Schreiben vom 27. August 2003 teilte die Kommission der API mit, dass der Antrag in Bezug auf die Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03, verfrüht sei, und bat sie außerdem, zu präzisieren, ob sich ihr Antrag nur auf die Schriftsätze oder auch auf die dazugehörigen Anlagen beziehe. Mit demselben Schreiben wies die Kommission die API darauf hin, dass die vorgeschriebene Antwortfrist um 15 Werktage verlängert werden müsse, da ihr Antrag auf Zugang zu den Dokumenten Grundsatzfragen aufwerfe. Mit Schreiben vom 29. August 2003 stellte die API klar, dass sich ihr Antrag nur auf die Schriftsätze der Kommission ohne deren Anlagen beziehe.

13 Mit Schreiben vom 17. September 2003 gewährte die Kommission Zugang zu den Dokumenten der Rechtssachen C‑224/01 und C‑280/00. Hingegen wurde der Zugang zu den Dokumenten der Rechtssachen T‑209/01 und T‑210/01, T‑342/99 und C‑203/03 sowie der „Open skies“-Rechtssachen verweigert.

14 Mit Schreiben vom 6. Oktober 2003 reichte die API gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 einen Zweitantrag für die Dokumente ein, zu denen die Kommission den Zugang verweigert hatte. Nachdem die Kommission die Frist mit Schreiben vom 28. Oktober 2003 verlängert hatte, antwortete sie auf den Zweitantrag mit Entscheidung vom 20. November 2003, mit der sie die Verweigerung des Zugangs zu den fraglichen Dokumenten bestätigte (im Folgenden: angefochtene Entscheidung).

15 Erstens führte die Kommission zur Weigerung, Zugang zu ihren Schriftsätzen in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, und General Electric/Kommission, T‑210/01, zu gewähren, in der angefochtenen Entscheidung aus, die Freigabe ihrer Schriftsätze beeinträchtige ihre Position als Beklagte in diesen Verfahren, da diese Rechtssachen noch anhängig seien. Wie der Gemeinschaftsrichter festgestellt habe (Urteil des Gerichts vom 17. Juni 1998, Svenska Journalistförbundet/Rat, T‑174/95, Slg. 1998, II‑2289), hätten die Parteien nach dem allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege das Recht, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten. Da die Dokumente, zu denen die Klägerin Zugang begehre, ausschließlich für die beiden fraglichen Verfahren erstellt worden seien, fielen sie unter die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren (Urteil des Gerichts vom 7. Dezember 1999, Interporc/Kommission, T‑92/98, Slg. 1999, II‑3521, im Folgenden: Urteil Interporc II). Außerdem könne die Tatsache, dass sie Zugang zu ihren Erklärungen in der Rechtssache Köbler, C‑224/01, gewährt habe, nicht als Präzedenzfall herangezogen werden, da das Verfahren abgeschlossen gewesen sei, obwohl die Rechtssache noch anhängig gewesen sei, und es sich um ein Vorabentscheidungsverfahren gehandelt habe, das mit Direktklagen nicht vergleichbar sei. Die Tatsache selbst, dass Zugang zu den genannten Erklärungen gewährt worden sei, zeige ferner, dass der Antrag der API Dokument für Dokument geprüft worden sei.

16 Zweitens wies die Kommission hinsichtlich der Weigerung, Zugang zu den Dokumenten der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, zu gewähren, darauf hin, dass das Urteil des Gerichts vom 6. Juni 2002 (Slg. 2002, II‑2585), mit dem diese Rechtssache abgeschlossen worden sei, eine Schadensersatzklage gegen die Kommission nach sich gezogen habe (Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03), in deren Rahmen das Vorbringen der Kommission in der Rechtssache T‑342/99 zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung erörtert werde. Die beiden Rechtssachen seien eng miteinander verknüpft, und die Freigabe der von der Klägerin angeforderten Schriftsätze beeinträchtige das Verfahren in der anhängigen Rechtssache.

17 Drittens führte die Kommission zur Weigerung, den Zugang zu Dokumenten der Rechtssache Kommission/Österreich, C‑203/03, zu gewähren, aus, dass die Rechtssache anhängig sei und die Freigabe ihrer Schriftsätze ihre Position vor dem Gerichtshof und gegenüber den österreichischen Behörden beeinträchtigen würde. Daher gelte die für die Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, und General Electric/Kommission, T‑210/01, gegebene Begründung auch für diese Rechtssache. Zudem müsse sie den Zugang zu allen Dokumenten eines Vertragsverletzungsverfahrens verweigern, wenn die Freigabe den Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten beeinträchtigen würde, der, wie das Gericht im Urteil vom 11. Dezember 2001, Petrie u. a./Kommission (T‑191/99, Slg. 2001, II‑3677), festgestellt habe, darin bestehe, eine gütliche Beilegung des Streits zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat zu erreichen. Auch wenn es in jenem Urteil um die Verweigerung des Zugangs zu Mahnschreiben und mit Gründen versehenen Stellungnahmen gegangen sei, habe das Gericht nicht entschieden, dass die Verweigerung des Zugangs zum Schutz des Zwecks, eine gütliche Beilegung des Streits zu erreichen, auf diese Kategorie von Dokumenten beschränkt sei, so dass die Rechtfertigung, auf die diese Verweigerung gestützt worden sei, ebenso für die beim Gerichtshof eingereichten Schriftsätze gelte, da das Vorbringen zum Nachweis der Vertragsverletzungen gleich sei.

18 Was, viertens, die Weigerung angehe, Zugang zu ihren Schriftsätzen in den „Open skies“-Rechtssachen zu gewähren, seien die betreffenden Mitgliedstaaten, obwohl die zu diesen Rechtssachen gehörenden Vertragsverletzungsverfahren durch die Urteile des Gerichtshofs vom 5. November 2002 abgeschlossen worden seien, den Urteilen noch nicht nachgekommen, so dass noch immer Verhandlungen mit dem Ziel geführt würden, dass diese Mitgliedstaaten die vom Gerichtshof festgestellte Zuwiderhandlung beendeten. Aus diesem Grund würde die Freigabe der von ihr in diesen Rechtssachen eingereichten Schriftsätze den Schutz des Zwecks der Untersuchung dieser Vertragsverletzungen beeinträchtigen.

19 Nach einem Hinweis darauf, dass Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimme, dass der Zugang zu verweigern sei, „es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung“, stellte die Kommission in der angefochtenen Entscheidung, fünftens, fest, dass die API mit ihrem Vorbringen nicht nachgewiesen habe, dass das öffentliche Interesse an der Freigabe der fraglichen Dokumente das öffentliche Interesse an einem angemessenen Schutz der anhängigen Gerichtsverfahren und Untersuchungen in Vertragsverletzungsfällen überwiege. Dem öffentlichen Interesse sei am besten gedient, wenn der ordnungsgemäße Ablauf der Verfahren vor dem Gemeinschaftsrichter gewährleistet werde und ihre Untersuchungsbefugnisse bewahrt würden.

20 Schließlich sei es, sechstens, nicht möglich, teilweise Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu gewähren, da deren sämtliche Teile eng miteinander verknüpft seien und von den genannten Ausnahmen erfasst würden.

Verfahren und Anträge der Parteien

21 Mit Klageschrift, die am 2. Februar 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

22 Am 9. November 2006 hat das Gericht nach Anhörung der Parteien beschlossen, die vorliegende Rechtssache an die Große Kammer des Gerichts zu verweisen.

23 Das Gericht (Große Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

24 Die Parteien haben in der Sitzung vom 28. Februar 2007 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

25 Die Klägerin beantragt,

– die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

26 Die Kommission beantragt,

– die Klage als unbegründet abzuweisen;

– der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.

Entscheidungsgründe

27 Die Klägerin macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen die Art. 2 und 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 geltend. Dieser Klagegrund besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Der erste Teil betrifft die auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützte Zugangsverweigerung. Der zweite Teil betrifft die auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützte Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten.

Zur auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten

Vorbringen der Parteien

28 Die Klägerin macht als Erstes nach Hinweis darauf, dass ihr Zugangsantrag in den Anwendungsbereich des Art. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 falle, der den Grundsatz des möglichst umfassenden Zugangs zu Dokumenten der Organe aufstelle, geltend, dass die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren keinen generellen Ausschluss der Schriftsätze der Kommission vom Grundsatz des freien Zugangs zu Dokumenten rechtfertigen könne.

29 Hierzu trägt sie erstens vor, dass diese Ausnahme, wonach der Zugang zu einem Dokument nur verweigert werden könne, wenn durch dessen Freigabe Gerichtsverfahren „beeinträchtigt würde[n]“, eng auszulegen sei. Ein Vergleich zwischen der Verordnung Nr. 1049/2001 und der vorherigen Regelung, dem Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58), mit dem der vom Rat und der Kommission am 6. Dezember 1993 verabschiedete Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. 1993, L 340, S. 41, im Folgenden: Verhaltenskodex von 1993) formell erlassen wurde, ergebe, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bewusst dafür entschieden habe, die Ausnahme für Gerichtsverfahren einzuschränken. Während nämlich der Verhaltenskodex von 1993 die Möglichkeit vorgesehen habe, Dokumente vom Zugang auszunehmen, wenn sich durch deren Freigabe in Bezug auf die Rechtspflege „eine Beeinträchtigung ergeben könnte“, spreche die Verordnung Nr. 1049/2001 von Dokumenten, durch deren Freigabe Gerichtsverfahren „beeinträchtigt würde[n]“. Im Verhaltenskodex von 1993 sei im Gegensatz zur Verordnung Nr. 1049/2001 außerdem nicht die Möglichkeit vorgesehen gewesen, dass ein höheres öffentliches Interesse das Interesse am Schutz von Gerichtsverfahren überwiegen könne.

30 Der beschränkte Zweck der Ausnahme in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gehe ferner aus dem elften Erwägungsgrund hervor, in dem der Grundsatz aufgestellt werde, dass alle Dokumente der Organe für die Öffentlichkeit zugänglich sein sollten, sowie aus der Begründung des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (KOM [2000] 30 endg. – COD 2000/0032, Abschnitt 5), in der darauf hingewiesen werde, dass die Ausnahmen nur zum Schutz klar definierter spezifischer Interessen Anwendung fänden. Eine generelle Weigerung, den Zugang zu einer ganzen Kategorie von Dokumenten zu gewähren, sei daher nicht zulässig, da das betreffende Organ die Pflicht habe, für jedes angeforderte Dokument nachzuweisen, dass seine Freigabe den Schutz eines der in Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten spezifischen Interessen so schwer beeinträchtige, dass das öffentliche Interesse an der Freigabe nie überwiege.

31 Zweitens vertritt die Klägerin die Ansicht, dass die Freigabe von Schriftsätzen, die die Kommission bei den Gemeinschaftsgerichten eingereicht habe, keineswegs den Schutz von Gerichtsverfahren beeinträchtige, weil sie weder zu einer unzulässigen Beeinflussung durch die Öffentlichkeit noch zu einer Beeinträchtigung der Ausgewogenheit der Verhandlungen vor dem Gemeinschaftsrichter in der Weise führten, dass das Funktionieren des gerichtlichen Verfahrens beeinträchtigt würde. Jedenfalls genüge eine so allgemeine Begründung wie diejenige in der angefochtenen Entscheidung dem nach Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erforderlichen Kriterium des schweren und konkreten Schadens nicht.

32 Zudem sei das Interesse der Öffentlichkeit an der Arbeit der Gerichte, die sich mit wichtigen politischen Problemen beschäftigten, in jedem auf den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit aufgebauten System gesund und natürlich, und die Gemeinschaftsgerichte hätten dieses Phänomen selbst gefördert und unterstützt, indem sie der breiten Öffentlichkeit einen immer größeren Teil der Informationen über anhängige Verfahren über ihre Internetseite oder ihren Pressedienst zugänglich gemacht hätten. Im Übrigen seien die mündlichen Verhandlungen öffentlich und der Sitzungsbericht vom Tag der mündlichen Verhandlung an der Öffentlichkeit zugänglich.

33 Es sei daher nicht zu erkennen, wie die Freigabe der Schriftstücke der Kommission den ordnungsgemäßen Ablauf der Gerichtsverfahren, auf die sich diese Schriftstücke bezögen, erheblich beeinträchtigen könne. Eine Veröffentlichung der Schriftstücke habe im Gegenteil einen positiven Effekt, weil eine umfassende Unterrichtung der Öffentlichkeit die Unparteilichkeit der Gemeinschaftsrichter beweise, was die Akzeptanz ihrer Entscheidungen durch die Öffentlichkeit erhöhe. Zudem machten die Gerichte einiger Staaten und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) insbesondere in den Rechtssachen, an denen staatliche Stellen beteiligt seien, die Dokumente aus den Gerichtsverfahren zugänglich, wobei sie Ausnahmen vom Prinzip der Transparenz vorsähen, z. B. zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen und zur Achtung des Privatlebens. Keines dieser Gerichte habe angenommen, dass das Prinzip der Transparenz der Effizienz des gerichtlichen Verfahrens und der geordneten Rechtspflege schaden könne.

34 Drittens macht die Klägerin geltend, dass die Freigabe von bei den Gemeinschaftsgerichten eingereichten Schriftsätzen der Kommission im öffentlichen Interesse liege, weil dadurch die Meinung der Kommission zu grundsätzlichen Fragen der Auslegung des Vertrags und des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts verbreitet werden könnte. Im Bereich des Wettbewerbsrechts z. B. sei eine solche Verbreitung insbesondere im Hinblick auf die Stellungnahmen von Vorteil, die die Kommission gegebenenfalls gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 [EG] und 82 [EG] niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) gegenüber nationalen Gerichten abzugeben habe. Auch wenn ferner die mündlichen Verhandlungen vor den Gemeinschaftsgerichten öffentlich seien und eine Zusammenfassung des Parteivorbringens am Tag der mündlichen Verhandlung verfügbar sei, sei das Bild der behandelten Rechtssachen unvollständig, was die Journalisten daran hindere, genau und ausführlich zu informieren. Der einzige Weg, eine angemessene Transparenz zu gewährleisten, sei daher die Freigabe der von der Kommission eingereichten Schriftstücke.

35 Viertens trägt die Klägerin vor, dass die Kommission ihre Weigerung nicht auf den derzeitigen Stand der Rechtsprechung zu dieser Frage stützen könne, da es in den Urteilen Svenska Journalistförbundet/Rat und Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, um den Verhaltenskodex von 1993 gegangen sei, während die Verordnung Nr. 1049/2001 enger auszulegen sei. Das Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat habe einen Sonderfall betroffen, da die fragliche Vereinigung eine kommentierte Version der Klagebeantwortung des Rates über das Internet verbreitet und die Öffentlichkeit dazu aufgefordert habe, eigene Anmerkungen direkt an die Bediensteten des Rates zu senden, deren Telefon- und Telefaxnummern angegeben gewesen seien, während die API, die an keinem der fraglichen Verfahren beteiligt sei, nicht vorhabe, in dieser Weise vorzugehen. Auch das Urteil Interporc II sei nicht einschlägig, da die Feststellung des Gerichts in Randnr. 40 des Urteils, der Schutz des öffentlichen Interesses stehe einer Weitergabe des Inhalts von Dokumenten entgegen, die die Kommission nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt habe, ein bloßes obiter dictum gewesen sei, während es in jener Rechtssache um die Frage gegangen sei, ob der Zugang zu Dokumenten, die im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens erstellt worden seien, mit der Begründung habe verweigert werden können, dass sie im Zusammenhang mit einem bestimmten Gerichtsverfahren gestanden hätten. Das Gericht habe außerdem entschieden, dass die fragliche Ausnahme „zum einen die Arbeit innerhalb der Kommission und zum anderen die Vertraulichkeit und die Wahrung des Grundsatzes der beruflichen Schweigepflicht der Rechtsanwälte gewährleisten“ solle (Urteil Interporc II, Randnr. 41).

36 Eine solche Auslegung der Ausnahme für Gerichtsverfahren behindere den Zugang der Öffentlichkeit zu Schriftsätzen der Kommission nicht, da diese Schriftsätze nicht als interne und vertrauliche Dokumente angesehen würden, sondern im Gegenteil den Gerichten und den gegnerischen Parteien in den betreffenden Rechtssachen übermittelt würden. Die Feststellung in Randnr. 40 des Urteils Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, sei später vom Gerichtshof bestätigt worden, der entschieden habe, das Gericht habe im Urteil vom 19. März 1998, van der Wal/Kommission (T‑83/96, Slg. 1998, II‑545, Randnr. 50), die Ausnahme rechtsirrig dahin ausgelegt, dass sie die Kommission verpflichte, den Zugang zu den von ihr allein für ein Gerichtsverfahren erstellten Dokumenten zu verweigern (Urteil des Gerichtshofs vom 11. Januar 2000, Niederlande und van der Wal/Kommission, C‑174/98 P und C‑189/98 P, Slg. 2000, I‑1, Randnr. 30).

37 Nach Ansicht der Klägerin folgt daraus, dass die Gemeinschaftsrechtsprechung auf diesem Gebiet nicht so ausgelegt werden könne, wie die Kommission meine, und dass Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 keinen generellen Ausschluss der Schriftsätze der Organe vom Grundsatz des freien Zugangs zu Gemeinschaftsdokumenten rechtfertige.

38 Als Zweites wendet sich die Klägerin gegen die angefochtene Entscheidung, weil die Kommission unter Berufung auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren die Freigabe von Schriftsätzen mit der Begründung verweigert habe, dass die Rechtssache, auf die sie sich bezögen, oder eine damit im Zusammenhang stehende Rechtssache noch immer anhängig gewesen sei.

39 Eine so starke Einschränkung der fraglichen Ausnahme sei nicht gerechtfertigt, denn sie verstoße gerade in den Fällen, in denen aufgrund des Fehlens eines Urteils oder Sitzungsberichts das öffentliche Interesse an der Freigabe der Schriftsätze am größten sei, erheblich gegen den Grundsatz des freien Zugangs zu Dokumenten. Die Verweigerung des Zugangs sei noch unverständlicher bei Dokumenten eines bereits abgeschlossenen Verfahrens, wie dies bei der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, der Fall sei, das aber einen Zusammenhang mit einem anderen, noch anhängigen Verfahren aufweise. Die Kommission habe nämlich nicht erklärt, inwiefern die Freigabe der Schriftsätze der abgeschlossenen Rechtssache dem anhängigen Verfahren schade, wo doch die klagende Partei in den beiden Rechtssachen dieselbe sei und diese deshalb das Vorbringen der Kommission in ihren Schriftsätzen aus der ersten Rechtssache kenne.

40 Die Kommission trägt einleitend vor, dass sie entgegen der Behauptung der Klägerin sich dieser gegenüber weder „pauschal“ geweigert habe, ihren Antrag zu bearbeiten, noch, eine ganze Kategorie von Dokumenten freizugeben. Zwar seien ihre Verfahrensschriftstücke vor den Gemeinschaftsgerichten als solche nicht von der Freigabe ausgenommen, da die Ausnahmen vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten eng auszulegen seien. Greife jedoch eine Ausnahme ein, sei sie zu beachten, so dass sie, wenn durch die Freigabe eines Dokuments der Schutz von Gerichtsverfahren oder Untersuchungen beeinträchtigt „würde“, das Dokument nicht freigeben dürfe. Der Gebrauch des Konditionals (würde), der einen Wertungsspielraum belasse, bedeute, dass ein negativer Effekt eintreten könne, und nicht, dass absolut sicher sein müsse, dass ein solcher Effekt eintreten werde.

41 Zur Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren führt die Kommission als Erstes aus, dass jedes nationale und internationale Rechtssystem eine ihm eigene Vorgehensweise für den Umgang mit einem Gericht vorgelegten Verfahrensschriftstücken festlege. Wie die Klägerin selbst vorgetragen habe, gewährleisteten die europäischen Gerichte ein sehr hohes Maß an Transparenz, da, abgesehen davon, dass jede Rechtssache Gegenstand einer Mitteilung im Amtsblatt der Europäischen Union sei, die eine Zusammenfassung der mit der Klage geltend gemachten Klagegründe und wesentlichen Argumente enthalte, die mündliche Verhandlung öffentlich sei und das Vorbringen der Parteien im Sitzungsbericht zusammengefasst und in den Schlussanträgen des Generalanwalts und im Urteil wiedergegeben und geprüft werde.

42 Sie sei zum Schutz von Gerichtsverfahren verpflichtet, die von jedem einzelnen Gericht dafür angewandte Vorgehensweise zu berücksichtigen. Weder der Gerichtshof noch das Gericht veröffentlichten aber die bei ihnen eingereichten Verfahrensschriftstücke, und beim Gericht werde der Zugang Dritter zu den Akten streng kontrolliert gemäß Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts vom 3. März 1994 (ABl. L 78, S. 32) in der zuletzt am 5. Juni 2002 (ABl. L 160, S. 1) geänderten Fassung, wonach „[k]eine dritte Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts … ohne ausdrückliche, nach Anhörung der Parteien erteilte Genehmigung des Präsidenten die Akten der Rechtssache oder die Verfahrensvorgänge einsehen“ und „[d]iese Genehmigung … nur auf schriftlichen Antrag erteilt werden [kann], dem eine eingehende Begründung für das berechtigte Interesse an der Akteneinsicht beizufügen ist“. Im Übrigen schreibe die Verordnung Nr. 1049/2001 den Gerichten nicht vor, wie sie die vor ihnen stattfindenden Verfahren zu führen hätten. Der Gerichtshof habe hierzu festgestellt, dass es für die Vertraulichkeit von Verfahrensschriftstücken und für die Frage, ob die Verfahrensbeteiligten sie Dritten übermitteln könnten, keinen allgemeinen Grundsatz gebe, und er habe betont, dass besondere Erwägungen gälten, wenn „die Verbreitung eines Schriftstücks die ordnungsgemäße Rechtspflege beeinträchtigen könnte“ (Beschluss des Gerichtshofs vom 3. April 2000, Deutschland/Parlament und Rat, C‑376/98, Slg. 2000, I‑2247, Randnr. 10).

43 Das Gericht habe den allgemeinen Grundsatz einer geordneten Rechtspflege, dass die Parteien das Recht hätten, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten, bestätigt und auf Verfahrensschriftstücke angewandt (Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 136). Die Tatsache, dass die anhängigen Rechtssachen der Öffentlichkeit bekannt seien, dürfe nicht mit dem Recht der Parteien verwechselt werden, ihr schriftliches Vorbringen nicht der Öffentlichkeit preiszugeben.

44 Das öffentliche Interesse verlange nicht die Freigabe aller Verfahrensschriftstücke, die sich sogar als kontraproduktiv erweisen könne, da der schriftliche Dialog zwischen den Parteien Gefahr laufe, sich in eine öffentliche Debatte zu verwandeln, in der Druck auf die mit einer Rechtssache befassten Bediensteten ausgeübt werden könne, und die Stichhaltigkeit bestimmter Argumente könne anderem Druck von außen ausgesetzt sein. Die Notwendigkeit, die Ausgewogenheit der Verhandlung zu schützen, wiege also schwerer als die Notwendigkeit, dass die Journalisten ausreichend auf die mündliche Verhandlung vorbereitet seien. Eine systematische Freigabe könne zudem ein ungünstiges Ungleichgewicht zwischen den Organen und allen oder einigen anderen Verfahrensbeteiligten herbeiführen, die nicht verpflichtet seien, unter denselben Bedingungen, wie sie für die Organe gälten, Zugang zu ihren Schriftsätzen zu gewähren.

45 Die Kommission trägt als Zweites vor, dass sie, wenn bei ihr Zugang im Sinne der Verordnung Nr. 1049/2001 beantragt werde, zunächst prüfe, ob das Verfahren, auf das sich das angeforderte Dokument beziehe, das Stadium der mündlichen Verhandlung erreicht habe, und dann, ob nach dem Vorstehenden der Schutz von Gerichtsverfahren die Verweigerung des Zugangs zu diesem Dokument erfordere. In dieser Weise habe sie sich geweigert, ihre Schriftsätze in den Rechtssachen General Electric/Kommission, T‑210/01, und Honeywell/Kommission, T‑209/01, die vor dem Gericht anhängig gewesen seien, freizugeben.

46 Es könne auch Gründe dafür geben, den Zugang zu einem Dokument nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder nach Verkündung des Urteils zu verweigern, wenn es sich als notwendig erweise, die Formulierung eines schriftlichen Vorbringens zu schützen, die mit derjenigen übereinstimme, die in einer damit im Zusammenhang stehenden noch anhängigen Rechtssache verwendet werde. Die Weigerung, Zugang zu den Schriftsätzen in der bereits durch ein Urteil des Gerichts abgeschlossenen Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, zu gewähren, sei auf einen solchen Grund gestützt, da dieselbe Klägerin anschließend eine Schadensersatzklage erhoben habe (Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03), die noch immer anhängig sei. Der Zusammenhang zwischen den beiden Rechtssachen bestehe darin, dass einige der im Rahmen der Nichtigkeitsklage vorgetragenen Argumente ebenfalls im Rahmen der Schadensersatzklage erörtert werden könnten.

47 Hinsichtlich der Abwägung der beteiligten Interessen ist die Kommission der Auffassung, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse, das die Freigabe der angeforderten Dokumente rechtfertige, für keine Art von Dokumenten von vornherein angenommen werden könne, sondern immer unter Berücksichtigung der anderen beteiligten Interessen im Einzelfall nachgewiesen werden müsse. Das überwiegende öffentliche Interesse, ein Begriff, der in der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht definiert worden sei, könne erst dann Berücksichtigung finden, wenn nachgewiesen sei, dass eine der Ausnahmen eingreife.

48 Würde ferner die Ausnahme des überwiegenden öffentlichen Interesses, die eine Ausnahme von einer Ausnahme sei, systematisch angewandt, um die Freigabe von Schriftstücken in jedem Verfahrensstadium zu rechtfertigen, führe dies dazu, dass der Ausnahme für Gerichtsverfahren jede praktische Wirksamkeit genommen würde. Bei der Abwägung der beteiligten Interessen müsse ebenfalls berücksichtigt werden, dass die Öffentlichkeit bereits über eine Rechtssache informiert worden sei, zuerst im Stadium der Klageerhebung (Veröffentlichung der wesentlichen Klagegründe und des wesentlichen Vorbringens der klagenden Partei im Amtsblatt) und dann durch den Sitzungsbericht. Bezüglich der von der Klägerin in der vorliegenden Rechtssache angeforderten Dokumente habe die Kommission angenommen, dass dem öffentlichen Interesse mit der Wahrung des ordnungsgemäßen Ablaufs der fraglichen Gerichtsverfahren am besten gedient sei.

49 Die Tatsache, dass die Klägerin an keinem der Verfahren, auf die sich die Dokumente, deren Freigabe beantragt worden sei, bezögen, beteiligt sei und dass weder sie noch ihre Mitglieder die Absicht hätten, Druck auf die Kommission auszuüben, nehme dem Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat, oben in Randnr. 15 angeführt, nichts von seiner Relevanz. In Randnr. 138 des Urteils habe das Gericht den Zweck der Freigabe der Verfahrensschriftstücke in jener Rechtssache nämlich für missbräuchlich erklärt. Da die Freigabe eines Dokuments bestätige, dass es frei verbreitet werden könne, stelle das Versprechen der Klägerin, keinen Druck auszuüben, nicht sicher, dass sich andere Angehörige der Öffentlichkeit ebenso verhielten.

50 Im Urteil Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt (Randnrn. 40 und 41), habe das Gericht festgestellt, dass die Kategorie von Dokumenten, auf die die Ausnahme für Gerichtsverfahren anwendbar sei, alle Dokumente erfasse, die von der Kommission nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt worden seien. Das Urteil Interporc II habe den Anwendungsbereich der Ausnahme für Gerichtsverfahren also festgelegt, ohne aber diese Dokumente als Kategorie vom Recht auf öffentlichen Zugang auszunehmen, und das Urteil Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt (Randnrn. 27 bis 30), habe bestätigt, dass es keine generelle Ausnahme für diese Dokumente gebe, die die Kommission dazu verpflichte, sie nicht freizugeben. Das Urteil Interporc II bleibe daher rechtlich relevant, und ihm hätte im vorliegenden Fall gefolgt werden müssen, da die Kommission keineswegs eine generelle Absage erteilt, sondern jedes einzelne Dokument geprüft habe.

Würdigung durch das Gericht

– Vorbemerkungen

51 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass Art. 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 insbesondere in Verbindung mit deren viertem Erwägungsgrund dem Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die sich im Besitz der Organe befinden, größtmögliche Wirksamkeit verschaffen soll (Urteil des Gerichtshofs vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 61).

52 Aus dieser Verordnung, insbesondere dem elften Erwägungsgrund, Art. 1 Buchst. a und Art. 4, der ein System von Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten vorsieht, ergibt sich aber auch, dass dieses Recht aufgrund öffentlicher oder privater Interessen gleichwohl gewissen Einschränkungen unterliegt (Urteil Sison/Rat, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 62).

53 Da diese Ausnahmen vom Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten abweichen, sind sie eng auszulegen und anzuwenden (Urteil Sison/Rat, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 63; Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2006, Franchet und Byk/Kommission, T‑391/03 und T‑70/94, Slg. 2006, II‑2023, Randnr. 84; zum Verhaltenskodex von 1993 vgl. auch entsprechend Urteile des Gerichtshofs Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 27, und vom 6. Dezember 2001, Rat/Hautala, C‑353/99 P, Slg. 2001, I‑9565, Randnr. 25; Urteile des Gerichts vom 14. Oktober 1999, Bavarian Lager/Kommission, T‑309/97, Slg. 1999, II‑3217, Randnr. 39, und Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 66).

54 Nach ständiger Rechtsprechung muss außerdem die im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten erforderliche Prüfung konkret sein. Zum einen kann nämlich der bloße Umstand, dass ein Dokument ein durch eine Ausnahme geschütztes Interesse betrifft, nicht ausreichen, um die Anwendung der Ausnahme zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 26. April 2005, Sison/Rat, T‑110/03, T‑150/03 und T‑405/03, Slg. 2005, II‑1429, Randnr. 75, und Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 115). Eine solche Anwendung kann grundsätzlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Organ zuvor geprüft hat, ob erstens der Zugang zu dem Dokument das geschützte Interesse tatsächlich konkret hätte verletzen können und ob zweitens – in den Fällen des Art. 4 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 – nicht ein höherrangiges öffentliches Interesse bestand, das die Freigabe des betreffenden Dokuments rechtfertigte. Zum anderen muss die Gefahr einer Beeinträchtigung eines geschützten Interesses vernünftigerweise absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein. Die Prüfung, die das Organ durchführen muss, um eine Ausnahme anzuwenden, muss daher konkret sein und aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen (Urteile des Gerichts vom 13. April 2005, Verein für Konsumenteninformation/Kommission, T‑2/03, Slg. 2005, II‑1121, im Folgenden: Urteil VKI, Randnr. 69, sowie Franchet und Byk/Kommission, Randnr. 115).

55 Diese konkrete Prüfung muss für jedes im Antrag bezeichnete Dokument durchgeführt werden. Aus der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt sich nämlich, dass alle in ihrem Art. 4 Abs. 1 bis 3 genannten Ausnahmen auf das einzelne Dokument („zu einem Dokument“) anzuwenden sind (Urteile VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 70, und Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 116). Was ferner die zeitliche Anwendbarkeit dieser Ausnahmen betrifft, sieht Art. 4 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1049/2001 vor, dass sie nur für den Zeitraum gelten, in dem der Schutz aufgrund des „Inhalts des Dokuments“ gerechtfertigt ist.

56 Daraus folgt, dass eine konkrete und individuelle Prüfung jedenfalls dann erforderlich ist, wenn – auch in den Fällen, in denen klar ist, dass ein Zugangsantrag von einer Ausnahme erfasste Dokumente betrifft – nur eine solche Prüfung es dem Organ ermöglicht, zu beurteilen, ob dem Antragsteller teilweiser Zugang nach Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 gewährt werden kann (Urteile VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 73, sowie Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 117). Im Rahmen der Anwendung dieser Verordnung hat das Gericht im Übrigen eine Prüfung von Dokumenten nach Kategorien statt nach den in diesen Dokumenten enthaltenen konkreten Informationen bereits für grundsätzlich unzureichend erachtet, da die Prüfung, zu der ein Organ verpflichtet ist, es ihm ermöglichen muss, konkret zu beurteilen, ob eine geltend gemachte Ausnahme auch tatsächlich für alle in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen gilt (Urteil VKI, Randnrn. 74 und 76; zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 12. Oktober 2000, JT’s Corporation/Kommission, T‑123/99, Slg. 2000, II‑3269, Randnrn. 46 bis 48).

57 Bei der Verpflichtung eines Organs, den Inhalt der in dem Zugangsantrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu prüfen, handelt es sich um eine grundsätzliche Verpflichtung (Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnrn. 74 und 75), die bei allen in Art. 4 Abs. 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Ausnahmen besteht, unabhängig davon, zu welchem Bereich die angeforderten Dokumente gehören. Da in der Verordnung keine Sonderregelung für die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren vorgesehen ist, erstreckt sich die grundsätzliche Verpflichtung auch auf diese Ausnahme.

58 Diese grundsätzliche Verpflichtung bedeutet allerdings nicht, dass eine solche Prüfung unter allen Umständen erforderlich ist. Da nämlich die konkrete und individuelle Prüfung, die das Organ grundsätzlich auf einen auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Akteneinsicht hin durchführen muss, es dem betreffenden Organ ermöglichen soll, zu beurteilen, inwieweit eine Ausnahme vom Zugangsrecht anwendbar ist und ob die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs besteht, kann eine solche Prüfung entbehrlich sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Falls offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder im Gegenteil zu gewähren ist. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn bestimmte Dokumente offenkundig in vollem Umfang von einer Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst werden oder aber offenkundig in vollem Umfang zugänglich sind oder wenn sie von der Kommission unter ähnlichen Umständen bereits konkret und individuell geprüft worden waren (Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 75).

59 Als Zweites ist zur Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erstens festzustellen, dass sich aus der weiten Definition des Begriffs des Dokuments in Art. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1049/2001 sowie aus der Formulierung und dem bloßen Bestehen der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren ergibt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die gerichtliche Tätigkeit der Organe nicht vom Zugangsrecht der Bürger ausschließen wollte, sondern hierfür vorgesehen hat, dass sie die Freigabe von Dokumenten aus einem Gerichtsverfahren dann verweigern, wenn eine solche Freigabe das Verfahren, auf das sich die Dokumente beziehen, beeinträchtigen würde.

60 Zweitens hat das Gericht bereits entschieden, dass der Begriff der Gerichtsverfahren, der im Rahmen des Verhaltenskodex von 1993 dahin ausgelegt wurde, dass er die eingereichten Schriftsätze oder Dokumente, die internen Schriftstücke, die die Bearbeitung der anhängigen Rechtssache betreffen, und die Schriftwechsel über die Rechtssache zwischen der betroffenen Generaldirektion und dem Juristischen Dienst oder einer Rechtsanwaltskanzlei umfasst (Urteil Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 41), auch im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 gilt (vgl. Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 90). Die von der Kommission beim Gemeinschaftsrichter eingereichten Schriftsätze fallen also insofern in den Anwendungsbereich der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren, als sie ein geschütztes Interesse betreffen.

61 Drittens vermag der Umstand allein, dass alle Dokumente, die nur für ein bestimmtes Gerichtsverfahren erstellt wurden, in den Anwendungsbereich dieser Ausnahme fallen (Urteile Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 40, sowie Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnrn. 88 und 89), und insbesondere die von den Organen eingereichten Schriftsätze, nicht die Anwendung der geltend gemachten Ausnahme zu rechtfertigen. Denn wie der Gerichtshof zum Verhaltenskodex von 1993 bereits entschieden hat, kann die dem Schutz des öffentlichen Interesses im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens dienende Ausnahme nicht dahin ausgelegt werden, dass die Kommission ihretwegen verpflichtet ist, den Zugang zu allen von ihr allein für dieses Verfahren erstellten Dokumenten zu verweigern (Urteil Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnr. 30).

62 Eine solche Auslegung ist im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 zwangsläufig geboten, zumal die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren in Art. 4 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung im Vergleich zu der Ausnahme im Verhaltenskodex von 1993 enger formuliert ist. Zum einen ist nämlich die Weigerung, Zugang zu gewähren, im Rahmen der Verordnung Nr. 1049/2001 nur gerechtfertigt, wenn die Freigabe des betreffenden Dokuments das fragliche Interesse beeinträchtigen „würde“, und nicht, wie im Verhaltenskodex von 1993 vorgesehen, wenn sich durch die Freigabe in Bezug auf das Interesse „eine Beeinträchtigung ergeben könnte“. Das schließt mit ein, dass das betreffende Organ für jedes angeforderte Dokument zu prüfen hat, ob dessen Offenlegung nach den ihm vorliegenden Informationen tatsächlich geeignet ist, eines der durch die Ausnahmeregelung geschützten Interessen zu beeinträchtigen (zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Februar 1998, Interporc/Kommission, T‑124/96, Slg. 1998, II‑231, Randnr. 52, und JT’s Corporation/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 64). Zum anderen sieht die Verordnung Nr. 1049/2001 selbst für den Fall, dass die Freigabe des angeforderten Dokuments den Schutz des fraglichen Gerichtsverfahrens beeinträchtigen würde, vor, dass der Zugang zu gewähren ist, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse dies rechtfertigt, was im Verhaltenskodex von 1993 nicht vorgesehen war.

63 Viertens soll die auf den Schutz von Gerichtsverfahren gerichtete Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten u. a. das Recht jeder Person auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht wahren, das ein in Art. 6 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) vorgesehenes Grundrecht und integraler Bestandteil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ist, deren Beachtung der Gemeinschaftsrichter sichert, wobei er sich an die gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten und an die Hinweise anlehnt, die insbesondere die EMRK liefert (Urteile des Gerichtshofs vom 2. Mai 2006, Eurofood IFSC, C‑341/04, Slg. 2006, I‑3813, Randnr. 65, und vom 25. Januar 2007, Salzgitter Mannesmann/Kommission, C‑411/04 P, Slg. 2007, I‑0000, Randnrn. 40 und 41), sowie eine geordnete Rechtspflege gewährleisten. Diese Ausnahme erfasst also nicht nur die Interessen der Beteiligten in einem Gerichtsverfahren, sondern auch allgemein den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens.

64 Das Gericht hat daher im Licht der oben in den Randnrn. 51 bis 63 entwickelten Grundsätze zu prüfen, ob die Kommission dadurch, dass sie angenommen hat, dass die Verweigerung der Freigabe der von ihr in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, Kommission/Österreich, C‑203/03, und Airtours/Kommission, T‑342/99, eingereichten Schriftsätze von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren gedeckt wird, im vorliegenden Fall einen Fehler begangen hat.

– Zur Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den Rechtssachen T‑209/01, T‑210/01 und C‑203/03

65 Hinsichtlich der im Zugangsantrag bezeichneten Dokumente ist als Erstes zu untersuchen, ob die Kommission den Inhalt jedes angeforderten Dokuments konkret geprüft hat, was die Klägerin unter Verweis auf die Allgemeinheit der für die Verweigerung des Zugangs geltend gemachten Rechtfertigung bestreitet.

66 Es ist festzustellen, dass aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht hervorgeht, dass die Kommission eine solche Prüfung vorgenommen hat. Sie hat in dieser Entscheidung nämlich für den Nachweis, dass die fraglichen Schriftsätze tatsächlich des Schutzes bedurften, weder auf deren Inhalt noch auf den besonderen Gegenstand jedes Verfahrens, aus dem die Schriftsätze stammten, Bezug genommen. Sie hat sich darauf beschränkt, in allgemeiner Form festzustellen, dass die Verweigerung des Zugangs zu Schriftsätzen aus laufenden Verfahren, an denen sie beteiligt sei, von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren gedeckt sei, weil die Freigabe dieser Schriftsätze ihre Position als Partei beeinträchtigen würde, indem sie sie der Gefahr von Druck von außen aussetze. Eine solche Rechtfertigung kann gleichermaßen für alle Schriftsätze der Kommission in anhängigen Verfahren gelten, an denen sie beteiligt ist.

67 In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die allgemeine Form der Begründung für eine Zugangsverweigerung sowie ihre Kürze oder ihr stereotyper Charakter nur dann ein Indiz dafür sein können, dass keine konkrete Prüfung stattgefunden hat, wenn es objektiv möglich ist, die Gründe für die Verweigerung des Zugangs zu jedem einzelnen Dokument anzugeben, ohne den Inhalt dieses Dokuments oder eines wesentlichen Bestandteils davon bekannt zu machen und damit die wesentliche Zweckbestimmung der Ausnahme zu verfehlen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. April 2005, Sison/Rat, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 84; zum Verhaltenskodex von 1993 vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 5. März 1997, WWF UK/Kommission, T‑105/95, Slg. 1997, II‑313, Randnr. 65). Wie der Gerichtshof festgestellt hat, wird das an die Organe gerichtete Gebot, keine Informationen mitzuteilen, die mittelbar die Interessen beeinträchtigen würden, die mit den genannten Ausnahmeregelungen gerade geschützt werden sollen, u. a. durch Art. 9 Abs. 4 und Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 unterstrichen (Urteil vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, oben in Randnr. 51 angeführt, Randnr. 83).

68 Das Fehlen einer konkreten Prüfung ergibt sich im vorliegenden Fall jedoch aus den von der Kommission zur Rechtfertigung der Zugangsverweigerung angeführten Gründen, da sie keinerlei Bezug zum Inhalt der angeforderten Schriftsätze aufweisen. Das behauptete Erfordernis, die Vorgehensweise des Gemeinschaftsrichters für den Zugang Dritter zu Verfahrensvorgängen einzuhalten, sowie die Notwendigkeit, die Ausgewogenheit der Verhandlungen zu gewährleisten und jeglichen Druck auf ihre Bediensteten zu verhindern, die in der angefochtenen Entscheidung in keinen Zusammenhang mit der Art der betreffenden Informationen und/oder dem eventuell sensiblen Charakter des Verfahrensgegenstands gestellt wird, zeigen nämlich, dass nach Ansicht der Kommission eine konkrete Würdigung des Inhalts jedes angeforderten Schriftsatzes für die Entscheidung über den Zugangsantrag der Klägerin entbehrlich war.

69 Diesem Ergebnis steht nicht die Äußerung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung entgegen, die Gewährung des Zugangs zu den Erklärungen, die im noch vor dem Gerichtshof anhängigen Vorabentscheidungsverfahren Köbler, C‑224/01, eingereicht worden seien, beweise, dass der Antrag der API Dokument für Dokument geprüft worden sei. Denn dies zeigt nur, dass die Kommission nach der Art des gerichtlichen Verfahrens und dem jeweils erreichten Verfahrensstand unterschieden hat. Aufgrund einer solchen Unterscheidung hat sie Zugang zu den Erklärungen gewährt, die sie in dem Vorabentscheidungsverfahren eingereicht hatte, das durch das Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juli 2003, Altmark Trans und Regierungspräsidium Magdeburg (C‑280/00, Slg. 2003, I‑7747), abgeschlossen wurde, sowie zu denen, die in der noch vor dem Gerichtshof anhängigen Rechtssache Köbler (C‑224/01) eingereicht wurden, in der aber das mündliche Verfahren bereits beendet war, während sie den Zugang zu Schriftsätzen in noch vor den Gemeinschaftsgerichten anhängigen Klageverfahren verweigert hat.

70 Ferner hat die Kommission auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung erklärt, wenn sie eine Entscheidung über einen Antrag auf Zugang zu in anhängigen Rechtssachen eingereichten Schriftsätzen treffe, sei der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung entscheidend, weil ihrer Ansicht nach diese Schriftstücke als Mindestschutz zumindest bis zu dem Tag vertraulich zu behandeln seien, an dem die Verhandlung vor Gericht stattfinde. Erst nach der mündlichen Verhandlung gebe es eine Zugangsvermutung und nehme sie – bei Vorabentscheidungsverfahren – eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der in den angeforderten Dokumenten enthaltenen Informationen und des sensiblen Charakters des Rechtsstreits vor. Bei Klageverfahren gehe sie hingegen davon aus, dass der Zugang bis zum Endurteil und bei miteinander im Zusammenhang stehenden anhängigen Rechtssachen bis zum Abschluss der jeweiligen verbundenen Rechtssache zu verweigern sei.

71 Aus dem Vorstehenden folgt nicht nur, dass die Kommission nicht jedes angeforderte Dokument konkret geprüft hat, sondern auch, dass sie der Meinung war, dass alle Schriftsätze, die sie in anhängigen Rechtssachen eingereicht hat, an denen sie beteiligt ist, automatisch und umfassend als von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erfasst anzusehen waren, ohne dass eine konkrete Prüfung erforderlich gewesen wäre.

72 Als Zweites ist zu untersuchen, ob die Kommission aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls von einer konkreten Prüfung des Inhalts der in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, und Kommission/Österreich, C‑203/03, eingereichten Schriftsätze absehen durfte. Hierfür ist zunächst zu klären, ob die fraglichen Dokumente alle zur selben Kategorie gehörten, so dass für sie dieselbe Rechtfertigung eingreift. Sollte dies bejaht werden, ist sodann zu prüfen, ob die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren, wie sie im vorliegenden Fall von der Kommission angewandt wurde, die Dokumente dieser Kategorie deshalb tatsächlich und vollständig erfasst, weil sie tatsächlich, wie geltend gemacht, des Schutzes bedürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnrn. 83 und 84).

73 Grundsätzlich hängt es von der Art der Informationen in den streitigen Dokumenten ab, ob ihre Freigabe ein geschütztes Interesse – im vorliegenden Fall den Schutz von Gerichtsverfahren – beeinträchtigen kann. Eine Beurteilung nach Kategorien setzt daher, um die voraussichtlichen Folgen der Freigabe für Gerichtsverfahren einschätzen zu können, voraus, dass die Dokumente der jeweiligen Kategorie gleichartige Informationen enthalten. Denn das Fehlen einer konkreten Prüfung kann nur gerechtfertigt werden, wenn offenkundig ist, dass die geltend gemachte Ausnahme tatsächlich auf alle in den angeforderten Dokumenten enthaltenen Informationen anwendbar ist (Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 75).

74 Jedoch kann angesichts der besonderen Natur der Interessen, die, wie sich aus den Ausführungen oben in Randnr. 63 ergibt, von der fraglichen Ausnahme geschützt werden sollen, und aufgrund der Tatsache, dass die Dokumente, zu denen Zugang begehrt wurde, die Schriftsätze einer der Parteien des Verfahrens sind, nicht ausgeschlossen werden, dass die Nichtfreigabe für einen bestimmten Zeitraum aus Gründen, die nichts mit dem Inhalt jedes einzelnen angeforderten Dokuments zu tun haben, gerechtfertigt werden kann, vorausgesetzt, diese Gründe rechtfertigen, dass die fraglichen Dokumente in ihrer Gesamtheit geschützt werden müssen.

75 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass zum einen die Schriftsätze, zu denen Zugang begehrt wurde, von der Kommission als Partei in drei Klageverfahren verfasst wurden, die im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung noch anhängig waren. Daher kann jeder eine dieser drei Rechtssachen betreffende Schriftsatz als zur selben Kategorie gehörig angesehen werden, so dass die Zugangsverweigerung auf ein- und dieselbe Rechtfertigung gestützt werden konnte.

76 Zum anderen hat die Kommission die Verweigerung des Zugangs zu den in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, und Kommission/Österreich, C‑203/03, eingereichten Schriftsätzen im Wesentlichen auf die Notwendigkeit gestützt, ihre Position als Partei zu schützen, unabhängig davon, ob sie als Beklagte oder Klägerin auftrete, und sie hat geltend gemacht, dass deren Freigabe ein Ungleichgewicht zwischen ihr und den anderen Verfahrensbeteiligten schaffen könne, der Ausgewogenheit der Gerichtsverhandlungen schade und der Vorgehensweise des Gemeinschaftsrichters zuwiderlaufe. Es ist deshalb zu prüfen, ob diese Gründe die Annahme rechtfertigen, dass die Schriftsätze offenkundig in ihrer Gesamtheit von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erfasst waren.

77 Hierfür ist zu untersuchen, inwieweit die Tatsache eine Rolle spielt, dass die angefochtene Entscheidung zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, zu dem die fraglichen Schriftsätze noch nicht vor Gericht erörtert worden waren, und zwar vor dem Hintergrund, dass die Kommission den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für die Entscheidung über den Zugang zu den angeforderten Dokumenten für ein wesentliches Kriterium hält, weil die Zugangsverweigerung vor diesem Zeitpunkt unerlässlich sei, um zu verhindern, dass ihre Bediensteten Druck von außen, insbesondere seitens der Öffentlichkeit, ausgesetzt würden.

78 Es trifft zu, dass die Kommission durch die Freigabe ihrer Schriftsätze vor der mündlichen Verhandlung in die Situation versetzt werden könnte, sich Kritik und Einwänden gegen ihr Vorbringen in diesen Schriftsätzen von Fachkreisen, der Presse oder allgemein der öffentlichen Meinung stellen zu müssen. Über den etwaigen Druck auf ihre Bediensteten hinaus könnten die Kritik und die Einwände u. a. zur Folge haben, dass sie mit einer zusätzlichen Aufgabe belastet würde, da sie sich gezwungen sehen könnte, diese bei der Verteidigung ihrer Position vor Gericht zu berücksichtigen, während die Verfahrensbeteiligten, die nicht zur Freigabe ihrer Schriftsätze verpflichtet sind, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung vertreten können.

79 Der Grundsatz der Waffengleichheit – eines der Elemente des umfassenderen Begriffs des fairen Verfahrens – erfordert, dass jeder Partei eine vernünftige Möglichkeit geboten wird, ihren Standpunkt unter Bedingungen vorzutragen, die sie nicht in eine deutlich nachteilige Position im Verhältnis zu ihrem Gegner versetzen (vgl. EGMR, Urteile Dombo Beheer BV/Niederlande vom 27. Oktober 1993, Serie A, Nr. 274, § 33, Ernst u. a./Belgien vom 15. Juli 2003, § 60, und Vezon/Frankreich vom 18. April 2006, § 31). Zwar vermag die Freigabe der eigenen Schriftsätze für sich allein das betreffende Organ nicht in eine deutlich nachteilige Position beim Vortrag seines Standpunkts vor Gericht zu versetzen, doch kann es für die Gewährleistung eines von jeder äußeren Beeinflussung freien Informations- und Meinungsaustauschs im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich sein, die Schriftsätze der Organe vom Zugang der Öffentlichkeit auszunehmen, solange das darin enthaltene Vorbringen nicht vor Gericht erörtert worden ist.

80 Wie das Gericht außerdem im Urteil Svenska Journalistförbundet/Rat, oben in Randnr. 15 angeführt (Randnrn. 136 bis 138), festgestellt hat, haben die Parteien das Recht, ihre Interessen unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung, insbesondere durch die Öffentlichkeit, zu vertreten. Das Gericht hat diese Erwägung zwar bei der Beurteilung des missbräuchlichen Gebrauchs angestellt, den eine Partei von der Klagebeantwortung der anderen Partei gemacht hatte, doch ist sie dahin zu verstehen, dass das Verfahren bis zur mündlichen Verhandlung vor jeder äußeren Beeinflussung zu schützen ist.

81 Ebenso wie die anderen Verfahrensbeteiligten muss nämlich die Kommission ihren Standpunkt geschützt vor jeder äußeren Beeinflussung vortragen und erörtern können, zumal der von ihr vertretene Standpunkt grundsätzlich bezweckt, die ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Die Verwirklichung eines solchen Zwecks verlangt wegen der Natur der oben in Randnr. 63 genannten Interessen, die von der fraglichen Ausnahme geschützt werden sollen, dass ihre Schriftsätze nicht freigegeben werden, bevor sie nicht die Möglichkeit gehabt hat, sie in der mündlichen Verhandlung vor Gericht zu erörtern, und dass sie daher das Recht hat, sie wegen des eventuellen Drucks auf ihre Bediensteten, zu dem eine von ihrer Freigabe ausgelöste öffentliche Debatte führen könnte, vom Zugang der Öffentlichkeit auszunehmen, ohne dass hierfür eine konkrete Prüfung ihres Inhalts erforderlich wäre.

82 Somit ergibt sich, dass, wenn das Verfahren, auf das sich die Schriftsätze, zu denen Zugang begehrt wird, beziehen, noch nicht das Stadium der mündlichen Verhandlung erreicht hat, die Weigerung, diese Schriftsätze freizugeben, als alle darin enthaltenen Informationen umfassend anzusehen ist. Nach der mündlichen Verhandlung ist die Kommission hingegen verpflichtet, jedes angeforderte Dokument konkret daraufhin zu überprüfen, ob es angesichts seines besonderen Inhalts freigegeben werden kann oder ob seine Freigabe das Gerichtsverfahren, auf das es sich bezieht, beeinträchtigen würde.

83 Diesem Ergebnis steht das Vorbringen der Parteien zu dieser Frage nicht entgegen.

84 Erstens kann das Ergebnis, dass bis zur mündlichen Verhandlung die Schriftsätze allgemein und automatisch vom Zugangsrecht auszuschließen sind, nicht, wie die Klägerin vorträgt, dadurch in Frage gestellt werden, dass die Freigabe von Verfahrensvorgängen in einigen Mitgliedstaaten zugelassen und auch in Art. 40 Abs. 2 EMRK vorgesehen ist, der bestimmt, dass „[d]ie beim Kanzler verwahrten Schriftstücke … der Öffentlichkeit zugänglich [sind], soweit nicht der Präsident des Gerichtshofs anders entscheidet“. Die Reichweite dieser Bestimmung wird in Art. 33 der Verfahrensordnung des EGMR festgelegt, der in seinem Abs. 2 die Möglichkeit vorsieht, den Zugang zu einem Dokument aufgrund einiger öffentlicher oder privater Interessen, die genau bezeichnet werden, oder „– soweit der Kammerpräsident es für unbedingt erforderlich hält – wenn unter besonderen Umständen die Öffentlichkeit von Unterlagen die Interessen der Rechtspflege beeinträchtigen würde“, zu verweigern.

85 Hierzu genügt die Feststellung, dass im Gegensatz zu diesen Bestimmungen die Verfahrensregelungen der Gemeinschaftsgerichte kein Recht Dritter auf Zugang zu den von den Verfahrensbeteiligten bei der Kanzlei eingereichten Verfahrensunterlagen vorsehen.

86 Zweitens kann das Ergebnis, dass der Inhalt der angeforderten Schriftsätze konkret geprüft werden muss, wenn sie sich auf eine Rechtssache beziehen, in der die mündliche Verhandlung bereits stattgefunden hat, nicht durch das Vorbringen der Kommission in Frage gestellt werden, sie müsse der Vorgehensweise des Gerichts folgen, bei dem die Rechtssache anhängig sei, so dass sie verpflichtet sei, bei anhängigen Rechtssachen, an denen sie beteiligt sei, den Zugang zu den angeforderten Schriftsätzen bis zum Endurteil zu verweigern.

87 Zwar trifft es zu, dass die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten, was ihre Behandlung durch den Gemeinschaftsrichter angeht, grundsätzlich vertraulich sind. Art. 20 Abs. 2 der Satzung des Gerichtshofs (im Folgenden: Satzung), der nach Art. 53 der Satzung auch für das Gericht gilt, verlangt nämlich nur deren Übermittlung an die Parteien und diejenigen Gemeinschaftsorgane, deren Entscheidungen Gegenstand des Verfahrens sind. Zudem sehen Art. 16 § 5 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 24 § 5 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts die Möglichkeit, Abschriften von Verfahrensschriftstücken zu erhalten, nur für die Parteien vor, und nach Art. 5 Abs. 3 Unterabs. 3 der Dienstanweisung für den Kanzler des Gerichts erster Instanz ist der Zugang Dritter zu Verfahrensvorgängen vom Vorliegen eines berechtigten Interesses abhängig, das ordnungsgemäß zu rechtfertigen ist.

88 Diese Bestimmungen untersagen den Parteien jedoch nicht, ihre eigenen Schriftsätze freizugeben; der Gerichtshof hat nämlich festgestellt, dass es weder einen Grundsatz noch eine Vorschrift gibt, wonach es den Parteien eines Verfahrens erlaubt oder untersagt wäre, ihre eigenen Schriftsätze Dritten zugänglich zu machen, abgesehen von Ausnahmefällen, in denen die Freigabe eines Schriftstücks die ordnungsgemäße Rechtspflege beeinträchtigen könnte, was in der fraglichen Rechtssache nicht der Fall war, und dass es den Parteien grundsätzlich freisteht, ihre eigenen Schriftsätze Dritten zugänglich zu machen (Beschluss Deutschland/Parlament und Rat, oben in Randnr. 42 angeführt, Randnr. 10). Diese Feststellung des Gerichtshofs schließt nicht nur das Bestehen eines absoluten Vertraulichkeitsgrundsatzes aus, sondern bedeutet auch, dass die Freigabe von Schriftsätzen aus anhängigen Rechtssachen nicht zwangsläufig den Grundsatz der geordneten Rechtspflege beeinträchtigt.

89 Diese Bestimmungen schreiben den Organen auch nicht vor, in Bezug auf die Anwendung der Regelungen über den Zugang zu Dokumenten der Vorgehensweise des Gerichts zu folgen, bei dem die Rechtssache anhängig ist, auf die sich die Dokumente beziehen, zu denen Zugang begehrt wird, da der Gerichtshof unter Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 bereits entschieden hat, dass sich aus dem Recht jeder Person auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht nicht zwingend ergibt, dass allein das Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, befugt ist, den Zugang zu den fraglichen Verfahrensunterlagen zu gewähren, zumal die Risiken einer Gefährdung der Unabhängigkeit des Gerichts durch den Verhaltenskodex von 1993 und den auf Gemeinschaftsebene gewährten gerichtlichen Rechtsschutz gegenüber Entscheidungen der Kommission über die Gewährung des Zugangs zu den ihr vorliegenden Dokumenten hinreichend berücksichtigt werden (Urteil Niederlande und van der Wal/Kommission, oben in Randnr. 36 angeführt, Randnrn. 17 und 19). Mangels dafür vorgesehener Sonderregelungen kommt es daher nicht in Betracht, den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 1049/2001 mit dem Argument einzuschränken, dass die oben in Randnr. 87 genannten Verfahrensordnungen den Zugang Dritter nicht regelten und als lex specialis eingriffen (zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. in diesem Sinne Urteil Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnrn. 37, 44 und 46).

90 Schließlich sind die einzigen Verfahrensbestimmungen, die den Parteien eine Freigabe verbieten, Art. 56 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 57 der Verfahrensordnung des Gerichts, wonach, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, der Inhalt der mündlichen Verhandlung nicht veröffentlicht werden darf. Nach Art. 31 der Satzung ist die Verhandlung nämlich öffentlich, es sei denn, dass der Gerichtshof von Amts wegen oder auf Antrag der Parteien aus wichtigen Gründen anders beschließt. Eine solche Bestimmung über den öffentlichen Charakter des Inhalts der mündlichen Verhandlung stellt die Anwendung eines Grundrechts dar, das in Art. 6 Abs. 1 EMRK niedergelegt ist. Nach ständiger Rechtsprechung des EGMR (vgl. EGMR, Urteile Sutter/Schweiz vom 22. Februar 1984, Serie A Nr. 74, § 26, Diennet/Frankreich vom 26. September 1995, Serie A Nr. 325-A, § 33, und Exel/Tschechische Republik vom 5. Juli 2005, § 45) gilt aber:

„Dieser öffentliche Charakter schützt die Streitbeteiligten gegen eine Rechtspflege im Geheimen ohne öffentliche Kontrolle; sie ist auch eines der Mittel, durch das das Vertrauen in die Gerichte aufrechterhalten werden kann. Dadurch, dass sie die Rechtspflege transparent macht, trägt die Öffentlichkeit dazu bei, das Ziel des Art. 6 Abs. 1, nämlich ein faires Verfahren, dessen Garantie einer der wesentlichen Grundsätze jeder demokratischen Gesellschaft im Sinne der Konvention ist, zu erreichen.“

91 Mit der Regelung, dass der Richter ausnahmsweise beschließen kann, eine Verhandlung nicht öffentlich abzuhalten, bestätigt Art. 31 der Satzung, dass eine Freigabe der Schriftsätze, die in der mündlichen Verhandlung bereits öffentlich erörtert wurden und auch Gegenstand einer Zusammenfassung sind, die der Öffentlichkeit zu diesem Anlass zugänglich ist, den ordnungsgemäßen Ablauf des fraglichen Verfahrens grundsätzlich nicht zu beeinträchtigen droht. Sie zeigt zudem, dass der Richter über ein eventuelles – absolutes oder partielles – Vertraulichkeitserfordernis nur vor der mündlichen Verhandlung entscheiden kann, so dass dadurch, dass das Organ den Zugang erst ab der mündlichen Verhandlung gewährt, die praktische Wirksamkeit einer eventuellen Entscheidung des Richters von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei, die mündliche Verhandlung nicht öffentlich abzuhalten, gewahrt wird.

92 Aus alledem folgt, dass die Kommission nicht rechtsfehlerhaft gehandelt hat, als sie die Schriftsätze betreffend die Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, und Kommission/Österreich, C‑203/03, nicht konkret geprüft hat, und dass sie keinen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie ein öffentliches Interesse am Schutz dieser Schriftsätze bejaht hat.

93 Nach Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 war der Zugang zu den von der Klägerin angeforderten Schriftsätzen indes zu gewähren – selbst wenn ihre Freigabe tatsächlich geeignet war, den Schutz der fraglichen Gerichtsverfahren zu beeinträchtigen –, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse ihre Freigabe rechtfertigte.

94 Die Verordnung Nr. 1049/2001 definiert den Begriff des überwiegenden öffentlichen Interesses nicht. Auch ist es bei den von der fraglichen Ausnahme geschützten Interessen – anders als bei den Interessen, die von den in Art. 4 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Ausnahmen geschützt werden, für die der Gesetzgeber selbst eine Interessenabwägung vorgenommen hat – Sache des betreffenden Organs, die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Freigabe und dem Interesse, dem durch eine Verweigerung der Freigabe genügt würde, gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers hierzu, vorzunehmen.

95 Im vorliegenden Fall hat sich die Klägerin auf den Vortrag beschränkt, dass das Recht der Öffentlichkeit, über wichtige Fragen des Gemeinschaftsrechts, z. B. des Wettbewerbsrechts, und über Fragen, an denen ein erkennbares politisches Interesse besteht, was bei Fragen der Fall sei, die in Vertragsverletzungsverfahren aufgeworfen würden, informiert zu werden, gegenüber dem Schutz von Gerichtsverfahren überwiege. Die Kommission hat vorgetragen, dass Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 eine Ausnahme von einer Ausnahme sei und daher, würde sie als Ausdruck des Prinzips der Transparenz systematisch angewandt, die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren jede praktische Wirksamkeit verlieren würde. Mangels eines substantiierten Vorbringens der Klägerin zum Bestehen eines überragenden Bedürfnisses, die Öffentlichkeit über die genannten Fragen zu informieren, war die Kommission in der angefochtenen Entscheidung der Auffassung, dass dem öffentlichen Interesse am besten gedient sei, wenn der ordnungsgemäße Ablauf der fraglichen Gerichtsverfahren geschützt werde.

96 Es steht fest, dass die Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft eine wesentliche Rolle spielt. Es ist Sache der Presse, über alle Fragen von allgemeinem Interesse zu informieren, wozu auch das Verfassen von Berichten und Kommentaren über Gerichtsverfahren gehört, was dazu beiträgt, sie bekannt zu machen, und völlig mit dem oben in Randnr. 90 dargestellten Erfordernis der Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung vereinbar ist. Es steht ebenfalls fest, dass das Recht der Öffentlichkeit auf diese Informationen Ausdruck des Prinzips der Transparenz ist, das durch die gesamten Bestimmungen der Verordnung Nr. 1049/2001 verwirklicht wird, wie sich aus dem zweiten Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, wonach Transparenz eine bessere Beteiligung der Bürger am Entscheidungsprozess ermöglicht, eine größere Legitimität, Effizienz und Verantwortung der Verwaltung ihnen gegenüber gewährleistet und zur Stärkung des Grundsatzes der Demokratie beiträgt.

97 Grundsätzlich muss das in Art. 4 Abs. 2 letzter Satzteil der Verordnung Nr. 1049/2001 genannte überwiegende öffentliche Interesse, das die den Schutz von Gerichtsverfahren beeinträchtigende Freigabe eines Dokuments rechtfertigen kann, von den oben genannten der Verordnung zugrunde liegenden Grundsätzen verschieden sein. Gleichwohl bedeutet die Tatsache, dass ein Antragsteller, wie im vorliegenden Fall, kein von diesen Grundsätzen verschiedenes öffentliches Interesse geltend macht, nicht ohne Weiteres, dass keine Abwägung der beteiligten Interessen erforderlich wäre. Denn die Berufung auf diese Grundsätze kann angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalls so dringend sein, dass sie die Schutzbedürftigkeit der streitigen Dokumente überwiegt.

98 Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Dass sich die Öffentlichkeit über laufende Rechtssachen informieren kann, wird nämlich zum einen dadurch sichergestellt, dass jedes Gerichtsverfahren, sobald es anhängig gemacht worden ist, nach Art. 16 Abs. 6 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs und Art. 24 Abs. 4 der Verfahrensordnung des Gerichts Gegenstand einer Mitteilung im Amtsblatt ist, die auf der EUR‑Lex-Webseite sowie auf der Seite des Gerichtshofs auch über das Internet abrufbar ist und u. a. den Streitgegenstand, den Klageantrag sowie die geltend gemachten Klagegründe und die wesentlichen Argumente enthält. Außerdem wird der Sitzungsbericht, der eine Zusammenfassung des Vorbringens der Parteien enthält, am Tag der mündlichen Verhandlung veröffentlicht, in der im Übrigen das Vorbringen der Parteien öffentlich erörtert wird.

99 Zum anderen hat die Anwendung der Ausnahme zum Schutz der fraglichen Gerichtsverfahren u. a. den Zweck, jede äußere Beeinflussung ihres ordnungsgemäßen Ablaufs zu verhindern. Wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, ist aber das Interesse am Schutz dieses Zwecks unabhängig vom Inhalt der von der Klägerin angeforderten Schriftsätze zwingend zu beachten, da es sich um ein Interesse handelt, dessen Schutz für eine geordnete Rechtspflege erforderlich ist.

100 Daher ist die Kommission zu Recht davon ausgegangen, dass das bestehende Interesse am Schutz der fraglichen Gerichtsverfahren das von der Klägerin geltend gemachte etwaige allgemeine Interesse an der Freigabe überwog. Im Übrigen ist eine solche Beschränkung nicht absolut, da sie für alle Schriftsätze, zu denen der Zugang verweigert wurde, nur bis zur mündlichen Verhandlung gilt.

101 Daraus folgt, dass die Auffassung der Kommission, das von der Klägerin geltend gemachte Interesse habe die Freigabe der fraglichen Schriftsätze nicht rechtfertigen können, nicht auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler beruht.

102 Nach alledem ist der Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich der Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den Rechtssachen Honeywell/Kommission, T‑209/01, General Electric/Kommission, T‑210/01, und Kommission/Österreich, C‑203/03, zurückzuweisen.

– Zur Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in der Rechtssache T‑342/99

103 Zur Weigerung, Zugang zu den Schriftsätzen in der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, zu gewähren, die mit Urteil des Gerichts vom 6. Juni 2002 abgeschlossen wurde, also etwa eineinhalb Jahre vor Erlass der angefochtenen Entscheidung, hat die Kommission in dieser ausgeführt, dass die Schutzbedürftigkeit von Gerichtsverfahren fortbestanden habe, weil sich an jenes Urteil eine Schadensersatzklage gegen sie angeschlossen habe (Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03). Diese Rechtssache, die noch beim Gericht anhängig sei, weise nämlich insofern eine enge Verbindung mit dem durch das genannte Urteil abgeschlossenen Verfahren auf, als ihr Vorbringen zur Verteidigung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, die durch jenes Urteil des Gerichts für nichtig erklärt worden sei, auch Gegenstand der Erörterungen im anhängigen Verfahren sei.

104 Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission ihre Klagebeantwortung in der Rechtssache MyTravel/Kommission, T‑212/03, am 28. Februar 2004 eingereicht hat, die angefochtene Entscheidung aber am 20. November 2003 erlassen wurde. Wie die Kommission selbst in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, hatte sie bei Erlass der angefochtenen Entscheidung noch nicht entschieden, welche Argumente aus den Schriftsätzen der bereits abgeschlossenen Rechtssache sie auch in der anhängigen Rechtssache vortragen würde. Die vollständige Verweigerung des Zugangs zu diesen Schriftsätzen hat also ihren Grund in dem Wunsch der Kommission, sich die Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Argumente für die Verteidigung ihres Standpunkts in der anhängigen Rechtssache offenzuhalten.

105 Eine solche Rechtfertigung ist aber offenkundig nicht als Nachweis geeignet, dass die Verweigerung des Zugangs zu den streitigen Schriftsätzen von der fraglichen Ausnahme gedeckt war, weil die Schriftsätze in ihrer Gesamtheit des Schutzes bedurften, da ihre Freigabe das anhängige Verfahren, das mit dem Verfahren, auf das sie sich beziehen, im Zusammenhang stand, beeinträchtigt hätte.

106 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Schriftsätze, zu denen die Klägerin Zugang begehrt hat, eine Rechtssache betreffen, die durch ein Urteil des Gerichts abgeschlossen wurde. Daher ist ihr Inhalt nicht nur in Form einer Zusammenfassung durch den vom Gericht verfassten Sitzungsbericht veröffentlicht und im Lauf einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erörtert worden, sondern hat auch Eingang in das Urteil des Gerichts gefunden. Da es sich also um Vorbringen handelt, das der Öffentlichkeit, zumindest in Form einer Zusammenfassung, bereits zugänglich ist, ist die von der Kommission geltend gemachte Notwendigkeit, den Zugang zu allen angeforderten Schriftsätzen allein deshalb zu verweigern, weil das darin enthaltene Vorbringen in einer anderen, noch anhängigen Rechtssache erörtert werde, geeignet, den allgemeinen Grundsatz des größtmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der Organe auszuhöhlen. Ein solcher Ansatz führt nämlich zu einer klaren Umkehr der durch die Verordnung Nr. 1049/2001 aufgestellten Regel, nämlich dem Recht auf Zugang, und den Ausnahmen von diesem Recht, die nach der oben in Randnr. 53 angeführten Rechtsprechung eng auszulegen und anzuwenden sind.

107 Als Zweites ist festzustellen, dass es nicht außergewöhnlich ist, dass sich das betreffende Organ in Rechtssachen, die dieselben Parteien betreffen, aber einen unterschiedlichen Gegenstand haben können, oder die unterschiedliche Parteien betreffen, aber denselben Gegenstand haben, auf dasselbe Vorbringen stützt. Der Umstand allein, dass Argumente, die dem Richter bereits in einer abgeschlossenen Rechtssache vorgetragen worden sind, auch in einer ähnlichen Rechtssache oder im Rahmen einer Schadensersatzklage erörtert werden könnten, die von der mit ihrer Nichtigkeitsklage obsiegenden Partei erhoben worden ist, lässt keineswegs auf eine Gefahr der Beeinträchtigung des Ablaufs des noch anhängigen Verfahrens schließen.

108 Die Gründe, die die Kommission zur Rechtfertigung der Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen betreffend die Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, anführt, könnten – würden sie zugelassen – auch in all jenen Fällen gelten, in denen die in den Schriftsätzen einer abgeschlossenen Rechtssache enthaltene Argumentation geeignet ist, auch in einer anhängigen Rechtssache vorgetragen zu werden.

109 Im vorliegenden Fall hat die Kommission, wie oben in Randnr. 104 dargelegt, ferner entschieden, den Zugang zu verweigern, weil sie meinte, frei sein zu müssen, unter den Argumenten in den genannten Schriftsätzen diejenigen auszuwählen, die sie auch in der anhängigen Rechtssache vortragen wollte. Diese Argumentation, die es entgegen Art. 4 Abs. 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 auch unmöglich macht, einen teilweisen Zugang in Betracht zu ziehen, zeigt, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Freigabe des Inhalts der von der Klägerin angeforderten Schriftsätze den ordnungsgemäßen Ablauf des noch beim Gericht anhängigen Verfahrens MyTravel/Kommission, T‑212/03, beeinträchtigen würde.

110 Die behauptete Notwendigkeit, Argumente zu schützen, die gegebenenfalls in einem noch anhängigen Verfahren vorgetragen werden, kann also kein Grund für die Verweigerung des Zugangs zu Schriftsätzen einer Rechtssache sein, die bereits durch ein Urteil des Gerichts abgeschlossen wurde, wenn es an jedweder besonderen Begründung fehlt, mit der gezeigt werden soll, dass die Freigabe der Schriftsätze das anhängige Gerichtsverfahren beeinträchtigen würde. Die von der Kommission geäußerten Bedenken gehen nicht über bloße Behauptungen hinaus und sind daher zu hypothetisch (vgl. in diesem Sinne Urteil VKI, oben in Randnr. 54 angeführt, Randnr. 84).

111 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Kommission einen Beurteilungsfehler begangen hat, als sie den Zugang zu den Schriftsätzen der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, verweigert hat. Dem Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung ist demnach hinsichtlich dieser Weigerung stattzugeben.

Zur auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten

Vorbringen der Parteien

112 Die Klägerin trägt vor, die Kommission könne die Freigabe ihrer Schriftsätze nicht unter Berufung auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten mit der Begründung verweigern, die Schriftsätze seien in Vertragsverletzungsverfahren eingereicht worden, die noch beim Gerichtshof anhängig seien oder mit denen – obgleich durch dessen Urteil abgeschlossen – die Kommission noch befasst sei. Vertragsverletzungsverfahren hätten große politische Bedeutung, so dass das öffentliche Interesse am Zugang zu Dokumenten in diesem Bereich beträchtlich sei und im Laufe der Untersuchung weiter wachse.

113 Da die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten eine starke tatsächliche Komponente enthalte und in erster Linie die Unterdrückung und Verfälschung von Beweismaterial betreffe, vermindere sich die Gefahr der Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses am Schutz von Untersuchungen in dem Maße, in dem Beweise gefunden würden. Dadurch, dass das öffentliche Interesse an der Freigabe beständig steige und das öffentliche Interesse am Schutz der Untersuchungen stetig geringer werde, müssten die Dokumente der Organe aus Vertragsverletzungsverfahren zumindest teilweise oder in einer nicht vertraulichen Fassung freigegeben werden. Die Kommission sei daher gehalten, im Fall der Zugangsverweigerung den Nachweis einer erheblichen Beeinträchtigung des betreffenden öffentlichen Interesses zu erbringen.

114 Der Zeitpunkt, ab dem das öffentliche Interesse an der Freigabe den Schutz der Untersuchungen überwiege, sei der der Klageerhebung beim Gerichtshof, weil in diesem Stadium die Bemühungen um eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits gescheitert seien. Dieser Standpunkt stimme mit dem Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, überein, in dem das Gericht entschieden habe, dass die von der Kommission vor Erhebung der Vertragsverletzungsklage verfassten Dokumente, d. h. im Vorverfahren ergangene Mahnschreiben und mit Gründen versehene Stellungnahmen, vom Zugang der Öffentlichkeit ausgenommen gewesen seien. Es sei außerdem darauf hinzuweisen, dass dieses Urteil den Verhaltenskodex von 1993 betroffen habe und Art. 4 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 bezüglich der Ausnahmen vom Zugangsrecht enger auszulegen sei.

115 Die Kommission macht geltend, Ziel des Vertragsverletzungsverfahrens sei es, dass das nationale Recht in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht gebracht werde, und nicht, die Mitgliedstaaten zu „verfolgen“. Solange der Gerichtshof nicht entschieden habe, sei daher eine gütliche Beilegung möglich, was einen durch Vertraulichkeit geschützten Dialog voraussetze, wie das Gericht im Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt (Randnr. 68), anerkannt habe. Das Vorbringen der Klägerin, dieses Urteil betreffe nur das Vorverfahren, weil die in jener Rechtssache angeforderten Dokumente Mahnschreiben und mit Gründen versehene Stellungnahmen gewesen seien, entbehre jeder Grundlage, da das Gericht betont habe, dass sich das Vertraulichkeitserfordernis auf das gesamte Vertragsverletzungsverfahren bis zum Stadium das Urteils beziehe (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 68).

116 Unter Berufung auf den Anhang II des Zwanzigsten Berichts über die Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts fügt die Kommission hinzu, dass die Statistiken des Jahres 2002 die Effizienz ihres Dialogs mit den Mitgliedstaaten über Vertragsverletzungen zeigten, denn daraus ergebe sich, dass von 361 beim Gerichtshof erhobenen Klagen 69 vor Erlass des Urteils zurückgenommen und 22 Verfahren vor erneuter Befassung des Gerichtshofs nach Art. 228 EG eingestellt worden seien. Da es sich also um einen Dialog handele, der gegebenenfalls bis zur Entscheidung über eine spätere Klage nach Art. 228 EG andauern könne, könne die Verbreitung dieser Argumente das Vertragsverletzungsverfahren beeinträchtigen, indem sie das Vertrauensklima zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten gefährde.

117 Genau um den Zweck, eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits zwischen ihr und den österreichischen Behörden zu erreichen, nicht zu gefährden, sei der Antrag auf Herausgabe ihrer Verfahrensschriftstücke in der noch anhängigen Rechtssache Kommission/Österreich, C‑203/03, abgelehnt worden. Der Zugang zu den Verfahrensschriftstücken in den „Open-Skies“-Rechtssachen sei aus ähnlichen Gründen verweigert worden, da die betreffenden Mitgliedstaaten den Urteilen des Gerichtshofs, mit denen die Vertragsverletzung festgestellt worden sei, noch immer nicht nachgekommen und damit im Zusammenhang stehende Verfahren gegen andere Mitgliedstaaten noch immer anhängig seien.

118 Schließlich gebe es kein überwiegendes öffentliches Interesse, das die Freigabe von Verfahrensschriftstücken aus allen Vertragsverletzungsverfahren verlange, da sonst der Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten jede praktische Wirksamkeit genommen würde. Sie habe zu der Zeit, als die Verordnung Nr. 1049/2001 erlassen worden sei, erklärt, dass sie akzeptiere, „dass die Vertragsverletzungsverfahren nicht ausdrücklich zu den in Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung vorgesehenen Ausnahmen gehören, weil sie der Auffassung ist, dass die vereinbarte Fassung die Beibehaltung der gegenwärtigen Praxis im Hinblick auf die Ausübung ihrer Verantwortung als Hüterin des Gemeinschaftsrechts voraussetzt“ (Protokoll des Rates, 6. Juni 2001, Dok. 9204/01 ADD 1, S. 3). Das zu schützende öffentliche Interesse liege darin, dass sie in der Lage sei, den Mitgliedstaat davon zu überzeugen, dem Gemeinschaftsrecht nachzukommen, was die Erhaltung eines Vertrauensklimas zwischen ihnen und die Verweigerung jedes Zugangs zu Dokumenten vor Abschluss der Rechtssache erfordere.

Würdigung durch das Gericht

119 Es ist daran zu erinnern, dass die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten bereits im Verhaltenskodex von 1993 vorgesehen war. Wie oben in Randnr. 62 zum Schutz von Gerichtsverfahren ausgeführt, bestehen die Unterschiede zwischen dem Verhaltenskodex und der Verordnung Nr. 1049/2001 darin, dass der Verhaltenskodex die Möglichkeit vorsah, ein Dokument vom Zugang der Öffentlichkeit auszunehmen, wenn sich durch dessen Freigabe „eine Beeinträchtigung [von Untersuchungstätigkeiten] ergeben könnte“, während sich die Verordnung Nr. 1049/2001 auf den Fall bezieht, dass durch die Freigabe Untersuchungstätigkeiten „beeinträchtigt würde[n]“, sowie darin, dass der Verhaltenskodex nicht vorsah, dass sich ein überwiegendes öffentliches Interesse gegenüber dem Interesse am Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten durchsetzen kann. Die Verordnung Nr. 1049/2001 enthält allerdings wie der Verhaltenskodex von 1993 keine Definition der Untersuchungstätigkeiten.

120 Nach der zur Zeit der Geltung des Verhaltenskodex von 1993 entwickelten Rechtsprechung zu dieser Ausnahme hat die Kommission sie zu Recht angeführt, um den Zugang zu Dokumenten zu verweigern, die sich auf die Untersuchung eines etwaigen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht beziehen, die zur Einleitung eines Verfahrens nach Art. 226 EG führen konnte (Urteile WWF UK/Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, und Bavarian Lager/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt) oder tatsächlich zur Einleitung eines solchen Verfahrens geführt hat (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt). In diesen Fällen ist die Zugangsverweigerung als gerechtfertigt angesehen worden, weil die Mitgliedstaaten von der Kommission erwarten dürfen, dass sie die Vertraulichkeit hinsichtlich der Untersuchungen wahrt, die zu einem Vertragsverletzungsverfahren führen könnten, auch wenn seit dem Abschluss dieser Untersuchungen einige Zeit verstrichen ist (Urteil WWF UK/Kommission, oben in Randnr. 67 angeführt, Randnr. 63), und selbst nach Anrufung des Gerichtshofs (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 68).

121 Aus der Rechtsprechung ergibt sich somit, dass eine Freigabe von Dokumenten, die sich auf die Untersuchungsphase beziehen, während der Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat den ordnungsgemäßen Ablauf des Vertragsverletzungsverfahrens beeinträchtigen könnte, da dessen Ziel, dem Mitgliedstaat zu ermöglichen, seinen Vertragspflichten freiwillig nachzukommen oder gegebenenfalls seine Auffassung zu rechtfertigen (Urteil des Gerichtshofs vom 29. September 1998, Kommission/Deutschland, C‑191/95, Slg. 1998, I‑5449, Randnr. 44), gefährdet werden könnte (Urteil Bavarian Lager/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 46). Dieses Vertraulichkeitserfordernis besteht, wie das Gericht auch im Rahmen des Verhaltenskodex von 1993 festgestellt hat, selbst nach Anrufung des Gerichtshofs fort, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat, mit denen erreicht werden soll, dass dieser freiwillig den Anforderungen des Vertrags nachkommt, während des Gerichtsverfahrens und bis zur Verkündung des Urteils fortgesetzt werden. Die Wahrung dieses Zwecks – die gütliche Beilegung des Streits zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat vor Erlass des Urteils des Gerichtshofs – rechtfertigt es, den Zugang zu Dokumenten zu verweigern, die im Rahmen des Verfahrens nach Art. 226 EG verfasst wurden (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 68).

122 Hinsichtlich der Frage, ob eine solche Rechtfertigung unabhängig vom Inhalt jedes einzelnen angeforderten Dokuments auf alle Schriftsätze anwendbar ist, die die Kommission in vor dem Gerichtshof anhängigen Vertragsverletzungsverfahren einreicht, ist daran zu erinnern, dass, wie sich aus den Ausführungen oben in Randnr. 73 ergibt, eine konkrete Prüfung des Inhalts jedes angeforderten Dokuments entbehrlich ist, wenn die fraglichen Dokumente offenkundig in ihrer Gesamtheit von einer Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst werden.

123 Das ist der Fall, wenn die angeforderten Schriftsätze die gleiche Art von Informationen enthalten und der betreffende Mitgliedstaat die Vertragsverletzung, auf die sie sich beziehen, bestreitet. Da nämlich die Möglichkeit, den Streit zwischen der Kommission und dem fraglichen Mitgliedstaat gütlich beizulegen, ein wesentlicher Zweck der Untersuchungstätigkeiten der Kommission ist, wenn die Mitgliedstaaten ihren Pflichten aus dem Gemeinschaftsrecht nicht nachkommen, muss die Vertraulichkeit von Verfahrensvorgängen, die für die Erreichung dieses Zwecks erforderlich ist, gewahrt werden können, bis der Gerichtshof über das Vorliegen der fraglichen Vertragsverletzung entscheidet, wodurch der Vorgang in Bezug auf die Folgen abgeschlossen wird, die die von der Kommission durchgeführte Untersuchung haben kann. Da diese Dokumente die Ergebnisse der Untersuchung enthalten, die zum Nachweis der bestrittenen Vertragsverletzung durchgeführt wurde, können sie zudem nur insgesamt von der Ausnahme erfasst sein.

124 Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission geweigert, der Klägerin Zugang zu ihren Schriftsätzen zu gewähren, die zum einen ein Vertragsverletzungsverfahren betrafen, das zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung noch anhängig war (Rechtssache Kommission/Österreich, C‑203/03), so dass sie diese Weigerung ebenfalls auf die Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren stützte, und zum anderen acht ähnliche Vertragsverletzungsverfahren („Open-Skies“-Rechtssachen), in denen der Gerichtshof zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bereits mit den Urteilen vom 5. November 2002 entschieden hatte, denen die betreffenden Mitgliedstaaten allerdings noch nicht nachgekommen waren.

125 Da, wie aus der obigen Randnr. 102 hervorgeht, die Weigerung, Zugang zu den Schriftsätzen in der Rechtssache Kommission/Österreich, C‑203/03, zu gewähren, von der Ausnahme zum Schutz von Gerichtsverfahren erfasst wird, erübrigt sich die Prüfung, ob sie ebenfalls auf die Ausnahme zum Schutz des Zwecks von Untersuchungsaktivitäten gestützt werden konnte. Die Anwendung dieser Ausnahme ist daher nur im Hinblick auf die Verweigerung des Zugangs zu den Schriftsätzen in den „Open-Skies“-Rechtssachen zu prüfen.

126 Alle diese Schriftsätze sind, da sie notwendigerweise die Ergebnisse der Untersuchungen enthalten, die die Kommission durchgeführt hat, um einen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nachzuweisen, eng mit der Einleitung der Vertragsverletzungsverfahren verknüpft, in deren Rahmen sie eingereicht worden sind, und beziehen sich daher auf Untersuchungstätigkeiten im Sinne des Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001.

127 Vor dem Hintergrund, dass jede Ausnahme vom Zugangsrecht, wie oben in Randnr. 53 festgestellt, eng auszulegen und anzuwenden ist, kann jedoch der Umstand allein, dass die angeforderten Dokumente ein geschütztes Interesse betreffen, nicht die Anwendung der geltend gemachten Ausnahme rechtfertigen, sondern die Kommission muss nachweisen, dass deren Freigabe den Schutz des Zwecks ihrer Untersuchungstätigkeiten bezüglich der fraglichen Vertragsverletzungen tatsächlich beeinträchtigen konnte.

128 Das Gericht hat daher zu prüfen, ob die Kommission dadurch einen Beurteilungsfehler begangen hat, dass sie die Verweigerung der Freigabe der Schriftsätze, die sie im Rahmen der fraglichen Vertragsverletzungsklagen eingereicht hatte, als von der in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahme gedeckt angesehen hat.

129 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass sie den Zugang zu diesen Schriftsätzen nicht habe genehmigen können, weil die betreffenden Mitgliedstaaten, obwohl die fraglichen Rechtssachen durch Urteile des Gerichtshofs abgeschlossen gewesen seien, diesen Urteilen noch nicht nachgekommen seien, so dass sie mit diesen Verfahren noch befasst gewesen sei. Die laufenden Verhandlungen mit diesen Mitgliedstaaten mit dem Ziel, diese dazu zu bewegen, den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts freiwillig nachzukommen, würden gefährdet, wenn die von der Klägerin angeforderten Schriftsätze freigegeben würden. Deshalb bleibe der Zweck des Schutzes ihrer Untersuchungstätigkeiten bestehen, solange diese Mitgliedstaaten den Urteilen des Gerichtshofs nicht nachgekommen seien. Sie hat in ihrer Klagebeantwortung ferner ausgeführt, dass Verfahren, die mit den „Open-skies“-Rechtssachen im Zusammenhang stünden, weil sie denselben Gegenstand hätten, gegen andere Mitgliedstaaten eingeleitet worden und noch immer beim Gerichtshof anhängig seien.

130 Die Klägerin tritt der Ansicht der Kommission entgegen und trägt vor, dass das Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, im vorliegenden Fall nicht einschlägig sei, weil es Dokumente betroffen habe, die vor Erhebung der Klage beim Gerichtshof verfasst worden seien, und dass außerdem die Anrufung des Gerichtshofs impliziere, dass die Bemühungen um eine gütliche Beilegung gescheitert seien. Das genannte Urteil beziehe sich ferner auf die Anwendung des Verhaltenskodex von 1993, die Verordnung Nr. 1049/2001 sei hinsichtlich der Ausnahmen zum Zugangsrecht enger auszulegen.

131 Erstens ist festzustellen, dass dem Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, nicht entnommen werden kann, dass allein die vor Anrufung des Gerichtshofs erstellten Dokumente dem Zugang der Öffentlichkeit entzogen werden können. Denn Dokumente wie Mahnschreiben und mit Gründen versehene Stellungnahmen sollen den Streitgegenstand umschreiben, was impliziert, dass sie und die Klage notwendigerweise auf die gleichen Gründe und das gleiche Vorbringen gestützt sein müssen (Urteile des Gerichtshofs vom 14. Juli 1988, Kommission/Belgien, 298/86, Slg. 1988, 4343, Randnr. 10, und vom 1. Februar 2005, Kommission/Österreich, C‑203/03, Slg. 2005, I‑935, Randnr. 28). Wie die Kommission in der angefochtenen Entscheidung geltend gemacht hat, sind die Beweise und das Vorbringen in den Schriftsätzen daher identisch mit denen in den Schriftstücken aus dem Vorverfahren, so dass die von der Klägerin getroffene Unterscheidung der Grundlage entbehrt.

132 Zweitens ist zwar richtig, dass der Zweck, zu einer gütlichen Beilegung zu gelangen, der Grund für die Existenz des Vorverfahrens ist, doch wird, wie die von der Kommission vorgelegten Statistiken zeigen, ein solches Ergebnis oft erst nach der Anrufung des Gerichtshofs erreicht. Es widerspräche daher dem Zweck eines Vertragsverletzungsverfahrens, den betreffenden Mitgliedstaat dazu zu bewegen, das Gemeinschaftsrecht zu beachten, wenn ausgeschlossen würde, dass ein solches Ergebnis nach Klageerhebung eintreten kann. Im Übrigen hat das Gericht in eben diesem Sinne entschieden, als es festgestellt hat, dass das Vertraulichkeitserfordernis selbst nach der Anrufung des Gerichtshofs fortbesteht, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Verhandlungen zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat, mit denen erreicht werden soll, dass dieser freiwillig den Anforderungen des Vertrags nachkommt, während des Gerichtsverfahrens und bis zur Verkündung des Urteils des Gerichtshofs fortgesetzt werden (Urteil Petrie u. a./Kommission, oben in Randnr. 17 angeführt, Randnr. 68).

133 Diesem Ergebnis steht nicht das Vorbringen der Klägerin entgegen, der Grund für das Bestehen der fraglichen Ausnahme liege in der Verhinderung der Verfälschung von Beweisen, und eine solche Gefahr sei nach der Klageerhebung der Kommission beim Gerichtshof sehr viel geringer. Wie sich aus der Formulierung der fraglichen Ausnahme ergibt, soll diese nämlich nicht die Untersuchungstätigkeiten als solche schützen, sondern deren Zweck, der im Fall eines Vertragsverletzungsverfahrens, wie aus der oben in den Randnrn. 120 und 121 angeführten Rechtsprechung folgt, darin besteht, den betreffenden Mitgliedstaat dazu zu bewegen, das Gemeinschaftsrecht zu beachten. Aus diesem Grund können die verschiedenen Untersuchungshandlungen auch weiterhin unter die fragliche Ausnahme fallen, solange dieser Zweck nicht erreicht worden ist, selbst wenn die konkrete Untersuchung oder Inspektion, die zu dem Dokument geführt hat, zu dem Zugang begehrt wird, beendet ist (Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 110, und entsprechend für die Anwendung des Verhaltenskodex von 1993, Urteil des Gerichts vom 13. September 2000, Denkavit Nederland/Kommission, T‑20/99, Slg. 2000, II‑3011, Randnr. 48).

134 Im vorliegenden Fall hatte der Gerichtshof zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung bereits seit etwa einem Jahr die Urteile erlassen, mit denen er die den betreffenden Mitgliedstaaten von der Kommission vorgeworfenen Vertragsverletzungen feststellte. Es kann daher nicht bestritten werden, dass zu diesem Zeitpunkt keine auf den Nachweis der fraglichen Vertragsverletzungen gerichtete Untersuchungstätigkeit mehr stattfand, die durch die Freigabe der angeforderten Dokumente hätte gefährdet werden können.

135 Gleichwohl ist zu prüfen, ob, wie die Kommission vorträgt, Dokumente, die sich auf Untersuchungstätigkeiten beziehen, als von der Ausnahme in Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst angesehen werden können, obwohl die fraglichen Tätigkeiten beendet sind und nicht nur zur Klageerhebung beim Gerichtshof geführt haben, sondern auch zum Erlass von Urteilen durch diesen. Es ist also zu klären, ob der Zweck, eine gütliche Beilegung zu erreichen, wie von der Kommission zur Rechtfertigung der Zugangsverweigerung angeführt, nach Verkündung der Urteile fortbestehen kann, mit denen die Vertragsverletzungen festgestellt werden, für die die Untersuchungstätigkeiten der Kommission durchgeführt worden sind.

136 Im Anschluss an die Urteile, mit denen eine Vertragsverletzung festgestellt wird, haben die betreffenden Mitgliedstaaten nach Art. 228 Abs. 1 EG alle Maßnahmen zu ergreifen, die für die Durchführung der Urteile erforderlich sind. Zwar nennt Art. 228 EG keine Frist, innerhalb deren ein Urteil durchgeführt sein muss, doch verlangt nach ständiger Rechtsprechung das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, dass diese Durchführung sofort in Angriff genommen und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen wird (Urteile des Gerichtshofs vom 4. Juli 2000, Kommission/Griechenland, C‑387/97, Slg. 2000, I‑5047, Randnrn. 81 und 82, und vom 25. November 2003, Kommission/Spanien, C‑278/01, Slg. 2003, I‑14141, Randnrn. 26 und 27). Sobald der Gerichtshof festgestellt hat, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus dem Vertrag verstoßen hat, hat dieser Maßnahmen zu ergreifen, um diesem Urteil nachzukommen, ohne dass dies vom Ergebnis der Verhandlungen mit der Kommission abhängig gemacht werden kann.

137 Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass der betreffende Mitgliedstaat weiter den Vertrag verletzt, auch im Hinblick auf die Befolgung des Urteils des Gerichtshofs, was die Kommission dazu veranlassen kann, nach Art. 228 Abs. 2 EG erneut ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Doch muss die Kommission in einer solchen Situation eine neue Untersuchung durchführen, die ein neues Vorverfahren umfasst und gegebenenfalls zu einer erneuten Anrufung des Gerichtshofs führt. Die Untersuchungstätigkeiten, die zur Klageerhebung nach Art. 228 EG führen, sind also im Vergleich zu denjenigen, die zur Klageerhebung nach Art. 226 EG geführt haben, neu, da sie auf den Nachweis gerichtet sind, dass der durch Urteil des Gerichtshofs festgestellte Verstoß nach Verkündung dieses Urteils fortdauert.

138 Zudem sieht Art. 228 Abs. 2 EG, weil er die Nichtbefolgung eines Urteils des Gerichtshofs betrifft, Mittel vor, die einen säumigen Mitgliedstaat zur Durchführung eines Vertragsverletzungsurteils veranlassen und damit die wirksame Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch diesen Staat gewährleisten sollen. Die in dieser Bestimmung vorgesehenen Maßnahmen – Pauschalbetrag und Zwangsgeld – dienen nämlich beide diesem Zweck, der also darin besteht, auf diesen Staat wirtschaftlichen Zwang auszuüben, der ihn dazu veranlasst, die festgestellte Vertragsverletzung abzustellen (Urteile des Gerichtshofs vom 12. Juli 2005, Kommission/Frankreich, C‑304/02, Slg. 2005, I‑6263, Randnrn. 80 und 91, und vom 14. März 2006, Kommission/Frankreich, C‑177/04, Slg. 2006, I‑2461, Randnrn. 59 und 60).

139 Würde man schließlich anerkennen, dass die verschiedenen Dokumente, die sich auf Untersuchungstätigkeiten beziehen, von der Ausnahme nach Art. 4 Abs. 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst werden, solange nicht alle im Anschluss an diese Verfahren zu ergreifenden Maßnahmen erlassen sind, selbst wenn eine neue Untersuchung erforderlich ist, die eventuell zu einer Klageerhebung nach Art. 228 Abs. 2 EG führt, liefe das darauf hinaus, den Zugang zu diesen Dokumenten von ungewissen Ereignissen wie der Missachtung des Urteils des Gerichtshofs, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wird, durch den betreffenden Mitgliedstaat und der Klageerhebung nach Art. 228 Abs. 2 EG, die im Ermessen der Kommission steht, abhängig zu machen. Jedenfalls würde es sich um zukünftige und nicht sichere Ereignisse handeln, deren Eintritt von der Schnelligkeit und der Sorgfalt der verschiedenen beteiligten Behörden abhinge.

140 Dieses Ergebnis stünde im Widerspruch zu dem Ziel, den größtmöglichen Zugang der Öffentlichkeit zu den Dokumenten der Organe zu gewährleisten, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Ausübung öffentlicher Gewalt wirksamer auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren (vgl. in diesem Sinne Urteil Franchet und Byk/Kommission, oben in Randnr. 53 angeführt, Randnr. 112; zur Anwendung des Verhaltenskodex von 1993 vgl. auch entsprechend Urteile Interporc II, oben in Randnr. 15 angeführt, Randnr. 39, und JT’s Corporation/Kommission, oben in Randnr. 56 angeführt, Randnr. 50).

141 Zu dem in der Klagebeantwortung vorgetragenen Umstand, dass Rechtssachen mit demselben Gegenstand wie dem der „Open-Skies“-Rechtssachen noch immer beim Gerichtshof anhängig seien, genügt zum einen die Feststellung, dass die Kommission nicht erläutert hat, inwiefern die Möglichkeit, mit den von diesen Rechtssachen betroffenen Mitgliedstaaten eine gütliche Beilegung zu erreichen, durch die Freigabe von Schriftsätzen, die sie in Verfahren gegen andere Mitgliedstaaten eingereicht hat, die bereits durch Urteile des Gerichtshofs abgeschlossen wurden, vereitelt werden soll. Zum anderen kann, wie oben in den Randnrn. 106 und 107 festgestellt, die bloße Verknüpfung zwischen zwei oder mehreren Rechtssachen, unabhängig davon, ob sie dieselben Parteien oder denselben Gegenstand haben, für sich allein keine Zugangsverweigerung rechtfertigen, geschweige denn eine eindeutige Umkehr des Verhältnisses zwischen dem Grundsatz des freien Zugangs zu Dokumenten der Organe und den Ausnahmen von diesem Grundsatz, wie sie in der Verordnung Nr. 1049/2001 normiert wurden, bewirken.

142 Aus alledem folgt, dass die Kommission dadurch einen Beurteilungsfehler begangen hat, dass sie den Zugang zu den Dokumenten, die die „Open-Skies“-Rechtssachen betreffen, verweigerte. Dem Antrag auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung ist daher in Bezug auf diese Verweigerung stattzugeben.

Kosten

143 Nach Art. 87 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung kann das Gericht die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da im vorliegenden Fall jede Partei teils obsiegt hat und teils unterlegen ist, trägt jede Partei ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Große Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Entscheidung der Kommission vom 20. November 2003 wird für nichtig erklärt, soweit mit ihr der Zugang zu den Schriftsätzen verweigert worden ist, die die Kommission beim Gerichtshof in den Rechtssachen Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑466/98, Kommission/Dänemark, C‑467/98, Kommission/Schweden, C‑468/98, Kommission/Finnland, C‑469/98, Kommission/Belgien, C‑471/98, Kommission/Luxemburg, C‑472/98, Kommission/Österreich, C‑475/98, und Kommission/Deutschland, C‑476/98, und beim Gericht in der Rechtssache Airtours/Kommission, T‑342/99, eingereicht hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Vesterdorf

Jaeger

Pirrung

Vilaras

Legal

Martins Ribeiro

Cremona

Pelikánová

Šváby

Jürimäe

 

Wahl

Prek

 

Ciucă

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 12. September 2007.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

B. Vesterdorf


* Verfahrenssprache: Englisch. (Quelle: http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=DE&Submit=rechercher&numaff=T-36/04)

]]>
Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:28
EuG: Einstweilige Anordnung gegen Einsicht etc. in beschlagnahmte Dokumente eines (Stern-)Redakteurs http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=15042

BESCHLUSS DES PRÄSIDENTEN DES GERICHTS
15. Oktober 2004(1)


„Vorläufiger Rechtsschutz – Antrag auf einstweilige Anordnung und Aussetzung des Vollzugs“

In der Rechtssache T-193/04 R

Hans-Martin Tillack, Prozessbevollmächtigte: I. Forrester, QC, und die Rechtsanwälte T. Bosly, C. Arhold, N. Flandin, J. Herrlinger und J. Siaens,

Antragsteller,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Docksey und C. Ladenburger als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Antragsgegnerin,

betreffend einen Antrag auf Aussetzung des Vollzugs aller Maßnahmen im Rahmen der vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) angeblich am 11. Februar 2004 bei den belgischen und deutschen Justizbehörden erstatteten Anzeige und auf Anordnung an das OLAF, es zu unterlassen, Dokumente und Informationen, die sich infolge der am 19. März 2004 in der Wohnung und im Büro des Antragstellers vorgenommenen Durchsuchung im Besitz der belgischen Justizbehörden befinden, entgegenzunehmen, einzusehen, zu prüfen oder zur Kenntnis zu nehmen,

erlässt



DER PRÄSIDENT DES GERICHTS ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN


folgenden


Beschluss


Rechtlicher Rahmen
1

Die Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) (ABl. L 136, S. 1) regelt die Kontrollen, Überprüfungen und sonstigen Maßnahmen, die die Bediensteten des Amtes in Ausübung ihrer Befugnisse durchführen.
2

Artikel 10 der Verordnung Nr. 1073/1999 trägt die Überschrift „Übermittlung von Informationen durch das Amt“. Sein Absatz 2 bestimmt:„Unbeschadet der Artikel 8, 9 und 11 übermittelt der Direktor des Amtes den Justizbehörden des betreffenden Mitgliedstaats die bei internen Untersuchungen vom Amt eingeholten Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen. Vorbehaltlich der Untersuchungserfordernisse unterrichtet er gleichzeitig den betreffenden Mitgliedstaat.“
Sachverhalt
3

Der Antragsteller ist Journalist und beim deutschen Magazin Stern beschäftigt.
4

Er verfasste zwei am 28. Februar und 7. März 2002 im Stern veröffentlichte Artikel über mehrere von einem Beamten der Europäischen Gemeinschaften, Herrn Van Buitenen, festgestellte Unregelmäßigkeiten. Diese Artikel ließen erkennen, dass der Antragsteller eine detaillierte Kenntnis des Inhalts eines von Herrn Van Buitenen erstellten Memorandums vom 31. August 2001 (im Folgenden: Van-Buitenen-Memorandum) und zweier vertraulicher interner Vermerke des OLAF vom 31. Januar und vom 14. Februar 2002 über dieses Memorandum (im Folgenden: interne Vermerke) besaß.
5

Am 12. März 2002 leitete das OLAF eine interne Untersuchung nach Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1073/1999 ein, um festzustellen, welche Beamten oder sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften für die Indiskretion verantwortlich waren, durch die das Van-Buitenen-Memorandum und die internen Vermerke bekannt geworden waren.
6

In einer Pressemitteilung vom 27. März 2002, mit der die Einleitung dieser Untersuchung angekündigt wurde, erklärte das OLAF: „Wegen des Verdachts der Weitergabe von vertraulichen Informationen, die aus einem (vorläufigen) Bericht von OLAF stammen, hat das Amt entschieden, gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 eine interne Untersuchung einzuleiten. Diese Untersuchung wird auch dem Vorwurf nachgehen, dass dieses Dokument durch die Bezahlung eines Beamten erhalten wurde.“
7

Der Stern veröffentlichte am 28. März 2002 eine Pressemitteilung, in der er bestätigte, im Besitz des Van-Buitenen-Memorandums und der internen Vermerke zu sein, aber bestritt, dass einer seiner Mitarbeiter einem Beamten oder sonstigen Bediensteten der Kommission für die Beschaffung der Unterlagen Geld gezahlt habe.
8

Nachdem der Antragsteller das OLAF aufgefordert hatte, die gegen ihn erhobenen Bestechungsvorwürfe zurückzunehmen, wandte er sich am 22. Oktober 2002 an den Europäischen Bürgerbeauftragten. Dieser übermittelte am 18. Juni 2003 dem OLAF einen Empfehlungsentwurf, in dem er die Auffassung vertrat, dass die Behauptung von Bestechungsvorwürfen ohne faktische Grundlage in der Pressemitteilung vom 27. März 2002 einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstelle und das OLAF in Erwägung ziehen sollte, die in der Mitteilung genannten Bestechungsvorwürfe zurückzuziehen. In Beantwortung dieser Empfehlung veröffentlichte das OLAF am 30. September 2003 eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Klarstellung von OLAF zu dem Verdacht auf Weitergabe von Informationen“, von der es den Europäischen Bürgerbeauftragten in Kenntnis setzte. Dieser traf seine Entscheidung am 20. November 2003 und machte in seinen Schlussfolgerungen eine kritische Anmerkung.
9

Am 11. Februar 2004 übermittelte das OLAF auf der Grundlage von Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 Informationen über die Ergebnisse der am 12. März 2002 eingeleiteten internen Untersuchung an die Staatsanwaltschaften Brüssel (Belgien) und Hamburg (Deutschland).
10

Infolge dieser Informationsübermittlung wurde in Belgien ein Verfahren wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses eingeleitet. Am 19. März 2004 durchsuchte die belgische Bundespolizei auf Anordnung des Untersuchungsrichters in Brüssel die Wohnung und das Büro des Antragstellers. Zahlreiche Unterlagen und andere ihm gehörende Gegenstände wurden beschlagnahmt. Am 23. März 2004 legte der Antragsteller gegen diese Beschlagnahme Beschwerde beim zuständigen Untersuchungsrichter ein, der diese zurückwies. Der Antragsteller legte im April 2004 gegen diese Entscheidung Berufung vor der Chambre des mises en accusation (Anklagekammer) ein.
Verfahren
11

Der Antragsteller hat mit Klageschrift, die am 1. Juni 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Maßnahme, mit der das OLAF am 11. Februar 2004 den Staatsanwaltschaften Brüssel und Hamburg bestimmte Informationen übermittelt hat (im Folgenden: streitige Maßnahme), und auf Ersatz des aufgrund dieser Entscheidung und der vom OLAF insoweit vorgenommenen Handlungen erlittenen Schadens.
12

Mit besonderem Schriftsatz, der am 4. Juni 2004 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat der Antragsteller gemäß Artikel 243 EG beantragt,


die vollständige oder teilweise Aussetzung des Vollzugs aller Maßnahmen oder Handlungen im Rahmen der vom OLAF am 11. Februar 2004 bei den belgischen und deutschen Justizbehörden erstatteten „Anzeige“ anzuordnen;


dem OLAF aufzugeben, es zu unterlassen, Dokumente und Informationen, die sich infolge der am 19. März 2004 von den belgischen Justizbehörden in der Wohnung und im Büro des Antragstellers vorgenommenen Durchsuchung, die zur Beschlagnahme dieser Unterlagen, seines Computers und anderer Dinge geführt hat, im Besitz dieser Justizbehörden befinden, entgegenzunehmen, einzusehen, zu prüfen oder zur Kenntnis zu nehmen;


bis zur Fortsetzung des Verfahrens und bis zum Eingang der Erklärungen des OLAF mit sofortiger Wirkung anzuordnen, dass das OLAF vorbehaltlich der Entscheidung des Präsidenten des Gerichts über die vorstehenden Anträge von jeder Maßnahme in Bezug auf seine Anzeigen vom 11. Februar 2004 absieht;


der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;


jede andere für sachdienlich gehaltene Maßnahme anzuordnen.
13

Die Fédération internationale des journalistes (Internationaler Journalistenverband, FIJ) hat mit Schriftsatz, der am 17. Juni 2004 bei der Kanzlei eingegangen ist, ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Antragstellers beantragt.
14

Die Kommission hat am 21. Juni 2004 ihre schriftliche Stellungnahme zum Antrag auf einstweilige Anordnung eingereicht.
15

Der Antragsteller hat am 28. Juni 2004 seine Stellungnahme zum Streithilfeantrag der FIJ eingereicht. Die Kommission hat nicht innerhalb der ihr gesetzten Frist Stellung genommen.
16

Am 19. Juli 2004 hat in Gegenwart des Antragstellers und der Kommission ein informelles Treffen vor dem Richter der einstweiligen Anordnung stattgefunden. Bei diesem Treffen haben die Parteien zugesagt, die Möglichkeit einer gütlichen Beilegung des Rechtsstreits zu prüfen. Mit Schreiben, das am 30. Juli 2004 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat die Kommission zur Möglichkeit einer gütlichen Beilegung Stellung genommen. Am 9. August 2004 hat der Antragsteller seine Antwort auf die Stellungnahme der Kommission eingereicht.
17

In Anbetracht der Stellungnahmen der Kommission und des Antragstellers hat der Richter der einstweiligen Anordnung die Streithelferin aufgefordert, schriftlich zum Antrag auf einstweilige Anordnung Stellung zu nehmen.
18

Die Streithelferin hat ihre Stellungnahme am 7. September 2004 eingereicht.
19

Der Antragsteller und die Kommission haben am 14. und 15. September 2004 ihre Stellungnahme zum Streithilfeschriftsatz der FIJ eingereicht.
Entscheidungsgründe
20

Nach den Artikeln 242 EG und 243 EG sowie nach Artikel 225 Absatz 1 EG kann das Gericht, wenn es dies den Umständen nach für nötig hält, die Durchführung der angefochtenen Handlung aussetzen oder die erforderlichen einstweiligen Anordnungen treffen.
21

Nach Artikel 104 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts muss ein Antrag auf einstweilige Anordnung die Umstände anführen, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt; ferner ist die Notwendigkeit der beantragten Anordnung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht glaubhaft zu machen (Fumus boni iuris). Diese Voraussetzungen sind kumulativ, so dass ein Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen ist, sofern eine von ihnen fehlt (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1996 in der Rechtssache C?268/96 P[R], SCK und FNK/Kommission, Slg. 1996, I?4971, Randnr. 30). Der Richter der einstweiligen Anordnung nimmt gegebenenfalls auch eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vor (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 23. Februar 2001 in der Rechtssache C?445/00 R, Österreich/Rat, Slg. 2001, I?1461, Randnr. 73).Zum Streithilfeantrag
22

Nach Artikel 40 Absatz 2 der Satzung des Gerichtshofes, der gemäß Artikel 53 Absatz 1 der Satzung auf das Gericht Anwendung findet, können Privatpersonen einem Rechtsstreit beitreten, wenn sie ein berechtigtes Interesse am Ausgang dieses Rechtsstreits glaubhaft machen.
23

Unter einem berechtigten Interesse am Ausgang des Rechtsstreits ist ein unmittelbares und gegenwärtiges Interesse daran zu verstehen, dass den Anträgen der Partei stattgegeben wird, die der Streithelfer unterstützen will (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 6. März 2003 in der Rechtssache C?186/02 P, Ramondín und Ramondín Cápsulas/Kommission, Slg. 2003, I?2415, Randnr. 7). Insoweit ist für die Zulassung einer Streithilfe zu prüfen, ob der Streithelfer von der angefochtenen Handlung unmittelbar betroffen ist und sein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits erwiesen ist (vgl. Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 17. Juni 1997 in den Rechtssachen C?151/97 P[I] und C?157/97 P[I], National Power und PowerGen/British Coal und Kommission, Slg. 1997, I?3491, Randnr. 53).
24

Nach ständiger Rechtsprechung werden Vereinigungen als Streithelfer zugelassen, wenn ihr Ziel der Schutz ihrer Mitglieder in Rechtssachen ist, die Grundsatzfragen aufwerfen, die sich auf diese Mitglieder auswirken können (vgl. Beschluss National Power und PowerGen/British Coal und Kommission, Randnr. 66, Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 28. September 1998 in der Rechtssache C?151/98 P, Pharos/Kommission, Slg. 1998, I?5441, Randnr. 6, und Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 28. Mai 2001 in der Rechtssache T?53/01 R, Poste Italiane/Kommission, Slg. 2001, II?1479, Randnr. 51). Insbesondere kann eine Vereinigung als Streithelferin in einer Rechtssache zugelassen werden, wenn sie eine beträchtliche Zahl in dem betreffenden Bereich tätiger Unternehmen vertritt, ihre Ziele den Schutz der Interessen ihrer Mitglieder einschließen, die Rechtssache Grundsatzfragen aufwerfen kann, die das Funktionieren des betreffenden Sektors berühren, und damit die Interessen ihrer Mitglieder durch das zu erlassende Urteil oder den zu erlassenden Beschluss in erheblichem Maße beeinträchtigt werden können (vgl. in diesem Sinne Beschluss des Gerichts vom 8. Dezember 1993 in der Rechtssache T?87/92, Kruidvat/Kommission, Slg. 1993, II?1375, Randnr. 14).
25

Schließlich ist festzustellen, dass eine weite Auslegung des Beitrittsrechts in Bezug auf Vereinigungen es ermöglichen soll, den Rahmen der Rechtssachen besser zu beurteilen und zugleich eine Vielzahl individueller Beitritte, die die Wirksamkeit und den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens beeinträchtigen könnten, zu vermeiden (vgl. Beschluss National Power und PowerGen/British Coal und Kommission, Randnr. 66).
26

Die FIJ beantragt ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Antragstellers. Sie trägt dazu vor, sie sei eine als internationale Vereinigung ohne Erwerbszweck organisierte internationale Gewerkschaft mit zahlreichen Mitgliedern, ihre Ziele und Tätigkeiten umfassten die Vertretung ihrer Mitglieder sowie die weltweite Verteidigung der beruflichen und sozialen Rechte der Journalisten und die vorliegende Rechtssache werfe Grundsatzfragen auf, die ihre Mitglieder beeinträchtigen könnten.
27

Der Antragsteller erklärt, er habe keine Einwände gegen den Antrag der FIJ. Die Kommission hat keine Stellungnahme eingereicht.
28

Zunächst ist festzustellen, dass die FIJ, ohne dass der Antragsteller oder die Kommission widersprochen hätte, angegeben hat, sie vertrete über 500 000 Mitglieder aus 109 Ländern. Die FIJ kann also als Vertreterin einer beträchtlichen Zahl von Mitgliedern in dem betreffenden Bereich angesehen werden.
29

Was sodann die Ziele der FIJ betrifft, so gibt Section 3 ihrer Satzung diese mit „Schutz und Stärkung der Rechte und Freiheiten der Journalisten“ sowie „Einhaltung und Verteidigung der Informationsfreiheit, der Medienfreiheit und der Unabhängigkeit des Journalismus, insbesondere durch Untersuchung und Kontrolle von Verstößen gegen die Rechte der Journalisten und durch Aktionen für die Verteidigung des Journalisten und seiner Arbeit“, an.
30

Schließlich wirft die vorliegende Rechtssache u. a. die Frage auf, ob die Übermittlung von Informationen, die zur Offenbarung bestimmter journalistischer Quellen führen können, durch eine Gemeinschaftseinrichtung an nationale Behörden im Rahmen von Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 unter bestimmten Umständen als rechtswidrig anzusehen ist und ob eine solche Übermittlung geeignet ist, der Karriere und dem Ansehen des Journalisten, der diese Quellen genutzt hat, einen Schaden zuzufügen, der im Rahmen einer Schadensersatzklage ausgeglichen werden kann. Insbesondere stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen der Richter der einstweiligen Anordnung veranlasst sein könnte, einem Gemeinschaftsorgan im Rahmen vorläufiger Maßnahmen aufzugeben, in Bezug auf ein von nationalen Justizbehörden eingeleitetes Ermittlungsverfahren den geringsten Kontakt mit diesen Behörden zu unterlassen. Da die Position, die der Richter der einstweiligen Anordnung zu diesen Fragen einnehmen könnte, potenziell die Tragweite des Grundsatzes des Schutzes journalistischer Quellen betrifft, kann sie die Arbeitsbedingungen der Mitglieder der FIJ berühren.
31

Da somit die Interessen der FIJ durch die Stellungnahme des Richters der einstweiligen Anordnung berührt werden können, ist dem Streithilfeantrag der FIJ stattzugeben.Zur Frage, ob die Nichtigkeitsklage auf den ersten Blick zulässig ist
32

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Zulässigkeit der Klage grundsätzlich nicht im Verfahren der einstweiligen Anordnung zu prüfen, um der Entscheidung zur Hauptsache nicht vorzugreifen. Wenn jedoch die offensichtliche Unzulässigkeit der Klage, mit der der Antrag auf einstweilige Anordnung zusammenhängt, geltend gemacht wird, kann es sich als notwendig erweisen, Anhaltspunkte festzustellen, aus denen auf den ersten Blick auf die Zulässigkeit einer solchen Klage geschlossen werden kann (vgl. Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 27. Januar 1988 in der Rechtssache 376/87 R, Distrivet/Rat, Slg. 1988, 209, Randnr. 21, und des Präsidenten des Gerichts vom 11. April 2003 in der Rechtssache T?392/02 R, Solvay Pharmaceuticals/Rat, Slg. 2003, II?1825, Randnr. 53).
33

Somit ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte vorliegen, aus denen auf den ersten Blick auf die Zulässigkeit der vom Antragsteller erhobenen Nichtigkeitsklage geschlossen werden kann.Vorbringen der Parteien
34

Die Kommission ist der Ansicht, die Nichtigkeitsklage sei offensichtlich unzulässig. Die streitige Maßnahme sei keine anfechtbare Handlung. Die Klage betreffe nämlich die vom OLAF an die belgischen und deutschen Behörden gerichteten Schreiben, mit denen das OLAF ihnen lediglich die Informationen übermittelt habe, die bei internen Untersuchungen von ihm über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen eingeholt worden seien. Die Übermittlung dieser Informationen habe keine verbindlichen Rechtswirkungen, die die Interessen des Antragstellers beeinträchtigen könnten, indem sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise veränderten. Bestätigt werde diese Auffassung auch durch das Urteil des Gerichts vom 15. Januar 2003 in den Rechtssachen T?377/00, T?379/00, T?380/00, T?260/01 und T?272/01 (Philip Morris International/Kommission, Slg. 2003, II?1) sowie durch die Beschlüsse des Gerichts vom 18. Dezember 2003 in der Rechtssache T?215/02 (Gómez Reino/Kommission, Slg. 2003, II-0000) und vom 13. Juli 2004 in der Rechtssache T?29/03 (Comunidad Autónoma de Andalucía/Kommission, Slg. 2004, II-0000).
35

Der Antragsteller macht geltend, die Handlungen der belgischen Behörden ergäben sich unmittelbar aus der Entscheidung des OLAF, gegen ihn Anzeige zu erstatten. Das OLAF sei eine besonders wichtige Einrichtung, deren Handlungen von den Mitgliedstaaten mit größter Entschiedenheit unterstützt würden. Es hätte als Verletzung der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit gemäß Artikel 10 EG durch Belgien aufgefasst werden können, wenn einem Ersuchen des OLAF um Beschlagnahme von „Beweisstücken“ nicht entsprochen worden wäre.
36

Gegenwärtig bestehe in Belgien kein sicherer Rechtsbehelf, mit dem verhindert werden könnte, dass das OLAF Zugang zu den beschlagnahmten Unterlagen erhalte. Das OLAF sei nicht daran gehindert, sich an dem Verfahren vor den belgischen Behörden als Zivilpartei zu beteiligen und Zugang zu den bei den Durchsuchungen beschlagnahmten Unterlagen und Informationen zu beantragen. Das OLAF könne sogar noch vor Anklageerhebung durch die belgischen Behörden beim belgischen Generalstaatsanwalt Einsichtnahme in die Akten beantragen, und der Generalstaatsanwalt würde einem solchen Antrag wahrscheinlich entsprechen, auch wenn er insoweit über ein gewisses Ermessen verfüge. Folglich erfordere die vorliegende Rechtssache eine Rechtskontrolle auf Gemeinschaftsebene (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 23. April 1986 in der Rechtssache 294/83, Les Verts/Parlament, Slg. 1986, 1339, Randnr. 23, und vom 27. September 1988 in der Rechtssache 302/87, Parlament/Rat, Slg. 1988, 5615, Randnr. 20).
37

Die FIJ hält die Nichtigkeitsklage aus den gleichen Gründen wie der Antragsteller für vollständig zulässig.Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung
38

Es ist daran zu erinnern, dass Handlungen oder Entscheidungen, gegen die die Nichtigkeitsklage gegeben ist, nur diejenigen Maßnahmen sind, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen, indem sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise verändern (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9, und vom 23. November 1995 in der Rechtssache C?476/93 P, Nutral/Kommission, Slg. 1995, I?4125, Randnrn. 28 und 30, sowie Urteile des Gerichts vom 15. September 1998 in der Rechtssache T?54/96, Oleifici Italiani und Fratelli Rubino/Kommission, Slg. 1998, II?3377, Randnr. 48, und vom 22. März 2000 in den Rechtssachen T?125/97 und T?127/97, Coca-Cola/Kommission, Slg. 2000, II?1733, Randnr. 77).
39

Die im vorliegenden Fall angefochtene Handlung ist die Maßnahme, mit der das OLAF den belgischen und deutschen Behörden gemäß Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 Informationen übermittelt hat.
40

Nach dieser Bestimmung „übermittelt der Direktor des Amtes den Justizbehörden des betreffenden Mitgliedstaats die bei internen Untersuchungen vom Amt eingeholten Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen“.
41

Außerdem heißt es in der 13. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1073/1999: „Es obliegt den zuständigen einzelstaatlichen Behörden sowie gegebenenfalls den Organen, Einrichtungen sowie Ämtern und Agenturen, auf der Grundlage des von dem Amt erstellten Berichts Folgemaßnahmen zu den abgeschlossenen Untersuchungen zu beschließen.“
42

Darüber hinaus ist festzustellen, dass sich der Direktor des OLAF in seinem Übermittlungsschreiben vom 11. Februar 2004 wie folgt ausgedrückt hat:„… Auf der Grundlage von Artikel 10 [Absatz] 2 der Verordnung [Nr.] 1073/1999 … und im Hinblick auf die eventuelle Einleitung eines Ermittlungsverfahrens finden Sie anliegend den Zwischenbericht zu dem im Betreff genannten Fall, der Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen enthält.“
43

Die Verordnung Nr. 1073/1999 und das Übermittlungsschreiben vom 11. Februar 2004 stützen also keineswegs den Standpunkt des Antragstellers, sondern zeigen, dass die Übermittlung von Informationen durch das OLAF an die nationalen Justizbehörden diesen gegenüber keinerlei verbindliche Rechtswirkungen hat und diese Behörden frei über das weitere Vorgehen entscheiden können.
44

Was die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit nach Artikel 10 EG angeht, so verlangt sie zwar von den nationalen Justizbehörden eine ernsthafte Befassung mit einer Informationsübermittlung durch das OLAF nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999. Sie zwingt die nationalen Behörden jedoch nicht zu bestimmten Schritten, wenn sie der Auffassung sind, dass die vom OLAF übermittelten Informationen diese Schritte nicht rechtfertigen. Somit beruht die von den nationalen Behörden gegebenenfalls getroffene Entscheidung, auf die Informationsübermittlung durch das OLAF hin tätig zu werden, auf der eigenständigen Ausübung der Befugnisse, die diesen Behörden übertragen sind.
45

Was in dieser Hinsicht das Argument des Anspruchs auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz betrifft, so hat der Antragsteller nicht dargelegt, was ihn daran hindern würde, die Anordnung einer Durchsuchung seiner Wohn- und Arbeitsräume durch die nationalen Justizbehörden anzufechten. Vielmehr ergibt sich aus den Erklärungen des Antragstellers eindeutig, dass er eine Beschwerde gegen die Entscheidung des mit der Sache befassten Untersuchungsrichters eingelegt hat und dass derzeit auf nationaler Ebene gerichtliche Verfahren anhängig sind. In Anbetracht der Rechtsbehelfe, die dem Antragsteller somit auf nationaler Ebene zur Verfügung stehen, braucht deshalb nicht geprüft zu werden, ob der Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz in Ausnahmefällen eine Gemeinschaftshandlung anfechtbar machen kann, die sonst nicht anfechtbar wäre.
46

Da die Entscheidung des OLAF, den nationalen Justizbehörden den in Rede stehenden Bericht zu übermitteln, keine verbindlichen Rechtswirkungen hat, stellt sie keine anfechtbare Handlung dar.
47

Folglich bestehen in diesem Stadium keine Anhaltspunkte, die die Annahme erlauben, dass die Nichtigkeitsklage auf den ersten Blick zulässig ist.
48

Demnach werden nur die Argumente des Antragstellers in Bezug auf seine Schadensersatzklage vom Richter der einstweiligen Anordnung geprüft.Fumus boni iuris Vorbringen der Parteien
49

Um darzutun, dass seine Schadensersatzklage begründet ist, trägt der Antragsteller vor, „[die streitige Maßnahme], [d]ie Pressemitteilungen vom März 2002 und September 2003, die gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Verhältnismäßigkeit … verstoßen sowie [d]ie späteren öffentlichen Verlautbarungen über das gegen den Antragsteller anhängige Verfahren haben Ansehen und Ruf des Antragstellers bei seinen Kollegen bereits ernsthaft geschädigt“.
50

Er habe „mindestens in zweierlei Hinsicht einen schweren Schaden erlitten“. Erstens sei für ihn „die Beschaffung von Informationen bei den Quellen, auf die er sich bei seiner Arbeit stütze, viel schwieriger geworden“. Zweitens sei „der Verkauf seiner Artikel an Tageszeitungen und Magazine wesentlich erschwert“, und die „Handlungen des OLAF haben [s]einen Berufsweg und [s]eine Entwicklungsmöglichkeiten bereits erheblich beeinträchtigt“. Dieser Schaden sei „unmittelbar durch die rechtswidrigen Handlungen des OLAF verursacht“, und diese Aspekte des Rechtsstreits seien „eingehend in der Klageschrift geschildert“.
51

Die Kommission macht geltend, der Antragsteller habe nicht dargetan, dass die Voraussetzung des Fumus boni iuris vorliegend erfüllt sei.Würdigung durch den Richter der einstweiligen Anordnung
52

Nach ständiger Rechtsprechung ist die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft nach Artikel 288 Absatz 2 EG von mehreren Voraussetzungen abhängig, nämlich dass die Rechtsnorm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, dass der Verstoß hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen dem Verstoß gegen die dem Urheber des Rechtsakts obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C?352/98 P, Bergaderm und Goupil/Kommission, Slg. 2000, I?5291, Randnrn. 41 und 42, und vom 10. Dezember 2002 in der Rechtssache C?312/00 P, Kommission/Camar und Tico, Slg. 2002, I?11355, Randnr. 53). Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, so ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft geprüft zu werden brauchten (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 14. Oktober 1999 in der Rechtssache C?104/97 P, Atlanta/Europäische Gemeinschaft, Slg. 1999, I?6983, Randnr. 65).
53

Was die zweite Voraussetzung angeht, so besteht das entscheidende Kriterium für einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht darin, dass das betreffende Gemeinschaftsorgan die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Verfügt dieses Organ nur über einen erheblich verringerten oder auf null reduzierten Ermessensspielraum, so kann die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß zu begründen (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C?5/94, Hedley Lomas, Slg. 1996, I?2553, Randnr. 28, vom 8. Oktober 1996 in den Rechtssachen C?178/94, C?179/94 und C?188/94 bis C?190/94, Dillenkofer u. a., Slg. 1996, I?4845, Randnr. 25, vom 2. April 1998 in der Rechtssache C?127/95, Norbrook Laboratories, Slg. 1998, I?1531, Randnr. 109, vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C?424/97, Haim, Slg. 2000, I?5123, Randnr. 38, und Bergaderm und Goupil/Kommission, Randnrn. 43 und 44).
54

Was die dritte Voraussetzung hinsichtlich des Kausalzusammenhangs betrifft, so muss nach ständiger Rechtsprechung ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen dem angeblichen Fehler des betreffenden Organs und dem geltend gemachten Schaden bestehen, den der Kläger zu beweisen hat (vgl. Urteil des Gerichts vom 24. April 2002 in der Rechtssache T?220/96, EVO/Rat und Kommission, Slg. 2002, II?2265, Randnr. 41, und die dort zitierte Rechtsprechung). Außerdem muss das fehlerhafte Verhalten des betreffenden Organs die ausschlaggebende Ursache für diesen Schaden sein (vgl. Beschluss des Gerichts vom 12. Dezember 2000 in der Rechtssache T?201/99, Royal Olympic Cruises u. a./Rat und Kommission, Slg. 2000, II?4005, Randnr. 26, im Rechtsmittelverfahren bestätigt durch Beschluss des Gerichtshofes vom 15. Januar 2002 in der Rechtssache C?49/01 P, Royal Olympic Cruises u. a./Rat und Kommission, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).
55

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Antrag auf einstweilige Anordnung, dass der Antragsteller im Rahmen seiner Klage den Ersatz des Schadens verlangt, den er angeblich aufgrund der Beeinträchtigung seiner Karriere, seines Ansehens und seines Rufes erlitten hat. Aus seinem Antrag scheint außerdem hervorzugehen, dass dieser Schaden aus zwei Faktoren erwächst, nämlich zum einen aus der streitigen Maßnahme und zum anderen aus der Veröffentlichung der Pressemitteilungen des OLAF im März 2002 und September 2003.
56

Was erstens den Schaden betrifft, der sich angeblich aus der streitigen Maßnahme ergibt, so erklärt der Antragsteller nicht, worin auf den ersten Blick ein Kausalzusammenhang zwischen dem der Kommission vorgeworfenen Verhalten, nämlich der bloßen Übermittlung von Informationen an die nationalen Behörden durch das OLAF, und dem ihm angeblich entstandenen Schaden bestehen soll.
57

Das Fehlen von Erläuterungen zu diesem Punkt wiegt umso schwerer, als oben in Randnummer 46 bereits festgestellt worden ist, dass die bloße Übermittlung des in Rede stehenden Berichts an die nationalen Behörden keine verbindlichen Rechtswirkungen für diese Behörden hatte, die über das weitere Vorgehen frei entscheiden konnten.
58

Es ist klar, dass der Antragsteller den behaupteten Schaden nicht erlitten hätte, wenn die nationalen Behörden nicht beschlossen hätten, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Es fehlt daher am Kausalzusammenhang zwischen dem der Kommission vorgeworfenen Verhalten und dem Schaden, den der Antragsteller angeblich erlitten hat.
59

Somit ist festzustellen, dass der Antragsteller nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass die streitige Maßnahme die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft auslöst, ohne dass noch geprüft werden müsste, ob er dargetan hat, dass ihm ein wie auch immer gearteter Schaden entstanden ist.
60

Was zweitens den Schaden betrifft, den der Antragsteller angeblich aufgrund der Veröffentlichung der Pressemitteilungen vom März 2002 und September 2003 durch das OLAF erlitten hat, so enthält der Antrag auf einstweilige Anordnung keine rechtlichen oder tatsächlichen Anhaltspunkte, die es dem Richter der einstweiligen Anordnung ermöglichen würden, die Frage zu beurteilen, warum das vorgeworfene Verhalten gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Verhältnismäßigkeit verstößt. Ohne dass geprüft werden müsste, ob diese beiden Grundsätze im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (vgl. oben, Randnr. 52, und u. a. Urteil des Gerichts vom 6. Dezember 2001 in der Rechtssache T?196/99, Area Cova u. a./Rat und Kommission, Slg. 2001, II?3597, Randnr. 43), genügt die Feststellung, dass der bloße Umstand, auf den sich der Antragsteller beruft, dass der Europäische Bürgerbeauftragte im Jahr 2003 einen „Missstand in der Verwaltungstätigkeit“ festgestellt hat, nicht bedeutet, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, wie er vom Gemeinschaftsrichter ausgelegt worden ist, vorläge. Auch ist daran zu erinnern, dass der Sachverhalt, von dem der Europäische Bürgerbeauftragte bei Erlass seiner endgültigen Entscheidung am 20. November 2003 Kenntnis hatte, nicht notwendig dem entspricht, mit dem das Gericht nunmehr befasst ist.
61

Im Übrigen enthält der Antrag auf einstweilige Anordnung, auch wenn das in Rede stehende Verhalten rechtswidrig wäre, keine Angaben, die dem Richter der einstweiligen Anordnung die Beurteilung der Frage ermöglichen würden, inwiefern die Veröffentlichung der Pressemitteilungen im März 2002 und September 2003 als „hinreichend qualifizierter Verstoß“ bezeichnet werden könnte, der die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft auslösen kann (vgl. oben, Randnr. 53).
62

Aus alledem ergibt sich, ohne der Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache vorzugreifen, dass der Antragsteller nicht rechtlich hinreichend nachgewiesen hat, dass seine Nichtigkeitsklage nicht offensichtlich unbegründet ist.
63

Unter diesen Umständen ist der Antrag auf einstweilige Anordnung zurückzuweisen, ohne dass noch geprüft werden müsste, ob die anderen Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erfüllt sind.

Aus diesen Gründen

hat



DER PRÄSIDENT DES GERICHTS



beschlossen:


1.
Der Antrag auf einstweilige Anordnung wird zurückgewiesen.


2.
Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.
Luxemburg, den 15. Oktober 2004

Der Kanzler

Der Präsident

H. Jung

B. Vesterdorf


 

1
Verfahrenssprache: Englisch.

Quelle: http://www.curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de&Submit=

Suchen&alldocs=alldocs&docj=docj&docop=docop&docor=docor&docjo=docjo&numaff=

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:26
EuG: Durchsuchung der Wohnung und des Büros eines (Stern-)Redakteurs http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=14942

URTEIL DES GERICHTS (Vierte Kammer)

4. Oktober 2006(*)

„Untersuchung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) wegen Weitergabe vertraulicher Informationen – Verdacht der Bestechung und der Verletzung des Berufsgeheimnisses – Übermittlung von Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen an nationale Justizbehörden – Durchsuchung der Wohnung und des Büros eines Journalisten – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Schadensersatzklage – Kausalzusammenhang – Hinreichend qualifizierter Verstoß“

In der Rechtssache T 193/04

Hans-Martin Tillack, wohnhaft in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: I. Forrester, QC, Rechtsanwälte T. Bosly, C. Arhold, N. Flandin, J. Herrlinger und J. Siaens,

Kläger,

unterstützt durch

International Federation of Journalists (IFJ) mit Sitz in Brüssel (Belgien), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte A. Bartosch und T. Grupp,

Streithelferin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Docksey und C. Ladenburger als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Nichtigerklärung der Maßnahme vom 11. Februar 2004, mit der das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) den deutschen und den belgischen Justizbehörden Informationen über einen Verdacht auf Verletzung des Berufsgeheimnisses und Bestechung übermittelt hat, und wegen Ersatzes des immateriellen Schadens, den der Kläger aufgrund dieser Übermittlung von Informationen und der Veröffentlichung von Pressemitteilungen durch das OLAF erlitten hat,

erlässt


DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten H. Legal sowie der Richterin P. Lindh und des Richters V. Vadapalas,

Kanzler: J. Plingers, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2006

folgendes

Urteil

Rechtlicher Rahmen

1 Das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF), das durch den Beschluss 1999/352/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 28. April 1999 (ABl. L 136, S. 20) errichtet wurde, wird u. a. mit der Durchführung interner Verwaltungsuntersuchungen beauftragt, die dazu dienen, schwerwiegende Handlungen im Zusammenhang mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeiten aufzudecken, die eine Verletzung der Verpflichtungen der Beamten und Bediensteten der Gemeinschaften, die disziplinarrechtlich und gegebenenfalls strafrechtlich geahndet werden kann, darstellen können.

2 Die Verordnung (EG) Nr. 1073/1999 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 über die Untersuchungen des OLAF (ABl. L 136, S. 1) regelt die Kontrollen, Überprüfungen und sonstigen Maßnahmen, die die Bediensteten des OLAF in Ausübung ihrer Befugnisse durchführen.

3 Die 13. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1073/1999 lautet:

„Es obliegt den zuständigen einzelstaatlichen Behörden sowie gegebenenfalls den Organen, Einrichtungen sowie Ämtern und Agenturen, auf der Grundlage des von dem [OLAF] erstellten Berichts Folgemaßnahmen zu den abgeschlossenen Untersuchungen zu beschließen. Der Direktor des [OLAF] sollte verpflichtet werden, den Justizbehörden des betroffenen Mitgliedstaats unmittelbar alle Informationen zu übermitteln, die das [OLAF] bei internen Untersuchungen über strafrechtlich relevante Sachverhalte zusammengetragen hat.“

4 Artikel 6, „Durchführung der Untersuchungen“, der Verordnung Nr. 1073/1999 sieht in Absatz 6 vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … dafür Sorge [tragen], dass ihre zuständigen Behörden gemäß den einzelstaatlichen Bestimmungen den Bediensteten des [OLAF] bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die erforderliche Unterstützung zukommen lassen“.

5 Artikel 9, „Untersuchungsberichte und Folgemaßnahmen“, der Verordnung Nr. 1073/1999 bestimmt in Absatz 2:

„Die so erstellten Berichte stellen in der gleichen Weise und unter denselben Bedingungen wie die Verwaltungsberichte der Kontrolleure der einzelstaatlichen Verwaltungen zulässige Beweismittel in den Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren des Mitgliedstaats dar, in dem sich ihre Verwendung als erforderlich erweist …“

6 Artikel 10, „Übermittlung von Informationen durch das [OLAF]“, der Verordnung Nr. 1073/1999 sieht in Absatz 2 vor:

„[D]er Direktor des [OLAF übermittelt] den Justizbehörden des betreffenden Mitgliedstaats die bei internen Untersuchungen vom [OLAF] eingeholten Informationen über gegebenenfalls strafrechtlich zu ahndende Handlungen …“

Sachverhalt

7 Der Kläger ist Journalist und beim deutschen Magazin Stern beschäftigt.

8 Herr van Buitenen, Beamter der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wies in einem Memorandum vom 31. August 2001 (im Folgenden: Van-Buitenen-Memorandum) auf mögliche Unregelmäßigkeiten in mehreren Diensten der Kommission hin. Das OLAF erhielt am 5. September 2001 eine Kopie dieses Dokuments.

9 Am 23. Oktober 2001 beauftragte der Direktor des OLAF das Referat „Richter und Staatsanwälte, juristische Beratung und gerichtliche Folgemaßnahmen“, die im Van-Buitenen-Memorandum aufgestellten Behauptungen zu prüfen und Empfehlungen zu den zu ergreifenden Folgemaßnahmen abzugeben.

10 Am 31. Januar 2002 legte das Referat „Richter und Staatsanwälte, juristische Beratung und gerichtliche Folgemaßnahmen“ einen vertraulichen internen Vermerk vor, der zwölf Vorschläge und Empfehlungen enthielt, darunter die Einleitung von Untersuchungen in Bezug auf einige der im Memorandum enthaltenen Behauptungen. Auf der Grundlage dieses Dokuments verfasste das Referat einen ebenfalls vertraulichen gekürzten Vermerk mit Datum vom 14. Februar 2002.

11 Der Kläger verfasste zwei am 28. Februar und 7. März 2002 im Stern veröffentlichte Artikel, in denen er über Fälle von Unregelmäßigkeiten innerhalb der europäischen Organe berichtete. Grundlage dieser Artikel waren das Van-Buitenen-Memorandum und der Vermerk des OLAF vom 31. Januar 2002.

12 Da das OLAF vermutete, dass seine vertraulichen Vermerke vom 31. Januar und 14. Februar 2002 unrechtmäßig weitergegeben worden waren, leitete es am 12. März 2002 eine interne Untersuchung ein, um festzustellen, welche Beamten oder sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften für die Indiskretion verantwortlich waren.

13 Am 22. März 2002 übermittelte der Leiter der Direktion „Intelligence, operative Strategie und Informationstechnologie“ des OLAF dem Direktor des OLAF einen Vermerk, in dem er ihm mitteilte, dass der Kläger nach einer verlässlichen Informationsquelle einem Bediensteten des OLAF 8 000 Euro übergeben habe, um mehrere Dokumente im Zusammenhang mit der Van?Buitenen-Affäre zu erhalten. Am selben Tag teilte der Pressesprecher des OLAF dem Direktor des OLAF mit, dass er Herrn G., den Sprecher der Kommission für die Bereiche Haushalt und Betrugsbekämpfung, getroffen habe und dieser ihm eröffnet habe, er habe von einem Journalisten des Stern erfahren, dass der Kläger einem Mitglied des OLAF Geld gezahlt habe, um Dokumente zu erhalten.

14 Am 27. März 2002 veröffentlichte das OLAF eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Interne Ermittlung bezüglich des Verdachts der Weitergabe von vertraulichen Informationen“, in der es heißt:

„Entsprechend den Informationen, die dem [OLAF] zugegangen sind, hat ein Journalist eine Reihe von Dokumenten erhalten, die sich auf die sogenannte ‚van Buitenen Affaire‘ beziehen. Wegen des Verdachts der Weitergabe von vertraulichen Informationen, die aus einem (vorläufigen) Bericht von OLAF stammen, hat das [OLAF] entschieden, gemäß Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung … Nr. 1073/1999 eine interne Untersuchung einzuleiten. Diese Untersuchung wird auch dem Vorwurf nachgehen, dass dieses Dokument durch die Bezahlung eines Beamten erhalten wurde.

[… Das OLAF beachtet stets die höchsten ethischen Standards. Es führt seine Untersuchungen in völliger Unabhängigkeit durch. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Bestechung oder Zahlungen an einen Bediensteten für die Lieferung vertraulicher Informationen in Belgien verboten sind und die vom OLAF bei seinen Untersuchungen erlangten Informationen nach den einschlägigen belgischen Rechtsvorschriften geschützt sind.] Falls nach Abschluss der internen Untersuchung Beweise für einen solchen Verstoß vorliegen, wird das [OLAF] ein disziplinarrechtliches Verfahren einleiten und die zuständigen Justizbehörden in Kenntnis setzen.“

15 Der Stern veröffentlichte daraufhin am 28. März 2002 eine Pressemitteilung, in der er zum einen bestätigte, im Besitz des Van-Buitenen-Memorandums zu sein, und zum anderen erklärte, dass er zu keinem Zeitpunkt für die Beschaffung von mit dieser Angelegenheit im Zusammenhang stehenden Unterlagen Gelder an EU-Beamte gezahlt habe. In dieser Mitteilung werden der Name des Klägers mit Büroanschrift sowie Telefon- und Faxnummer genannt. Der Stern richtete ferner am 3. April 2002 ein Schreiben an den Vorsitzenden des Überwachungsausschusses des OLAF, um gegen die Behauptungen des OLAF zu protestieren.

16 Am 4. April 2002 hieß es im Magazin European Voice, dass ein Sprecher des OLAF geäußert habe, dass dieses über „Prima-facie-Beweise“ verfüge, dass „eine Zahlung erfolgt sein könne“, und die Sache ernst nehme.

17 In einer Besprechung am 9. und 10. April 2002 verlangte der Überwachungsausschuss des OLAF, über die Indizien informiert zu werden, die den Verdacht untermauerten, dass in dieser Angelegenheit Geld gezahlt worden sei.

18 Am 11. April 2002 schickte der Pressesprecher des OLAF an Bedienstete des OLAF eine E-Mail, in der er ausführte:

„Sicher ist derzeit nur, dass ein vertrauliches Dokument des OLAF an die Presse gelangt ist (was nicht hätte geschehen dürfen), [und] dass es um das OLAF und die … Kommission herum ‚Gerüchte‘ gab, dass für die Dokumente sogar ‚bezahlt‘ worden sei (wobei sogar ein Betrag genannt wurde …). … Es kann nicht hingenommen werden, dass vertrauliche Informationen des OLAF an die Presse gelangt sind und dass diese Informationen möglicherweise durch Bestechung eines Beamten erlangt wurden [sowie dass] ein Ermittlungsdienst weiter Gegenstand von Verdächtigungen, ‚Gerüchten‘ oder ‚Spekulationen‘ ist, wie sie das OLAF in den vergangenen Wochen umgeben haben, ohne dass diese auf ihre Begründetheit hin überprüft werden …“

19 Der Kläger reichte am 22. Oktober 2002 beim Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde (1840/2002/GG) über die Pressemitteilung des OLAF vom 27. März 2002 ein.

20 Am 9. Dezember 2002 vernahmen die Ermittler des OLAF offiziell Herrn G.. Dieser erklärte, nach Aussage eines seiner früheren Kollegen beim Stern, dessen Namen er nicht nennen wollte, habe der Kläger 8 000 DM oder 8 000 Euro erhalten, um sich Informationen über die Kommission oder möglicherweise das OLAF zu beschaffen.

21 Der Bürgerbeauftragte führte am 18. Juni 2003 in seinem Entwurf einer Empfehlung zur Beschwerde des Klägers aus, dass das OLAF mit der Veröffentlichung der Bestechungsvorwürfe ohne faktische Grundlage, die sowohl ausreichend wäre als auch öffentlich überprüft werden könnte, die Verhältnismäßigkeit in Bezug auf das mit seiner Maßnahme angestrebte Ziel nicht gewahrt habe und dass dies einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstelle. Er empfahl dem OLAF, die veröffentlichten Bestechungsvorwürfe, die als gegen den Beschwerdeführer gerichtet verstanden worden sein dürften, zurückzuziehen.

22 Auf diesen Empfehlungsentwurf hin veröffentlichte das OLAF am 30. September 2003 eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Klarstellung von OLAF zu dem Verdacht auf Weitergabe von Informationen“, in der es heißt:

„Am 27. März 2002 teilte das … OLAF in einer Pressemitteilung mit, dass es eine interne Untersuchung gemäß der Verordnung Nr. 1073/1999 wegen des Verdachts auf Weitergabe vertraulicher Informationen eingeleitet hat; dieser Verdacht wurde in einem von OLAF erstellten Bericht geäußert.

Gemäß den bei OLAF eingegangenen Informationen habe ein Journalist eine Reihe von Unterlagen zu der sogenannten ‚van Buitenen-Angelegenheit‘ erhalten, wobei man nicht ausschließen könne, dass an eine Person innerhalb von OLAF oder möglicherweise in einer anderen Institution der EU hierfür ein Geldbetrag gezahlt wurde.

Die Untersuchungen von OLAF sind noch nicht abgeschlossen, doch bisher liegen keine Beweise vor, dass eine Geldzahlung getätigt wurde.“

23 Am 12. November 2003 veröffentlichte der Kläger auf der Website des Stern einen Artikel, in dem er das Vorgehen des Direktors des OLAF kritisierte.

24 Der Bürgerbeauftragte stellte in seiner abschließenden Entscheidung vom 20. November 2003 zur Beschwerde 1840/2002/GG erneut fest, dass das Vorgehen des OLAF einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstelle, und äußerte die Ansicht, dass das OLAF seinen Empfehlungsentwurf zwar angenommen, aber nicht angemessen umgesetzt habe. Unter diesen Umständen war er der Auffassung, dass eine kritische Anmerkung von ihm eine angemessene Genugtuung für den Beschwerdeführer darstellen könne.

25 Herr G., der die Kommission im Juli 2003 verlassen hatte, wurde am 6. Januar 2004 erneut von den Ermittlern des OLAF vernommen. Er bestätigte zum einen seine Angaben in der ersten Vernehmung und nannte zum anderen den Namen der Person, die ihn informiert hatte.

26 In einer Sitzung des Überwachungsausschusses des OLAF vom 20. und 21. Januar 2004 unterrichtete der Direktor den Ausschuss über die „Entwicklungen einer laufenden Untersuchung“ und wies darauf hin, dass sie vertrauliche Kontakte mit nationalen Justizbehörden erforderten. Aus dem Sitzungsprotokoll ergibt sich, dass die Mitglieder des Ausschusses damit einverstanden waren, „angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles, mit Verzögerung unterrichtet zu werden, … wobei es Sache des OLAF [sei], das betroffene Organ zu gegebener Zeit hinreichend zu unterrichten“.

27 Am 11. Februar 2004 unterrichtete das OLAF die Justizbehörden von Brüssel (Belgien) und Hamburg (Deutschland) unter Bezugnahme auf Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 über den Verdacht der Bestechung und der Verletzung des Berufsgeheimnisses.

28 Auf der Grundlage der übermittelten Informationen leiteten sowohl die belgischen als auch die deutschen Justizbehörden wegen Korruptionsverdachts und die belgischen Behörden außerdem wegen Verletzung des Berufsgeheimnisses ein Ermittlungsverfahren ein.

29 Am 19. März 2004 durchsuchte die belgische Polizei auf Anordnung des mit der Sache befassten Untersuchungsrichters die Wohnung und das Büro des Klägers und beschlagnahmte oder versiegelte berufliche Unterlagen und persönliche Gegenstände.

30 Der Kläger legte bei den belgischen Gerichten Beschwerde gegen diese Beschlagnahme ein. Am Ende dieses Verfahrens wies die belgische Cour de cassation seine Beschwerde am 1. Dezember 2004 als unbegründet zurück.

31 Der Kläger richtete am 15. April 2004 ein Schreiben an den Direktor des OLAF, um sich über das durchgeführte Verfahren zu beschweren und Zugang zu der ihn betreffenden Untersuchungsakte zu verlangen.

32 Am 7. Mai 2004 wurde dem Vorsitzenden des Überwachungsausschusses des OLAF eine Kopie des am 11. Februar 2004 an die belgischen Justizbehörden gesandten Schreibens übermittelt, in der die vertraulichen Passagen geschwärzt waren. Ende Mai 2004 erhielt der Kläger ebenfalls eine Kopie dieses Schreibens.

33 Am 12. Mai 2005 übermittelte der Bürgerbeauftragte dem Europäischen Parlament einen Sonderbericht über die vom Kläger eingereichte Beschwerde 2485/2004/GG. In diesem Bericht vertritt er die Ansicht, dass das OLAF einräumen sollte, dass es in seinen Einlassungen gegenüber dem Bürgerbeauftragten im Zusammenhang mit dessen Untersuchungen zur Beschwerde 1840/2002/CG unrichtige und irreführende Angaben gemacht habe. Der Bürgerbeauftragte schlug dem Parlament außerdem vor, diese Empfehlung als Entschließung anzunehmen.

Verfahren und Anträge der Verfahrensbeteiligten

34 Der Kläger hat mit Klageschrift, die am 1. Juni 2004 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, die vorliegende Klage erhoben.

35 Mit besonderem Schriftsatz, der am 4. Juni 2004 in das Register der Kanzlei des Gerichts eingetragen worden ist, hat der Kläger im Wesentlichen beantragt, den Vollzug aller Maßnahmen im Rahmen der vom OLAF am 11. Februar 2004 an die belgischen und die deutschen Justizbehörden gerichteten angeblichen Anzeige auszusetzen und dem OLAF aufzugeben, es zu unterlassen, Dokumente und Informationen, die sich infolge der am 19. März 2004 in seiner Wohnung und in seinem Büro vorgenommenen Durchsuchung im Besitz der belgischen Justizbehörden befinden, entgegenzunehmen, einzusehen, zu prüfen oder zur Kenntnis zu nehmen.

36 Die International Federation of Journalists (IFJ) hat mit am 17. Juni 2004 bei der Kanzlei eingegangenem Schriftsatz die Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Klägers beantragt.

37 Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichts vom 15. Oktober 2004 in der Rechtssache T?193/04 R (Tillack/Kommission, Slg. 2004, II?3575) hat der Präsident des Gerichts den Antrag auf einstweilige Anordnungen zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

38 Mit am 24. Dezember 2004 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangener Rechtsmittelschrift hat der Kläger gegen den Beschluss Tillack/Kommission Rechtsmittel eingelegt.

39 Mit Beschluss vom 26. Januar 2005 hat der Präsident der Vierten Kammer des Gerichts die IFJ im vorliegenden Verfahren als Streithelferin zugelassen. Die Streithelferin hat ihren Streithilfeschriftsatz ebenso fristgerecht eingereicht wie die anderen Verfahrensbeteiligten ihre Stellungnahme zu diesem Schriftsatz.

40 Mit Beschluss vom 19. April 2005 in der Rechtssache C?521/04 P(R) (Tillack/Kommission, Slg. 2005, I?3103) hat der Präsident des Gerichtshofes das Rechtsmittel im Verfahren der einstweiligen Anordnung zurückgewiesen und dem Kläger die Kosten des Verfahrens auferlegt.

41 Das Gericht (Vierte Kammer) hat auf Bericht des Berichterstatters beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen.

42 Die Verfahrensbeteiligten haben in der Sitzung vom 11. Mai 2006 mündlich verhandelt und die mündlichen Fragen des Gerichts beantwortet.

43 Der Kläger beantragt,

– die Entscheidung des OLAF, an die deutschen und die belgischen Justizbehörden die „Anzeige“ vom 11. Februar 2004 zu richten, für nichtig zu erklären;

– die Kommission zu verurteilen, an ihn als Entschädigung einen vom Gericht festzusetzenden Betrag zuzüglich Zinsen zu einem vom Gericht festzusetzenden Satz zu zahlen;

– sonstige Maßnahmen zu treffen, die recht und billig sind;

– der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

44 Die Kommission beantragt,

– die Nichtigkeits? und die Schadensersatzklage als unzulässig abzuweisen;

– hilfsweise, diese Klagen als unbegründet abzuweisen;

– dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

45 Die IFJ beantragt, die Entscheidung des OLAF vom 11. Februar 2004, an die deutschen und die belgischen Justizbehörden „Anzeigen zu richten“, für nichtig zu erklären.

Rechtliche Würdigung

Zur Zulässigkeit des Antrags auf Nichtigerklärung der Maßnahme, mit der das OLAF den deutschen und den belgischen Justizbehörden Informationen übermittelt hat

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

46 Ohne förmlich eine Unzulässigkeitseinrede zu erheben, macht die Kommission geltend, dass die Nichtigkeitsklage offensichtlich unzulässig sei, da keine anfechtbare Maßnahme im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG vorliege.

47 Die Kommission trägt unter Verweisung auf den Beschluss des Gerichts vom 18. Dezember 2003 in der Rechtssache T?215/02 (Gómez-Reino/Kommission, Slg. ÖD 2003, I?A?345 und II?1685, Randnrn. 50 und 51) vor, dass die Maßnahme, mit der das OLAF den belgischen und den deutschen Justizbehörden entsprechend der Verpflichtung aus Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 Informationen übermittelt habe, eine vorbereitende Maßnahme sei, die als solche die rechtliche Stellung des Klägers nicht ändere. Die nationalen Justizbehörden entschieden nämlich alleine darüber, welche Folgemaßnahmen angesichts der übermittelten Informationen zu ergreifen seien und ob nach ihrem nationalen Recht ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, Ermittlungsmaßnahmen anzuordnen oder die Strafverfolgung einzuleiten seien. Die Entscheidung, ob die betroffene Person zu verurteilen sei, sei dann Sache der nationalen Gerichte.

48 Das Gericht habe im Urteil vom 15. Januar 2003 in den Rechtssachen T?377/00, T?379/00, T?380/00, T?260/01 und T?272/01 (Philip Morris International u. a./Kommission, Slg. 2003, II?1) außerdem die Ansicht vertreten, dass die Entscheidung der Kommission, bei einem amerikanischen Gericht eine Zivilklage zu erheben, nicht nach Artikel 230 Absatz 4 EG angefochten werden könne, da diese Klage als solche die rechtliche Stellung des Beklagten nicht ändere. Diese Rechtsprechung müsse erst recht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, da das OLAF weder eine Anzeige erstattet noch eine Klage erhoben, sondern lediglich Tatsachen mitgeteilt habe, die die zuständigen Behörden veranlassen könnten, ein Verfahren einzuleiten, in dem grundsätzlich weder das OLAF noch die Kommission die Stellung eines Verfahrensbeteiligten hätten.

49 Darüber hinaus habe die in Artikel 10 EG vorgesehene Pflicht zur Zusammenarbeit keine bindende Rechtswirkung für die nationalen Justizbehörden oder den Kläger. Artikel 6 Absatz 6 der Verordnung Nr. 1073/1999 gelte nicht für Maßnahmen, die die nationalen Justizbehörden der Mitgliedstaaten nach Erhalt von Informationen seitens des OLAF im Rahmen ihrer strafrechtlichen Untersuchungen durchführten. Die Verordnung (Euratom, EG) Nr. 2185/96 des Rates vom 11. November 1996 betreffend die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten (ABl. L 292, S. 2) habe keinen Bezug zur vorliegenden Rechtssache.

50 Im Übrigen habe der Kläger effektiven gerichtlichen Rechtsschutz genossen. Erstens sei, da der belgische Durchsuchungsbefehl die einzige Maßnahme gewesen sei, die die Meinungsäußerungsfreiheit des Klägers beeinträchtigt habe, der gerichtliche Rechtsschutz gegen diese Maßnahme Sache der belgischen Gerichte. Zweitens gewährleisten, auch wenn ein nationaler Durchsuchungsbefehl auf der Grundlage von Informationen, die das OLAF übermittelt habe, erlassen worden sei, ebenfalls innerstaatliche Rechtsbehelfe den gerichtlichen Rechtsschutz des Beschwerdeführers, auch wenn Artikel 234 EG in diesem Fall zur Anwendung gelangen könnte, falls der Beschwerdeführer vor dem nationalen Gericht geltend mache, dass das OLAF in seinem Untersuchungsverfahren gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen habe. Drittens bedeute der Umstand, dass gegen eine nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 erfolgte Übermittlung von Informationen keine Nichtigkeitsklage erhoben werden könne, nicht, dass eine Klage aus außervertraglicher Haftung vor den Gemeinschaftsgerichten von vornherein ausgeschlossen sei.

51 Zuletzt führt die Kommission aus, dass sich jede Ausnahme von den Regeln über die Zulässigkeit einer Klage nach Artikel 230 EG nachteilig auf Effizienz, Vertraulichkeit und Unabhängigkeit der Untersuchungen des OLAF auswirke. Selbst wenn die belgischen Gerichte jeden auf die Verletzung wesentlicher Formvorschriften durch das OLAF gestützten Klagegrund als unzulässig zurückgewiesen hätten, wäre die vorliegende Nichtigkeitsklage deswegen nicht zulässig. Das Urteil des Gerichtshofes vom 30. März 2004 in der Rechtssache C?167/02 P (Rothley u. a./Parlament, Slg. 2004, I?3149) führe zu keinem anderen Ergebnis.

52 Der Kläger vertritt die Auffassung, dass seine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG zulässig sei.

53 Zunächst hat die „Anzeige“ des OLAF seiner Meinung nach Rechtswirkungen entfaltet, denn die nationalen Behörden hätten daraufhin eine Untersuchung durchgeführt. Die Mitgliedstaaten seien nämlich nach Artikel 10 EG und der Verordnung Nr. 1073/1999, insbesondere Artikel 6 Absatz 6, verpflichtet, das OLAF zu unterstützen.

54 Sodann seien seine Interessen nicht hinreichend geschützt, wenn er die abschließende Entscheidung der belgischen Behörden abwarten müsse, bevor er gegen die „Anzeige“ des OLAF vorgehen könne. Journalisten und ihre Informanten würden allgemein davon abgehalten, Informationen über die Gemeinschaftsorgane bekannt zu machen, wenn die Gefahr bestünde, dass die „Anzeigen“ des OLAF zur Einleitung von Strafverfahren führten. Die Nichtigerklärung der angefochtenen Maßnahme würde außerdem dazu beitragen, den Ruf des Klägers wiederherzustellen, der durch die wiederholten unwahren Behauptungen des OLAF stark geschädigt worden sei.

55 Gegen die „Anzeige“ vorzugehen, sei der einzige wirksame Weg, um eine rechtswidrige Verwertung der Informationen zu untersagen, die die belgischen Behörden bei der Durchsuchung gewonnen hätten und die es ermöglichen könnten, die Quellen des Klägers zu identifizieren. Das OLAF könne nämlich als Nebenkläger im belgischen Strafverfahren auftreten und infolgedessen Zugang zu den beschlagnahmten Dokumenten beantragen. Außerdem könne die Nichtigerklärung der „Anzeige“ als solche rechtliche Folgen haben, insbesondere indem sie verhindere, dass sich eine derartige Praxis der Kommission wiederhole.

56 Dem Beschluss Gómez-Reino/Kommission hätten Umstände zugrunde gelegen, die sich von denen des vorliegenden Falles stark unterschieden.

57 Im Übrigen verliehen die Verordnungen Nr. 1073/1999 und Nr. 2185/96 dem OLAF, das eine enge Zusammenarbeit mit den nationalen Kontrolleinrichtungen entwickle, besondere Rechte.

58 Die Behauptung der Kommission, dass das OLAF die deutschen und die belgischen Justizbehörden nie ersucht habe, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen, treffe nicht zu. Zunächst habe das OLAF in der an die belgischen Justizbehörden gerichteten „Anzeige“ angesichts des angeblich bevorstehenden Umzugs des Klägers nach Washington (Vereinigte Staaten) ein schnelles Vorgehen empfohlen. Sodann hätten die Ermittler des OLAF bereits am 13. und 16. Januar 2004 Kontakt mit nationalen Beamten aufgenommen, um die Untersuchungsmaßnahmen zu koordinieren. Schließlich habe das OLAF die nationalen Behörden um eine Durchsuchung der Wohnung und des Büros des Klägers gebeten, um Beweise im Rahmen seiner internen Untersuchung zu sammeln; dies werde durch eine Erklärung des Vorsitzenden des Überwachungsausschusses des OLAF vom 19. Mai 2004 vor dem House of Lords Select Committee on the European Union bestätigt. Der Untersuchungsrichter habe somit nicht in völliger Unabhängigkeit, sondern auf Ersuchen des OLAF gehandelt.

59 Außerdem hätten die nationalen Behörden keine andere Möglichkeit, als den Untersuchungsberichten des OLAF, die nach Artikel 9 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 zulässige Beweismittel vor den Gerichten darstellten, zu vertrauen. Die Verletzung des Berufsgeheimnisses durch einen Beamten der Europäischen Gemeinschaften sei nach belgischem Recht keine Straftat. Das OLAF habe daher nur wegen der privilegierten Beziehungen zwischen ihm und den belgischen Behörden, die bereit gewesen seien, aufgrund der „Anzeige“ tätig zu werden, als Nebenkläger auftreten können.

60 Aus den vorstehenden Ausführungen ergebe sich, dass die „Anzeige“ des OLAF nicht mit der Entscheidung der Kommission, eine Zivilklage zu erheben, verglichen werden könne, um die es in der Rechtssache Philip Morris International u. a./Kommission gegangen sei, in der die Stellung der Kommission mit derjenigen eines gewöhnlichen Bürgers vergleichbar gewesen sei. Der Beschluss des Gerichts vom 13. Juli 2004 in der Rechtssache T?29/03 (Comunidad Autónoma de Andalucía/Kommission, Slg. 2004, II?2923) beziehe sich auf einen anderen Kontext, da er einen Abschlussbericht in einem externen Untersuchungsverfahren betreffe. Außerdem habe das Gericht berücksichtigt, dass der Staatsanwalt das Verfahren inzwischen eingestellt gehabt habe, so dass der Bericht keine nachteiligen rechtlichen Wirkungen mehr habe entfalten können.

61 Schließlich vertritt der Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil Rothley u. a./Parlament die Ansicht, dass Artikel 230 EG im Licht des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz anzuwenden sei. Im vorliegenden Fall stehe ihm kein anderer Rechtsbehelf zur Verfügung, um gegen die Machenschaften des OLAF vorzugehen. Es sei ihm nicht möglich, bei einem nationalen Gericht zu beantragen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof zu richten, da die Rechtswidrigkeit des Verhaltens des OLAF nicht die Rechtswidrigkeit der Maßnahmen der nationalen Justizbehörden präjudiziere. Für Entscheidungen in Bezug auf das OLAF seien allein die Gemeinschaftsgerichte zuständig, nicht jedoch die nationalen Gerichte oder in letzter Instanz der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Ein nationales Verfahren könne daher keinen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz gewährleisten. Es könne nicht angehen, dass er in einer Angelegenheit, in der die Pressefreiheit auf dem Spiel stehe, lediglich eine Schadensersatzklage vor dem Gericht erheben könne.

62 Die IFJ hält die Klage für zulässig, da die bei den deutschen und den belgischen Justizbehörden erstatteten „Anzeigen“ Entscheidungen im Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG seien. Die Nichtigkeitsklage richte sich insofern nicht gegen die von den belgischen Behörden durchgeführte Durchsuchung, sondern gegen eine Entscheidung des OLAF, die Rechtswirkungen in Bezug auf die Person des Klägers habe herbeiführen sollen.

63 Anders als in der Rechtssache Gómez-Reino/Kommission gehe es im vorliegenden Fall um eine „Anzeige“, die unmittelbare rechtliche Folgen für den Kläger habe, und nicht um bloße vorbereitende Maßnahmen.

64 Die IFJ macht unter Verweisung auf das Urteil des Gerichtshofes vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 180/87 (Hamill/Kommission, Slg. 1988, 6141) geltend, dass auch bloße Informationen, die nationalen Justizbehörden übermittelt worden seien, von den Gemeinschaftsgerichten überprüft werden könnten.

65 Schließlich sei die Nichtigkeitsklage auch angesichts des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz zulässig. Artikel 230 EG müsse nämlich im Geiste einer Rechtsgemeinschaft ausgelegt werden, damit der Kläger gerichtlichen Schutz gegen das Verhalten des OLAF erhalte. Die belgischen Gerichte seien nicht in der Lage, in jedem Einzelfall umfassend und eingehend zu überprüfen, ob die Handlungen der Gemeinschaftsorgane mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang stünden.

Würdigung durch das Gericht

66 Im vorliegenden Fall richtet sich die Nichtigkeitsklage gegen die Maßnahme, mit der das OLAF die deutschen und die belgischen Justizbehörden nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 über einen Verdacht der Verletzung des Berufsgeheimnisses und der Bestechung mit Verwicklung des Klägers unterrichtet hat.

67 Nach ständiger Rechtsprechung stellen Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen, die geeignet sind, die Interessen des Klägers zu beeinträchtigen, indem sie seine Rechtsstellung in qualifizierter Weise ändern, Handlungen oder Entscheidungen dar, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG gegeben ist (Urteil des Gerichtshofes vom 11. November 1981 in der Rechtssache 60/81, IBM/Kommission, Slg. 1981, 2639, Randnr. 9, und Urteil des Gerichts vom 6. April 2006 in der Rechtssache T?309/03, Camós Grau/Kommission, Slg. 2006, II?0000, Randnr. 47).

68 Im vorliegenden Fall ändert die angefochtene Maßnahme jedoch nicht in qualifizierter Weise die Rechtsstellung des Klägers.

69 Aus den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1073/1999, insbesondere aus der 13. Begründungserwägung und Artikel 9, folgt, dass die in einem Abschlussbericht des OLAF enthaltenen Schlussfolgerungen nicht zwangsläufig zur Einleitung eines Gerichts? oder Disziplinarverfahrens führen, da es Sache der zuständigen Behörden ist, über die Behandlung des Abschlussberichts zu entscheiden, und somit allein sie Entscheidungen erlassen können, die die Rechtsstellung der Personen beeinträchtigen könnten, für die der Bericht die Einleitung solcher Verfahren empfohlen hat (Beschluss Comunidad Autónoma de Andalucía/Kommission, Randnr. 37, und Urteil Camós Grau/Kommission, Randnr. 51).

70 Auch Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 sieht lediglich eine Übermittlung von Informationen an die nationalen Justizbehörden vor, die im Rahmen ihrer Befugnisse den Inhalt und die Tragweite dieser Informationen und folglich die Frage der gegebenenfalls zu ergreifenden Folgemaßnahmen frei beurteilen können. Für die eventuelle Einleitung eines Gerichtsverfahrens im Anschluss an die Übermittlung von Informationen durch das OLAF sowie die nachfolgenden rechtlichen Maßnahmen sind daher ausschließlich und in vollem Umfang die nationalen Behörden zuständig.

71 Diese Feststellung wird durch keines der Argumente des Klägers und der Streithelferin in Frage gestellt.

72 Erstens bedeutet der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, und erlegt den Gemeinschaftsorganen entsprechende Pflichten zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auf (Urteile des Gerichtshofes vom 26. November 2002 in der Rechtssache C?275/00, First und Franex, Slg. 2002, I?10943, Randnr. 49, und vom 4. März 2004 in der Rechtssache C?344/01, Deutschland/Kommission, Slg. 2004, I?2081, Randnr. 79). Nach diesem Grundsatz müssen die nationalen Justizbehörden Informationen, die ihnen das OLAF nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 übermittelt, aufmerksam prüfen und daraus die angemessenen Folgen ziehen, um – gegebenenfalls durch Einleitung von Gerichtsverfahren, wenn sie dies für gerechtfertigt halten – die Wahrung des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten. Diese Verpflichtung zur aufmerksamen Prüfung gebietet jedoch nicht, die vorgenannte Vorschrift dahin auszulegen, dass die in Rede stehenden Übermittlungen in dem Sinne zwingenden Charakter hätten, dass die nationalen Behörden zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet wären, weil eine solche Auslegung die Aufgaben- und Zuständigkeitsverteilung, wie sie für die Durchführung der Verordnung Nr. 1073/1999 vorgesehen ist, ändern würde (Beschluss vom 19. April 2005, Tillack/Kommission, Randnr. 33).

73 Außerdem beziehen sich Artikel 6 Absatz 6 der Verordnung Nr. 1073/1999, der die vom OLAF durchgeführten Untersuchungen betrifft, und die Verordnung Nr. 2185/96, die die Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften vor Betrug und anderen Unregelmäßigkeiten betrifft, auf die eigenen Untersuchungsbefugnisse des OLAF und der Kommission. Die loyale Zusammenarbeit, die von den Mitgliedstaaten erwartet wird, wenn von diesen eigenen Untersuchungsbefugnissen Gebrauch gemacht wird, verlangt zwar, dass die zuständigen nationalen Behörden bei der im Namen der Kommission durchgeführten Maßnahme Unterstützung leisten, doch steht sie in keinem Zusammenhang mit den ausschließlichen – insbesondere justiziellen – Befugnissen dieser nationalen Behörden und führt zu keiner Einmischung in deren Zuständigkeiten.

74 Zweitens ist zum Argument des Klägers, dass das OLAF als Nebenkläger im belgischen Strafverfahren auftreten könnte, um Zugang zu den in der Wohnung und im Büro des Betroffenen beschlagnahmten Unterlagen zu erhalten, zu bemerken, dass dies, selbst wenn es zuträfe, keine Auswirkungen auf die Frage der Anfechtbarkeit der Maßnahme hätte, mit der das OLAF nationalen Justizbehörden Informationen übermittelt.

75 Drittens enthält das Urteil Hamill/Kommission, in dem es nicht um eine Nichtigkeits?, sondern um eine Schadensersatzklage geht, keinerlei Hinweis darauf, dass eine Übermittlung von Informationen durch das OLAF nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 verbindliche Rechtswirkungen hätte, die die Interessen des Klägers beeinträchtigen könnten.

76 Viertens kann der Kläger mit den von ihm angegebenen Tatsachen, die seiner Ansicht nach beweisen, dass die belgischen Justizbehörden nicht in völliger Unabhängigkeit gehandelt hätten, sondern den Ersuchen des OLAF nachgekommen seien, nicht durchdringen.

77 Was zum einen die Erklärung des Vorsitzenden des Überwachungsausschusses des OLAF vor dem House of Lords Select Committee on the European Union vom 19. Mai 2004 angeht, so trägt der Kläger nichts vor, was dem Gericht die Überprüfung des Inhalts dieser Erklärung ermöglichen würde; diese Erklärung ist daher nicht zu berücksichtigen.

78 Was zum anderen den Zwischenbericht, der dem an die belgischen Justizbehörden gerichteten Schreiben beigefügt war, betrifft, so heißt es darin unter 2.2 und 2.3:

„Wie bereits am 13. Januar 2004 mit der Staatsanwaltschaft Hamburg … und am 16. Januar 2004 mit der Staatsanwaltschaft Brüssel … besprochen, erweist sich die Übermittlung von Informationen an die beiden Justizbehörden als erforderlich, um unabhängige, aber koordinierte Verfahren einzuleiten.

Ein schnelles Vorgehen ist in Anbetracht dessen wünschenswert, dass Herr Tillack nach unseren Informationen Brüssel im März dieses Jahres verlassen wird, um Korrespondent des Stern in Washington … zu werden. Mit seinem Weggang aus Brüssel könnten wichtige Beweisstücke endgültig verschwinden.“

79 In Bezug auf Punkt 2.2 des Zwischenberichts bestreitet der Kläger jedoch nicht das Vorbringen der Kommission, dass sich die Kontakte zwischen dem OLAF und den nationalen Strafverfolgungsbehörden auf rein formelle Punkte wie die Frage, an wen die Informationen zu übermitteln seien, bezogen hätten. Zu Punkt 2.3 ist zwar festzustellen, dass das OLAF tatsächlich den Wunsch nach einer schnellen Behandlung der fraglichen Angelegenheit geäußert hat, doch verpflichtet dieser Wunsch die belgischen Justizbehörden in keiner Weise. Er ist nämlich nicht vergleichbar mit einem Antrag an die belgischen Behörden auf Einleitung eines Gerichtsverfahrens oder auf Erlass anderer Maßnahmen. Im Übrigen beschränkt sich Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 über die Übermittlung der im Laufe der Untersuchungen erhaltenen Informationen, die an die zuständigen nationalen Behörden gesandt werden, darauf, die Übermittlung dieser Informationen an die nationalen Behörden vorzusehen; es ist deren Sache, in Ausübung ihrer eigenen Zuständigkeiten über die daraufhin zu ergreifenden Folgemaßnahmen zu entscheiden.

80 Schließlich ist das Argument des Fehlens eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes nicht stichhaltig. Dieses Argument kann nämlich für sich nicht die Zulässigkeit einer Klage begründen (Beschlüsse des Gerichts vom 19. September 2005 in der Rechtssache T?247/04, Aseprofar und Edifa/Kommission, Slg. 2005, I?0000, Randnr. 59, und vom 28. November 2005 in den Rechtssachen T?236/04 und T?241/04, EEB und Stichting Natuur en Milieu/Kommission, Slg. 2005, I?0000, Randnr. 68). Im Übrigen ergibt sich aus den Verfahrensunterlagen und den Erörterungen in der mündlichen Verhandlung, dass der Kläger bei den belgischen Gerichten und sodann beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen die Maßnahmen erhoben hat, die die belgischen Justizbehörden im Anschluss an die Übermittlung von Informationen durch das OLAF vom 11. Februar 2004 ergriffen hatten. Außerdem hatte der Kläger die Möglichkeit, die nationalen Gerichte, die nicht befugt sind, selbst die Ungültigkeit der Maßnahme festzustellen, mit der das OLAF den belgischen Justizbehörden Informationen übermittelt hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 22. Oktober 1987 in der Rechtssache 314/85, Foto-Frost, Slg. 1987, 4199, Randnr. 20), zu ersuchen, dem Gerichtshof insoweit eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen.

81 Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Übermittlung von Informationen nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999, da sie im vorliegenden Fall keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeugt, nicht als eine Maßnahme anzusehen ist, die die Rechtsstellung des Klägers beeinträchtigen könnte.

82 Der Antrag auf Nichtigerklärung der Maßnahme, mit der das OLAF am 11. Februar 2004 den deutschen und den belgischen Justizbehörden Informationen übermittelt hat, ist daher unzulässig.

Zum Antrag auf Ersatz des behaupteten Schadens

Zur Zulässigkeit

– Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

83 Die Kommission ist der Ansicht, dass die Schadensersatzklage zwei verschiedene Anträge enthalte. Sie beträfen den Ersatz des Schadens, der zum einen durch die „Anzeige“ des OLAF und zum anderen durch die Pressemitteilungen des OLAF vom März 2002 und September 2003 sowie durch weitere öffentliche Erklärungen des OLAF entstanden sein solle.

84 Diese Klage sei in vollem Umfang unzulässig, da sie die Voraussetzungen des Artikels 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichts nicht erfülle.

85 Außerdem sei der Schadensersatzantrag in Bezug auf die „Anzeige“ des OLAF unzulässig, da diese Schadensersatzklage mit einer als unzulässig abgewiesenen Nichtigkeitsklage eng verbunden sei.

86 Der Kläger vertritt zunächst die Ansicht, dass die Schadensersatzklage in Bezug auf die „Anzeige“ des OLAF zulässig sei. Das Fehlverhalten des OLAF könne nicht der gerichtlichen Kontrolle entzogen sein.

87 Sodann wendet er sich gegen das Vorbringen, dass eine Schadensersatzklage unzulässig sei, wenn die Schadensursache Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sei, die selbst unzulässig sei.

88 Schließlich trägt er vor, dass die Klageschrift den in der Verfahrensordnung aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen genüge und so klar sei, dass die Beklagte ihre Verteidigung vorbereiten könne. Sie beschreibe nämlich das rechtswidrige Verhalten des OLAF, den entstandenen Schaden und die Gründe, aus denen ein Kausalzusammenhang zwischen dem rechtswidrigen Verhalten und dem Schaden bestehe.

– Würdigung durch das Gericht

89 Nach ständiger Rechtsprechung muss nach Artikel 21 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes, der nach Artikel 53 Absatz 1 dieser Satzung auf das Verfahren vor dem Gericht entsprechend Anwendung findet, in Verbindung mit Artikel 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung jede Klageschrift den Streitgegenstand und eine kurze Darstellung der Klagegründe enthalten. Diese Darstellung muss aus sich selbst heraus hinreichend klar und deutlich sein, damit der Beklagte seine Verteidigung vorbereiten und das Gericht, gegebenenfalls auch ohne weitere Informationen, über die Klage entscheiden kann. Um die Rechtssicherheit und eine geordnete Rechtspflege zu gewährleisten, ist es für die Zulässigkeit einer Klage erforderlich, dass die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Umstände, auf denen die Klage beruht, zumindest in gedrängter Form, jedenfalls aber zusammenhängend und verständlich aus dem Wortlaut der Klageschrift selbst hervorgehen (Urteile des Gerichts vom 10. Juli 1997 in der Rechtssache T?38/96, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, II?1223, Randnr. 41, und vom 16. März 2004 in der Rechtssache T?157/01, Danske Busvognmænd/Kommission, Slg. 2004, II?917, Randnr. 45).

90 Eine Klage auf Ersatz der von einem Gemeinschaftsorgan angeblich verursachten Schäden genügt diesen Erfordernissen nur, wenn sie Tatsachen anführt, anhand deren sich das dem Organ vom Kläger vorgeworfene Verhalten bestimmen lässt, die Gründe angibt, aus denen nach Auffassung des Klägers ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten und dem angeblich erlittenen Schaden besteht, sowie Art und Umfang dieses Schadens bezeichnet (Urteile des Gerichts vom 18. September 1996 in der Rechtssache T?387/94, Asia Motor France u. a./Kommission, Slg. 1996, II?961, Randnr. 107, und vom 10. Februar 2004 in den Rechtssachen T?215/01, T?220/01 und T?221/01, Calberson GE/Kommission, Slg. 2004, II?587, Randnr. 176).

91 Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass der Anspruch auf Ersatz des behaupteten Schadens in der Klageschrift sehr knapp begründet wird. Den Ausführungen lassen sich jedoch zwei angeblich pflichtwidrige Verhaltensweisen des OLAF entnehmen, durch die der Kläger einen Schaden erlitten haben will. Die erste betrifft die „Anzeige“ des OLAF bei den belgischen Justizbehörden. Die zweite besteht in den Pressemitteilungen des OLAF vom 27. März 2002 und 30. September 2003 sowie den am 4. April 2002 in der European Voice veröffentlichten Erklärungen des Pressesprechers des OLAF und den am 24. März 2004 in der Sendung Stern TV ausgestrahlten Erklärungen des Generaldirektors des OLAF.

92 Aus der Klageschrift ergibt sich ferner, dass der Schaden, den der Kläger aufgrund der verschiedenen von ihm behaupteten pflichtwidrigen Verhaltensweisen des OLAF erlitten haben will, in einer Schädigung seines Rufes und seines beruflichen Ansehens besteht. Die Klageschrift ermöglicht außerdem die Bestimmung des Umfangs des angeblich vom OLAF verursachten Schadens.

93 Schließlich führt der Kläger an, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem geltend gemachten Schaden und den verschiedenen pflichtwidrigen Verhaltensweisen bestehe, die er dem OLAF vorwirft.

94 Außerdem ergibt sich aus dem Vorbringen der Kommission zur Begründetheit der Klage, dass sie ihre Verteidigung zu den Voraussetzungen, unter denen eine außervertragliche Haftung der Gemeinschaft besteht, in zweckdienlicher Weise hat vorbereiten können.

95 Die Rüge der Kommission, dass die Klageschrift den Vorgaben des Artikels 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung nicht entspreche, ist daher zurückzuweisen.

96 Die Kommission macht außerdem geltend, dass der Schadensersatzantrag in Bezug auf die „Anzeige“ des OLAF unzulässig sei, da er in engem Zusammenhang mit einer Nichtigkeitsklage stehe, die selbst unzulässig sei.

97 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Haftungsklage ein selbständiger Rechtsbehelf mit eigener Funktion im System der Klagemöglichkeiten und von Voraussetzungen abhängig ist, die ihrem besonderen Zweck angepasst sind. Während Nichtigkeits- und Untätigkeitsklagen die Ahndung der Rechtswidrigkeit zwingender Rechtsakte oder des Fehlens eines solchen Rechtsakts zum Ziel haben, ist eine Haftungsklage auf Ersatz des Schadens gerichtet, der sich aus einer Handlung oder einer unzulässigen Verhaltensweise ergibt, die einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft zuzurechnen ist (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 23. März 2004 in der Rechtssache C?234/02 P, Bürgerbeauftragter/Lamberts, Slg. 2004, I?2803, Randnr. 59 und die dort zitierte Rechtsprechung).

98 Die Rechtsunterworfenen, die wegen der in Artikel 230 Absatz 4 EG genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen bestimmte Handlungen oder Maßnahmen der Gemeinschaft nicht unmittelbar anfechten können, haben somit die Möglichkeit, ein Verhalten, bei dem es sich nicht um eine Entscheidung handelt und das daher nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann, anzufechten, indem sie eine Klage aus außervertraglicher Haftung nach den Artikeln 235 EG und 288 Absatz 2 EG erheben, wenn ein solches Verhalten dazu angetan ist, die Haftung der Gemeinschaft auszulösen (Urteil Philip Morris International u. a./Kommission, Randnr. 123, und Urteil Camós Grau/Kommission, Randnr. 78).

99 Die Klage des Klägers auf Ersatz des immateriellen Schadens, den er durch die dem OLAF vorgeworfenen Verhaltensweisen erlitten haben will, ist daher, was ihre Zulässigkeit angeht, unabhängig von der Nichtigkeitsklage zu betrachten.

100 Daraus folgt, dass der Antrag des Klägers auf Ersatz des Schadens, der ihm durch die angeblich pflichtwidrigen Verhaltensweisen des OLAF entstanden sein soll, zulässig ist.

Zur Begründetheit

– Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

101 Der Kläger ist der Ansicht, dass die pflichtwidrigen Verwaltungsmaßnahmen in erster Linie in der an die belgischen Justizbehörden gerichteten „Anzeige“ des OLAF bestehen. Diese sei rechtswidrig, da sie gegen mehrere Formvorschriften verstoßen und das Grundrecht der Pressefreiheit verletzt habe. Der Kläger bezieht sich außerdem auf die Pressemitteilungen des OLAF vom März 2002 und September 2003. Der Bürgerbeauftragte habe insoweit erklärt, dass die auf Gerüchte gestützte Pressemitteilung vom März 2002 einen offenkundigen Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstelle und gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße. Diese Pressemitteilung müsse daher als solche als rechtswidriges Verwaltungshandeln betrachtet werden. Die Pressemitteilung vom September 2003 stelle dadurch, dass sie die in der Pressemitteilung vom März 2002 enthaltenen Behauptungen wiederhole, ebenfalls einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar und verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Schließlich bezieht sich der Kläger auf die Erklärungen des Sprechers des OLAF, wie sie im Magazin European Voice vom 4. April 2002 veröffentlicht wurden, und des Direktors des OLAF, die am 24. März 2004 in der Sendung Stern TV ausgestrahlt wurden. Sie seien geeignet, seinen Ruf zu schädigen, und verstießen ebenfalls, da sie auf bloße Gerüchte gestützt seien, gegen den Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung.

102 Außerdem habe das OLAF sein Ermessen überschritten. Angesichts der Schwere der begangenen Pflichtverletzungen sei das Verhalten des OLAF als hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine gemeinschaftsrechtliche Vorschrift anzusehen.

103 Der Kläger trägt vor, er habe einen bedeutenden immateriellen Schaden erlitten, der in der Schädigung seines Rufes und seines beruflichen Ansehens bestehe. Zum einen sei es für ihn viel schwieriger, bei den von ihm zur Ausübung seines Berufes genutzten Quellen Informationen zu erhalten. Zum anderen sei der Verkauf seiner Artikel an Zeitungen und Zeitschriften stark beeinträchtigt. Die Maßnahmen des OLAF hätten somit die Karrieremöglichkeiten des Klägers ernsthaft beeinträchtigt. Außerdem liege ein besonders qualifizierter immaterieller Schaden vor, wenn die falschen Anschuldigungen wie im vorliegenden Fall zur Einleitung von strafrechtlichen Untersuchungen, einer Durchsuchung und Beschlagnahmen führten. Der Kläger beantragt, dass der Betrag, zu dessen Zahlung die Kommission verurteilt wird, genau so festgesetzt wird, dass er gleichzeitig ihn entschädigen und für die Kommission abschreckend sein könne. Der Kläger schlägt vorläufig einen Betrag von 250 000 Euro vor.

104 Zum Kausalzusammenhang trägt der Kläger vor, dass die Schädigung seines Rufes durch die Pressemitteilungen des OLAF und die anschließenden Erklärungen verursacht worden sei, wobei der Höhepunkt die an die belgischen Justizbehörden gerichtete Anzeige des OLAF gewesen sei, die zu einer Durchsuchung seiner Wohnung und seines Büros geführt habe. Die Ermittler des OLAF hätten die Justizbehörden insoweit beraten und ihnen in der Anzeige irreführende Informationen in Bezug auf die Dringlichkeit und Notwendigkeit des Tätigwerdens übermittelt. Dass die belgischen Behörden mit einer gewissen Leichtfertigkeit gehandelt hätten, berühre nicht die Begründetheit der Klage.

105 Zu den Pressemitteilungen und den anderen öffentlichen Erklärungen des OLAF macht der Kläger geltend, dass es ungewöhnlich sei, dass das OLAF Mitteilungen veröffentliche, in denen es die Einleitung einer Untersuchung ankündige. Außerdem habe ihn jeder, der sich für die Angelegenheit interessiere, sofort als den Journalisten identifiziert, der einen Gemeinschaftsbeamten bestochen habe. Darüber hinaus stellten sich die Tatsachen nach derzeitigem Kenntnisstand als deutlich schwerwiegender dar als bei der Untersuchung durch den Bürgerbeauftragten im Jahre 2003. Das OLAF habe den Bürgerbeauftragten nämlich bewusst falsch informiert, als es behauptet habe, dass es Informationen von sicheren Quellen, u. a von Mitgliedern des Europäischen Parlaments, erhalten habe, während seine einzige Quelle Herr G. gewesen sei.

106 In seiner Erwiderung trägt der Kläger vor, dass die öffentlichen Verdächtigungen des OLAF nicht nur einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit, sondern auch einen Verstoß gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Unschuldsvermutung sowie gegen das Recht auf einen fairen Prozess darstellten. Die Veröffentlichung der Pressemitteilungen stelle ferner einen Verstoß gegen Artikel 8 der Verordnung Nr. 1073/1999 dar, da Informationen, die im Rahmen interner Untersuchungen mitgeteilt und eingeholt würden, dem Berufsgeheimnis unterlägen.

107 Nach Ansicht der Kommission sind die beiden Schadensersatzanträge unbegründet.

108 Was erstens den sich auf die Übermittlung von Informationen an die belgischen und die deutschen Justizbehörden beziehenden Schadensersatzantrag angehe, so habe das OLAF gegen keine Rechtsnorm verstoßen. Außerdem habe der Kläger keine hinreichend qualifizierte Verletzung der Grenzen des Ermessens des OLAF dargetan.

109 Was das tatsächliche Vorliegen des behaupteten Schadens betreffe, so enthalte die Klageschrift keine konkreten Informationen zur speziellen beruflichen Situation des Klägers. Er sei beim Magazin Stern angestellt, und sein Ruf habe durch die von den belgischen Behörden durchgeführte Durchsuchung und Beschlagnahme nicht gelitten.

110 Der Kläger habe vor allem keinen Kausalzusammenhang zwischen der Übermittlung der Informationen durch das OLAF und seinem angeblichen Schaden dargetan. Zwei souveräne und im eigenen Ermessen liegende Handlungen der belgischen Behörden unterbrächen nämlich jeden Kausalzusammenhang: die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sowie die Durchsuchung und Beschlagnahme. Nur die Durchsuchung und die Beschlagnahme seien die unmittelbare und entscheidende Ursache des behaupteten Schadens. Ohne eine Durchsuchung – die im Ermessen der nationalen Behörden liege – hätte keine Gefahr für die Anonymität der Informanten des Klägers bestanden. Wenn der Kläger der Ansicht sei, dass er aufgrund der Durchsuchung einen Schaden erlitten habe, müsse er dessen Ersatz vom belgischen Staat verlangen.

111 Was zweitens den Schadensersatzantrag, der sich auf die Pressemitteilungen und andere öffentliche Erklärungen bezieht, angehe, so habe das OLAF keine Rechtsnormen verletzt, die den Kläger und insbesondere seinen Ruf berührten. Insbesondere werde in der Pressemitteilung vom 27. März 2002 weder der Name eines Journalisten noch der eines Presseorgans genannt. Nur der Stern habe in einer am 28. März 2002 veröffentlichten Mitteilung ausgeführt, dass er sich im alleinigen Besitz der weitergegebenen Dokumente befinde, und den Namen des Journalisten offengelegt. Außerdem sei der Hauptgegenstand der eingeleiteten internen Untersuchung in der Mitteilung vom 27. März 2002 so neutral wie möglich beschrieben worden. Diese Mitteilung enthalte nichts Wahrheitswidriges und sei auch nicht unverhältnismäßig. Verträte man die Ansicht, dass der Pressesprecher des OLAF in seinen Erklärungen zu weit gegangen sei, so liefe dies darauf hinaus, dem OLAF jedes Recht zur Veröffentlichung einer Pressemitteilung über die Einleitung einer Untersuchung unter Angabe ihres Gegenstands zu nehmen. Hilfsweise macht die Kommission geltend, dass das OLAF die Grenzen seines Ermessens bei der Handhabung seiner Beziehungen zu den Medien nicht in schwerwiegender und offenkundiger Weise überschritten habe.

112 Im Übrigen bestehe jedenfalls kein Kausalzusammenhang zwischen der Pressemitteilung vom 27. März 2002 und einer eventuellen Schädigung des Rufes des Klägers. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Öffentlichkeit die Mitteilung des OLAF von deren Veröffentlichung an so hätte auffassen können, dass sie sich auf den Kläger beziehe, habe die am darauf folgenden Tag veröffentlichte Mitteilung des Stern jeden Kausalzusammenhang unterbrochen.

113 Zu den Schlussfolgerungen des Bürgerbeauftragten macht die Kommission schließlich geltend, dass die Tatsachen, auf die er seine Empfehlung von 2003 gestützt habe, nicht denen entsprächen, die die Kommission dem Gericht im vorliegenden Verfahren unterbreite. Die Feststellung eines Missstands in der Verwaltungstätigkeit durch den Bürgerbeauftragten komme außerdem nicht einer gerichtlichen Feststellung der Verletzung der Rechte des Klägers durch die Kommission gleich. Der Bürgerbeauftragte habe insbesondere nicht geprüft, ob das OLAF einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm begangen habe. Im Übrigen habe der Bürgerbeauftragte andere Beweislastregeln angewandt, als sie für Klagen aus außervertraglicher Haftung nach den Artikeln 235 EG und 288 Absatz 2 EG gälten. Der Bürgerbeauftragte und der Gemeinschaftsrichter wendeten nämlich unterschiedliche Beurteilungskriterien und -methoden an, die ihre sehr verschiedene Natur und Funktion widerspiegelten.

114 Die IFJ ist der Ansicht, dass das OLAF mit der Übermittlung der Informationen an die deutschen und die belgischen Justizbehörden auf der Grundlage bloßer Gerüchte und Spekulationen offenkundig die Grenzen seines Ermessens überschritten habe. Dieses Ermessen hätte insbesondere unter Berücksichtigung der Vorschriften der Verordnung Nr. 1073/1999 und der Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen ausgeübt werden müssen.

115 Das OLAF habe die Pressefreiheit, das Recht auf Achtung des Privatlebens und auf Unverletzlichkeit der Wohnung, den EG-Vertrag, die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Verordnung Nr. 1073/1999 sowie bestimmte Verfahrensvorschriften verletzt.

– Würdigung durch das Gericht

116 Nach ständiger Rechtsprechung unterliegt die außervertragliche Haftung der Gemeinschaft für rechtswidriges Verhalten ihrer Einrichtungen im Sinne von Artikel 288 Absatz 2 EG einer Reihe von Voraussetzungen, die sich auf die Rechtswidrigkeit des den Organen vorgeworfenen Verhaltens, das Vorliegen eines Schadens und das Bestehen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem behaupteten Verhalten und dem geltend gemachten Schaden beziehen (Urteil des Gerichtshofes vom 29. September 1982 in der Rechtssache 26/81, Oleifici Mediterranei/EWG, Slg. 1982, 3057, Randnr. 16; Urteile des Gerichts vom 11. Juli 1996 in der Rechtssache T?175/94, International Procurement Services/Kommission, Slg. 1996, II?729, Randnr. 44, vom 16. Oktober 1996 in der Rechtssache T?336/94, Efisol/Kommission, Slg. 1996, II?1343, Randnr. 30, und vom 11. Juli 1997 in der Rechtssache T?267/94, Oleifici Italiani/Kommission, Slg. 1997, II?1239, Randnr. 20).

117 In Bezug auf die erste Voraussetzung verlangt die Rechtsprechung den Nachweis eines hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (Urteil des Gerichtshofes vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C?352/98 P, Bergaderm und Goupil/Kommission, Slg. 2000, I?5291, Randnr. 42). Für die Beurteilung der Frage, ob das Erfordernis eines hinreichend qualifizierten Verstoßes erfüllt ist, ist das entscheidende Kriterium, ob das betreffende Gemeinschaftsorgan die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Wenn dieses Organ nur über ein erheblich verringertes oder gar auf Null reduziertes Ermessen verfügt, kann die bloße Verletzung des Gemeinschaftsrechts ausreichen, um einen hinreichend qualifizierten Verstoß anzunehmen (Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 2002 in der Rechtssache C?312/00 P, Kommission/Camar und Tico, Slg. 2002, I?11355, Randnr. 54, und Urteil des Gerichts vom 12. Juli 2001 in den Rechtssachen T?198/95, T?171/96, T?230/97, T?174/98 und T?225/99, Comafrica und Dole Fresh Fruit Europe/Kommission, Slg. 2001, II?1975, Randnr. 134).

118 Was die Voraussetzung des Kausalzusammenhangs betrifft, so kann die Gemeinschaft nur für Schäden in Haftung genommen werden, die sich mit hinreichender Unmittelbarkeit aus dem rechtswidrigen Verhalten des betroffenen Organs ergeben (Urteil des Gerichtshofes vom 4. Oktober 1979 in den Rechtssachen 64/76, 113/76, 167/78, 239/78, 27/79, 28/79 und 45/79, Dumortier frères u. a./Rat, Slg. 1979, 3091, Randnr. 21, und Urteil des Gerichts vom 13. Februar 2003 in der Rechtssache T?333/01, Meyer/Kommission, Slg. 2003, II?117, Randnr. 32). Dagegen muss die Gemeinschaft nicht für jede auch noch so entfernte nachteilige Folge des Verhaltens ihrer Organe Ersatz leisten (vgl. in diesem Sinne Urteil Dumortier frères u. a./Rat, Randnr. 21).

119 Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen zu prüfen wären (Urteil des Gerichtshofes vom 15. September 1994 in der Rechtssache C?146/91, KYDEP/Rat und Kommission, Slg. 1994, I?4199, Randnrn. 19 und 81, und Urteil des Gerichts vom 20. Februar 2002 in der Rechtssache T?170/00, Förde-Reederei/Rat und Kommission, Slg. 2002, II?515, Randnr. 37).

120 Die Begründetheit der verschiedenen Argumente des Klägers ist im Licht dieser Rechtsprechung zu prüfen.

121 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Achtung des Privatlebens und der Unverletzlichkeit der Wohnung, der Pressefreiheit, dem Grundsatz der Unschuldsvermutung und dem Recht auf einen fairen Prozess um Grundrechte handelt, die den Einzelnen Rechte verleihen, deren Achtung der Gemeinschaftsrichter gewährleistet. Der Kläger führt in diesem Zusammenhang zwei angeblich pflichtwidrige Verhaltensweisen des OLAF an, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Natur getrennt zu prüfen sind.

122 Was erstens den Antrag auf Ersatz des angeblich aus der „Anzeige“ des OLAF herrührenden Schadens betrifft, so ist festgestellt worden, dass es Sache der Justizbehörden war, über die Folgemaßnahmen zu entscheiden, die im Hinblick auf die vom OLAF auf der Grundlage von Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 übermittelten Informationen zu ergreifen waren, und dass die Übermittlung für diese Behörden keinen irgendwie gearteten zwingenden Charakter hatte (siehe oben, Randnr. 70). Demzufolge ist der vom Kläger behauptete Schaden auf das Verhalten der nationalen Justizbehörden zurückzuführen, die im Rahmen ihrer ausschließlichen Befugnisse beschlossen haben, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und sodann Untersuchungsmaßnahmen durchzuführen.

123 Außerdem hat der Kläger nicht erklärt, wie eine Übermittlung von Informationen an nationale Justizbehörden, die vertraulich ist und von der nicht behauptet wird, dass die Vertraulichkeit nicht gewahrt worden wäre, seinen Ruf und sein berufliches Ansehen schädigen könnte.

124 Der Kläger hat daher das Bestehen eines hinreichend unmittelbaren Kausalzusammenhangs zwischen der vom OLAF nach Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1073/1999 vorgenommenen Übermittlung der Informationen an die belgischen Justizbehörden und dem behaupteten Schaden nicht dargetan.

125 Da die Voraussetzung für die Auslösung der außervertraglichen Haftung der Gemeinschaft, wonach ein Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Schaden und dem Verhalten des OLAF bestehen muss, im vorliegenden Fall somit nicht erfüllt ist, ist der Schadensersatzantrag in Bezug auf die „Anzeige“ des OLAF zurückzuweisen, ohne dass die weiteren Voraussetzungen für die Auslösung dieser Haftung geprüft werden müssten.

126 Was zweitens den Antrag auf Ersatz des Schadens angeht, der sich aus den Pressemitteilungen des OLAF ergeben soll, so ist festzustellen, dass der Kläger auf den Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten vom 10. Juni 2003 und dessen Empfehlung vom 20. November 2003 verweist, in denen ein Missstand in der Verwaltungstätigkeit festgestellt wird, um daraus zu schließen, dass die Pressemitteilung vom 27. März 2002 „als solche“ ein „rechtswidriges Verwaltungshandeln“ darstelle und die Pressemitteilung vom 30. September 2003 einen weiteren Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstelle, da auch sie dadurch, dass sie die in der vorangegangenen Mitteilung erhobenen Verdächtigungen wiederhole, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße.

127 Insoweit ist zunächst festzustellen, dass der Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, dessen Verletzung in diesem Rahmen allein geltend gemacht wird, als solcher dem Einzelnen keine Rechte verleiht (Urteil des Gerichts vom 6. Dezember 2001 in der Rechtssache T?196/99, Area Cova u. a./Rat und Kommission, Slg. 2001, II?3597, Randnr. 43), sofern er keine Ausprägung spezifischer Rechte wie des Rechts darauf, dass die eigenen Angelegenheiten unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden, des Rechts, gehört zu werden, des Rechts auf Zugang zu den Akten und des Rechts darauf, dass Entscheidungen begründet werden, im Sinne von Artikel 41 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1) darstellt, was hier nicht der Fall ist.

128 Überdies bedeutet die Qualifizierung durch den Bürgerbeauftragten als „Missstand in der Verwaltungstätigkeit“ als solche nicht, dass das Verhalten des OLAF einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm im Sinne der Rechtsprechung darstellt. Mit der Einführung eines Bürgerbeauftragten hat der EG-Vertrag den Unionsbürgern und insbesondere den Beamten und sonstigen Bediensteten der Gemeinschaft für die Wahrnehmung ihrer Interessen eine Alternative zur Klageerhebung beim Gemeinschaftsrichter eröffnet. Diese außergerichtliche Alternative entspricht spezifischen Kriterien und hat nicht notwendigerweise dasselbe Ziel wie eine Klage (Urteil vom 10. April 2002 in der Rechtssache T?209/00, Lamberts/Bürgerbeauftragter, Slg. 2002, II?2203, Randnr. 65).

129 In Anbetracht der dem OLAF durch die Verordnung Nr. 1073/1999 verliehenen Autonomie und des im Allgemeininteresse liegenden Zieles der Informierung der Öffentlichkeit durch Pressemitteilungen ist auch davon auszugehen, dass das OLAF hinsichtlich der Frage, ob und mit welchem Inhalt es Pressemitteilungen über seine Untersuchungstätigkeiten veröffentlicht, über ein Ermessen verfügt.

130 Außerdem ergibt sich aus der Prüfung des Wortlauts der Pressemitteilung vom 27. März 2002, dass die einzige Passage, aus der sich eine Schädigung ergeben könnte, wie folgt lautet:

„Entsprechend den Informationen, die dem [OLAF] zugegangen sind, hat ein Journalist eine Reihe von Dokumenten erhalten, die sich auf die sogenannte ‚van Buitenen Affaire‘ beziehen. … Diese Untersuchung wird auch dem Vorwurf nachgehen, dass dieses Dokument durch die Bezahlung eines Beamten erhalten wurde. …“

131 Selbst wenn es Personen, die Kenntnis von der Affäre hatten, möglich gewesen sein sollte, eine Verbindung zum Kläger herzustellen, stellen diese in hypothetischer Form und ohne Nennung des Namens des Klägers und des Magazins, für das er arbeitete, verfassten Angaben keine offensichtliche und erhebliche Überschreitung der Grenzen des Ermessens des OLAF dar. Außerdem hat der Stern selbst in seiner Pressemitteilung vom 28. März 2002 den Namen des Klägers genannt. Somit hat nicht das OLAF, sondern das Magazin Stern, für das der Kläger arbeitete, die Identität des Klägers im Zusammenhang mit den Untersuchungen des OLAF enthüllt. Für die mit dieser Publizität verbundene angebliche Schädigung seines Rufes und seines beruflichen Ansehens kann daher nicht das OLAF zur Verantwortung gezogen werden. Aus der streitigen Pressemitteilung ergibt sich somit kein hinreichend qualifizierter Verstoß des OLAF gegen das Gemeinschaftsrecht.

132 Mit der Pressemitteilung des OLAF vom 30. September 2003, die auf den Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten vom 18. Juni 2003 hin veröffentlicht wurde, sollten die in der Pressemitteilung vom 27. März 2002 enthaltenen Behauptungen abgeschwächt werden. Darin heißt es:

„Die Untersuchungen von OLAF sind noch nicht abgeschlossen, doch bisher liegen keine Beweise vor, dass eine Geldzahlung getätigt wurde.“

Diese Mitteilung stellt daher ebenso wenig wie die vorangegangene Mitteilung einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar.

133 Dasselbe gilt für die im Magazin European Voice vom 4. April 2002 zitierte Erklärung des Sprechers des OLAF, dass das OLAF über „Prima-facie-Beweise [verfügt], dass eine Zahlung erfolgt sein könne“; in Anbetracht dieser vorsichtigen Formulierung kann nicht festgestellt werden, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vorliegt. Zur Erklärung des Direktors des OLAF in Stern TV am 24. März 2004 trägt der Kläger nichts vor, was die Überprüfung des Inhalts dieser Erklärung ermöglichen würde.

134 Zudem macht der Kläger in seiner Klageschrift keine rechtlichen Ausführungen dazu, inwiefern die Veröffentlichung der Pressemitteilungen und anderen öffentlichen Erklärungen des OLAF als „hinreichend qualifizierter Verstoß“ gegen eine Rechtsnorm qualifiziert werden könnte.

135 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Kläger das Vorliegen eines dem OLAF zurechenbaren hinreichend qualifizierten Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht, durch den ihm ein Schaden entstehen konnte, nicht nachgewiesen hat. Sein Schadensersatzantrag in Bezug auf die Pressemitteilungen und anderen öffentlichen Erklärungen des OLAF ist daher zurückzuweisen, ohne dass das tatsächliche Vorliegen und die Beschaffenheit des behaupteten Schadens zu prüfen wären.

136 Die Schadensersatzklage ist somit in vollem Umfang abzuweisen.

Zum Antrag auf Vorlage von Unterlagen

137 Der Kläger beantragt, der Kommission aufzugeben, eine vollständige Kopie der „Anzeigen“ vorzulegen, die das OLAF an die deutschen und die belgischen Justizbehörden gesandt hat.

138 Die Kommission hat im Verfahren vor dem Gericht die am 11. Februar 2004 an die deutschen und die belgischen Justizbehörden gerichteten Schreiben in einer ungekürzten Fassung vorgelegt.

139 Daher braucht über diesen gegenstandslos gewordenen Antrag nicht entschieden zu werden.

140 Nach alledem ist die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Kosten

141 Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Kläger unterlegen ist, sind ihm neben seinen eigenen Kosten gemäß dem Antrag der Kommission deren Kosten einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

142 Nach Artikel 87 § 4 Absatz 3 der Verfahrensordnung trägt die IFJ als Streithelferin ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Vierte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Über den Antrag auf Vorlage von Unterlagen braucht nicht entschieden zu werden.

3. Der Kläger trägt seine eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

4. Die International Federation of Journalists trägt ihre eigenen Kosten.

Legal

Lindh

Vadapalas

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 4. Oktober 2006.

Der Kanzler

 

Der Präsident

E. Coulon

 

H. Legal


* Verfahrenssprache: Englisch.

Quelle: http://www.curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de&Submit=

Suchen&alldocs=alldocs&docj=docj&docop=docop&docor=docor&docjo=docjo&numaff=

&datefs=&datefe=&nomusuel=&domaine=&mots=Stern&resmax=100

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:26
EuG: Akteneinsicht bei großer Dokumentenzahl http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=6242 Europäisches Gericht 1. Instanz
Urteil vom 13. April 2005

„Akteneinsicht – Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 – Antrag, der sich auf eine sehr große Zahl von Dokumenten bezieht – Vollständige Zugangsverweigerung – Verpflichtung zu einer konkreten und individuellen Prüfung – Ausnahmen“

In der Rechtssache T-2/03

Verein für Konsumenteninformation mit Sitz in Wien (Österreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt A. Klauser,

Kläger,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch S. Rating und P. Aalto als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

unterstützt durch

Bank für Arbeit und Wirtschaft AG mit Sitz in Wien, Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt H.-J. Niemeyer, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

und durch

Österreichische Volksbanken AG mit Sitz in Wien

und

Niederösterreichische Landesbank-Hypothekenbank AG mit Sitz in Sankt Pölten (Österreich),

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte R. Roniger, A. Ablasser und W. Hemetsberger,

Streithelferinnen,

wegen Nichtigerklärung der Entscheidung D (2002) 330472 der Kommission vom 18. Dezember 2002 betreffend einen Antrag auf Einsichtnahme in die Verwaltungsakten in der Sache COMP/36.571/D-1 – Österreichische Banken („Lombard-Club“)

erlässt

DAS GERICHT ERSTER INSTANZ DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten B. Vesterdorf, der Richter M. Jaeger und P. Mengozzi sowie der Richterinnen M. E. Martins Ribeiro und I. Labucka,

Kanzler: H. Jung,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2004

folgendes Urteil:

Rechtlicher Rahmen

1. Die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) legt die Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen für den in Artikel 255 EG vorgesehenen Anspruch auf Zugang zu Dokumenten dieser Gemeinschaftsorgane fest. Diese Verordnung gilt seit dem 3. Dezember 2001.

2. Durch den Beschluss 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (ABl. L 345, S. 94) wurde der Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom der Kommission vom 8. Februar 1994 über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58) aufgehoben, der bezüglich der Kommission die Anwendung des Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. 1993, L 340, S. 41, im Folgenden: Verhaltenskodex) sicherstellte.

3. Artikel 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 bestimmt:

„(1) Jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat hat vorbehaltlich der in dieser Verordnung festgelegten Grundsätze, Bedingungen und Einschränkungen ein Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe.

(3) Diese Verordnung gilt für alle Dokumente eines Organs, das heißt Dokumente aus allen Tätigkeitsbereichen der Union, die von dem Organ erstellt wurden oder bei ihm eingegangen sind und sich in seinem Besitz befinden.

…“

4. Artikel 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthält folgende Begriffsbestimmungen:

„Im Sinne dieser Verordnung bedeutet:

a) ‚Dokument‘: Inhalte unabhängig von der Form des Datenträgers (auf Papier oder in elektronischer Form, Ton-, Bild- oder audiovisuelles Material), die einen Sachverhalt im Zusammenhang mit den Politiken, Maßnahmen oder Entscheidungen aus dem Zuständigkeitsbereich des Organs betreffen;

b) ‚Dritte‘: alle natürlichen und juristischen Personen und Einrichtungen außerhalb des betreffenden Organs, einschließlich der Mitgliedstaaten, der anderen Gemeinschafts- oder Nicht-Gemeinschaftsorgane und -einrichtungen und der Drittländer. “

5. Artikel 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 über die Ausnahmen vom Zugangsrecht bestimmt:

„(1) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

b) der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten.

(2) Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

– der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums,

– der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung,

– der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten,

es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

(3) Der Zugang zu einem Dokument, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegangen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hat, wird verweigert, wenn eine Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

Der Zugang zu einem Dokument mit Stellungnahmen zum internen Gebrauch im Rahmen von Beratungen und Vorgesprächen innerhalb des betreffenden Organs wird auch dann, wenn der Beschluss gefasst worden ist, verweigert, wenn die Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

(4) Bezüglich Dokumente Dritter konsultiert das Organ diese, um zu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen der Absätze 1 oder 2 anwendbar ist, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf.

(6) Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments freigegeben …“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

6. Der Verein für Konsumenteninformation (im Folgenden: Kläger) ist eine Verbrauchervereinigung österreichischen Rechts. Der österreichische Gesetzgeber hat den Kläger zur Wahrung der Verbraucherinteressen mit der Befugnis ausgestattet, vor österreichischen Zivilgerichten Ansprüche von Verbrauchern auf Geldzahlungen, die diese dem Kläger zur Geltendmachung abgetreten haben, klageweise geltend zu machen.

7. Die Kommission stellte in der Entscheidung 2004/138/EG vom 11. Juni 2002 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG in der Sache COMP/36.571/D-1 – Österreichische Banken („Lombard Club“) (ABl. 2004, L 56, S. 1) fest, dass acht österreichische Banken jahrelang in nahezu ganz Österreich ein Kartell, das so genannte „Lombard-Club“-Kartell, betrieben hätten (im Folgenden: Entscheidung Lombard-Club). Die betreffenden Banken hätten im Rahmen dieses Kartells u. a. die Einlagen- und Kreditzinssätze gemeinsam festgelegt. Die Kommission verhängte daher gegen diese Banken, darunter die Bank für Arbeit und Wirtschaft AG (im Folgenden: BAWAG), die Österreichische Volksbanken AG (im Folgenden: ÖVAG) und die Niederösterreichische Landesbank-Hypothekenbank AG (im Folgenden: NÖ-Hypobank), Geldbußen in Höhe von insgesamt 124,26 Mio. Euro.

8. Der Kläger führt gegen die BAWAG gegenwärtig mehrere Zivilprozesse vor österreichischen Gerichten. In diesen Verfahren macht er geltend, dass die BAWAG ihren Kunden durch eine unkorrekte Anpassung der Zinssätze für variabel verzinste Kredite jahrelang überhöhte Zinsen berechnet habe.

9. Mit Schreiben vom 14. Juni 2002 beantragte der Kläger bei der Kommission Akteneinsicht betreffend die Entscheidung Lombard-Club (im Folgenden: Akte Lombard-Club). Er stützte seinen Antrag insbesondere darauf, dass er zur erfolgreichen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs zugunsten der von ihm vertretenen Verbraucher in der Lage sein müsse, konkrete Prozessbehauptungen in Bezug auf das kartellrechtswidrige Verhalten der BAWAG und die Auswirkungen dieses Verhaltens aufzustellen. Dazu wäre die Einsicht in die Akte Lombard-Club eine wichtige, wenn nicht sogar unverzichtbare Hilfe.

10. Mit Schreiben vom 3. Juli 2002 forderte die Kommission den Kläger auf, seinen Antrag und insbesondere dessen rechtliche Grundlage zu präzisieren. Der Kläger antwortete darauf mit Schreiben vom 8. Juli 2002, dass er seinen Antrag insbesondere auf Artikel 255 Absätze 1 und 2 EG, die Verordnung Nr. 1049/2001, die Durchführungsbestimmungen zu dieser Verordnung, Artikel 42 der am 7. Dezember 2000 in Nizza proklamierten Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 364, S. 1, im Folgenden: Grundrechtscharta) sowie auf die Artikel 5 EG und 10 EG stütze.

11. Am 24. Juli 2002 wiesen die Vertreter des Klägers in einer Zusammenkunft mit den Dienststellen der Kommission darauf hin, dass sich der Kläger schriftlich dazu verpflichten könnte, die erlangten Informationen ausschließlich zur Durchsetzung von Verbraucheransprüchen in nationalen Verfahren gegen die BAWAG zu verwenden.

12. Mit Schreiben vom 12. August 2002 ergänzte der Kläger seinen Antrag, indem er nochmals seine Bereitschaft bekräftigte, die in der Zusammenkunft vom 24. Juli 2002 angesprochene Verpflichtung einzugehen.

13. Mit Schreiben vom 12. September 2002 lehnte die Kommission gestützt auf die Verordnung Nr. 1049/2001 den Antrag des Klägers in vollem Umfang ab.

14. Am 26. September 2002 stellte der Kläger einen Zweitantrag im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1049/2001, in dem er unter Aufrechterhaltung seines Antrages darauf hinwies, dass es ihm nicht in erster Linie um die internen Dokumente der Kommission gehe.

15. Am 14. Oktober 2002 bestätigte die Kommission den Eingang dieses Zweitantrags und wies den Kläger darauf hin, dass die Frist für die Beantwortung seines Antrags wegen der Zahl der angeforderten Dokumente um 15 Arbeitstage verlängert würde.

16. Am 18. Dezember 2002 erließ die Kommission die Entscheidung D (2002) 330472 betreffend einen Antrag auf Einsichtnahme in die Verwaltungsakten in der Sache COMP/36.571/D-1 – Österreichische Banken („Lombard-Club“) (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). In der angefochtenen Entscheidung wurde die ablehnende Entscheidung vom 12. September 2002 bestätigt.

17. In der angefochtenen Entscheidung gliederte die Kommission als Erstes die in der Akte Lombard-Club enthaltenen Dokumente – mit Ausnahme der internen Dokumente – in elf verschiedene Kategorien. Diese Akte enthält unter Ausschluss der internen Dokumente mehr als 47 000 Seiten.

18. Zweitens legte die Kommission im Einzelnen dar, weshalb jede dieser Kategorien unter eine oder mehrere der in der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen falle.

19. Drittens erklärte sie, dass der Kläger in den Fällen, in denen für die Anwendung bestimmter Ausnahmen eine Interessenabwägung vorgenommen werden müsse, kein überwiegendes öffentliches Interesse geltend gemacht habe, das die beantragte Akteneinsicht rechtfertigen könnte.

20. Viertens nannte sie die Gründe, aus denen eine Einsichtnahme in Teile der Akte hier nicht möglich sei. Eine Prüfung jedes einzelnen Dokuments im Hinblick auf eine etwaige Einsichtnahme in Teile der Akte hätte ihr eine unangemessene und unverhältnismäßige Arbeitslast verursacht.

21. Fünftens bemerkte die Kommission, dass eine Konsultation Dritter im Hinblick auf eine etwaige Einsichtnahme in von diesen verfasste Dokumente im vorliegenden Fall nicht notwendig sei, da gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 klar sei, dass diese Dokumente nicht verbreitet werden dürften.

22. Die Kommission kam in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis, dass der Antrag des Klägers auf Akteneinsicht in vollem Umfang abzulehnen sei.

Verfahren vor dem Gericht

23. Mit Klageschrift, die am 7. Januar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger Klage auf Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung erhoben. Mit besonderem Schriftsatz, der am selben Tag eingegangen ist, hat er beantragt, über diese Klage gemäß Artikel 76a der Verfahrensordnung des Gerichts im beschleunigten Verfahren zu entscheiden.

24. Mit besonderem Schriftsatz, der am 8. Januar 2003 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt.

25. Am 20. Januar 2003 hat sich die Kommission zu dem Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren geäußert.

26. Die Erste Kammer des Gerichts, der die Rechtssache durch Beschluss vom 20. Januar 2003 zugewiesen worden ist, hat den Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren mit Beschluss vom 28. Januar 2003, der dem Kläger am nächsten Tag zugestellt worden ist, zurückgewiesen.

27. Am 18. Februar 2003 hat sich die Kommission zu dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe geäußert.

28. Am 10. März 2003 hat die Kommission ihre Klagebeantwortung eingereicht.

29. Mit Beschluss vom 14. März 2003 hat der Präsident des Gerichts den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

30. Mit Schreiben vom 1. April 2003 hat der Kläger auf die Einreichung einer Erwiderung verzichtet.

31. Am 15. April 2003 hat die BAWAG einen Antrag auf Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission gestellt. Das Königreich Schweden und die Republik Finnland haben am 16. und 25. April 2003 beantragt, als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Klägers zugelassen zu werden. Am 29. April 2003 haben schließlich die ÖVAG und die NÖ-Hypobank gemeinsam beantragt, als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen zu werden.

32. Mit Beschluss vom 1. August 2003 hat der Präsident der Ersten Kammer des Gerichts die Republik Finnland und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Klägers zugelassen. Mit demselben Beschluss sind die BAWAG sowie die ÖVAG und die NÖ-Hypobank als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen worden.

33. Da diese Anträge innerhalb der in Artikel 115 § 1 der Verfahrensordnung vorgesehenen Frist gestellt worden sind, sind den Streithelfern gemäß Artikel 116 § 2 der Verfahrensordnung alle den Parteien übermittelten Verfahrensunterlagen zugesandt worden.

34. Am 10. und 12. September 2003 haben die Republik Finnland und das Königreich Schweden ihre Streitbeitritte zurückgenommen.

35. Am 26. September 2003 haben die BAWAG sowie die ÖVAG und die NÖ-Hypobank ihre Streithilfeschriftsätze eingereicht.

36. Da sich der Kläger und die Kommission zur Rücknahme des Streitbeitritts durch die Republik Finnland und das Königreich Schweden nicht geäußert haben, hat der Präsident der Ersten Kammer mit Beschluss vom 6. November 2003 die Streitbeitritte dieser Streithelfer in der vorliegenden Rechtssache gestrichen und dem Kläger sowie der Kommission deren eigene Kosten auferlegt, soweit sie durch diese Streitbeitritte verursacht sind.

37. Am 14. November 2003 hat der Kläger zu den Streithilfeschriftsätzen schriftliche Erklärungen eingereicht; die Kommission hat das Gleiche am 11. November 2003 getan.

38. Das Gericht hat nach Artikel 14 der Verfahrensordnung auf Vorschlag der Ersten Kammer nach Anhörung der Parteien gemäß Artikel 51 der Verfahrensordnung beschlossen, die Rechtssache an einen erweiterten Spruchkörper zu verweisen.

39. Auf Bericht des Berichterstatters (Erste erweiterte Kammer) hat das Gericht beschlossen, die mündliche Verhandlung zu eröffnen, und der Kommission sowie den Streithelferinnen im Rahmen prozessleitender Maßnahmen nach Artikel 64 der Verfahrensordnung schriftlich einige Fragen gestellt.

40. Am 6. Juli 2004 haben die Kommission und die Streithelferinnen die Fragen des Gerichts schriftlich beantwortet.

40. Am 6. Juli 2004 haben die Kommission und die Streithelferinnen die Fragen des Gerichts schriftlich beantwortet. Die Parteien haben in der Sitzung vom 28. September 2004 mündlich verhandelt und Fragen des Gerichts beantwortet.

Anträge der Verfahrensbeteiligten

42. Der Kläger beantragt,

     

  • die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
  •  

     

  • die fragliche Akte zum Beweis der Begründetheit seiner Anträge beizuschaffen und einzusehen;
  •  

     

  • der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
  •  

43. Die Kommission beantragt,

     

  • die Klage abzuweisen;
  •  

     

  • dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
  •  

44. Die BAWAG beantragt als Streithelferin der Kommission,

     

  • die Klage abzuweisen;
  •  

     

  • dem Kläger die Kosten des Verfahrens einschließlich ihrer Kosten aufzuerlegen.
  •  

45. Die ÖVAG und die NÖ-Hypobank beantragen als Streithelferinnen der Kommission,

     

  • die Klage abzuweisen;
  •  

     

  • dem Kläger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
  •  

Entscheidungsgründe

Zum Rahmen des Rechtsstreits und zur Zulässigkeit bestimmter Argumente der Streithelferinnen

46. Die Kommission hat die angefochtene Entscheidung unstreitig auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 erlassen.

47. Der Kläger stützt seine Klage im Wesentlichen auf sechs Klagegründe. Erstens sei es mit dem Anspruch auf Akteneinsicht und insbesondere mit der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht vereinbar, den Zugang zu einer Verwaltungsakte vollständig zu verweigern, ohne vorher jedes der in der Akte enthaltenen Dokumente konkret geprüft zu haben. Zweitens habe die Kommission mehrere der in Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen falsch angewandt oder falsch ausgelegt. Drittens habe die Kommission rechtswidrig festgestellt, dass die Interessenabwägung im vorliegenden Fall gegen eine Verbreitung der vom Antrag betroffenen Verwaltungsakte spreche. Viertens hätte die Kommission ihm zumindest die Einsichtnahme in einen Teil der Akte gewähren müssen. Fünftens stelle die Tatsache, dass die Banken, die bestimmte Dokumente verfasst hätten, nicht konsultiert worden seien, einen Verstoß gegen Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 dar. Sechstens schließlich habe die Kommission gegen Artikel 255 EG, Artikel 42 der Grundrechtscharta und gegen die Artikel 5 EG und 10 EG verstoßen.

48. Die BAWAG sowie die ÖVAG und die NÖ-Hypobank haben in ihren Streithilfeschriftsätzen mehrere Argumente (im Folgenden: zusätzliche Argumente) dafür vorgetragen, dass erstens die Verordnung Nr. 1049/2001 nur auf Dokumente Anwendung finde, die im gemeinschaftlichen Gesetzgebungsverfahren erstellt worden seien, zweitens sich das Recht auf Akteneinsicht in Wettbewerbsfragen zur Zeit des Sachverhalts ausschließlich nach der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81] und [82] des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), gerichtet habe, drittens ein Verein mit einem öffentlich-rechtlichen Status nicht in den Genuss des Zugangsrechts nach der Verordnung Nr. 1049/2001 komme, viertens der Antrag des Klägers auf Akteneinsicht im Hinblick auf die Verordnung Nr. 1049/2001 unzulässig sei, fünftens die Verordnung Nr. 1049/2001 gegen Artikel 225 EG verstoße, da sie den Zugang zu Dokumenten Dritter erlaube, und sechstens die Verordnung nur auf solche Dokumente Anwendung finden könne, die nach ihrem Inkrafttreten, d. h. nach dem 3. Dezember 2001, in den Besitz der Gemeinschaftsorgane gelangt seien.

49. Mit den zusätzlichen Argumenten soll somit dargetan werden, dass die Verordnung Nr. 1049/2001 entweder im vorliegenden Fall nicht anwendbar war oder von der Kommission nicht richtig angewandt wurde oder in Bezug auf die angefochtene Entscheidung eine rechtswidrige Rechtsgrundlage darstellt.

50. Sollte das Gericht einem oder mehreren der zusätzlichen Argumente folgen, würden diese folglich die Feststellung ermöglichen, dass die angefochtene Entscheidung rechtswidrig ist. Die Streithelferinnen wurden aber in der vorliegenden Rechtssache zur Unterstützung der Anträge der Kommission zugelassen, die die Abweisung der Nichtigkeitsklage beantragt.

51. Schriftlich und in der mündlichen Verhandlung zur Vereinbarkeit der zusätzlichen Argumente mit den von ihnen unterstützten Anträgen befragt, haben die Streithelferinnen im Wesentlichen geantwortet, dass ein Streithelfer nach der Rechtsprechung Argumente vortragen dürfe, die sich vom Vorbringen der von ihm unterstützten Partei unterschieden oder sogar im Widerspruch dazu stünden (Urteil des Gerichtshofes vom 23. Februar 1961 in der Rechtssache 30/59, De gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Behörde, Slg. 1961, 3, 41, und Urteil des Gerichts vom 6. März 2003 in den Rechtssachen T-228/99 und T-233/99, Westdeutsche Landesbank Girozentrale/Kommission, Slg. 2003, II-435, Randnr. 145).

52. Nach Artikel 40 Absatz 4 der Satzung des Gerichtshofes, der nach Artikel 53 der Satzung auf das Gericht anwendbar ist, können jedoch mit den aufgrund des Beitritts gestellten Anträgen nur die Anträge einer Partei unterstützt werden. Ferner muss der Streithelfer nach Artikel 116 § 3 der Verfahrensordnung den Rechtsstreit in der Lage annehmen, in der dieser sich zur Zeit des Beitritts befindet. Diese Bestimmungen verwehren es einem Streithelfer zwar nicht, andere Argumente als die von ihm unterstützte Partei vorzubringen, dies gilt jedoch nur, soweit diese Argumente nicht den Rahmen des Rechtsstreits ändern und die Streithilfe weiterhin die Unterstützung der Anträge dieser Partei bezweckt (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofes vom 8. Juli 1999 in der Rechtsache C-245/92 P, Chemie Linz/Commission, Slg., 1999, I-4643, Randnr. 32, und vom 8. Januar 2002 in der Rechtssache C-248/99 P, Frankreich/Monsanto und Kommission, Slg. 2002, I-1, Randnr. 56, sowie Urteil des Gerichts vom 3. April 2003 in der Rechtssache T-119/02, Royal Philips Electronics/Kommission, Slg. 2003, II-1433, Randnrn. 203 und 212).

53. Da im vorliegenden Fall einerseits die zusätzlichen Argumente, falls sie stichhaltig wären, die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung ermöglichen würden und da andererseits der Antrag der Kommission auf Abweisung der Nichtigkeitsklage gerichtet ist und nicht durch Angriffsmittel gestützt wird, die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung abzielen, ist ersichtlich, dass die Prüfung der zusätzlichen Argumente zu einer Änderung des durch die Klageschrift und die Klagebeantwortung festgelegten Rahmens des Rechtsstreits führen würde (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. Juli 1995 in den Rechtssachen T-447/93 bis T-449/93, AITEC u. a./Kommission, Slg. 1995, II-1971, Randnr. 122, und vom 24. Oktober 1997 in der Rechtssache T-243/94, British Steel/Kommission, Slg. 1997, II-1887, Randnrn. 72 und 73).

54. Darüber hinaus ist das Vorbringen der Streithelferinnen zurückzuweisen, mit dem dargetan werden soll, dass die zusätzlichen Argumente im Kern den Antrag der Kommission stützten, den vom Kläger beantragten Zugang zu den Dokumenten zu verweigern. Zum einen hat die Kommission in der vorliegenden Rechtssache nämlich keineswegs beantragt, den beantragten Zugang zu den streitigen Dokumenten unabhängig von den Gründen der angefochtenen Entscheidung zu verweigern, sondern lediglich, die Nichtigkeitsklage abzuweisen. Zum anderen ist das Gericht nicht befugt, sich im Rahmen seiner Rechtmäßigkeitskontrolle an die Stelle der Kommission zu setzen, um festzustellen, ob der Zugang zu den streitigen Dokumenten aus anderen Gründen als den in der angefochtenen Entscheidung genannten zu verweigern ist.

55. Die zusätzlichen Argumente sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zum ersten Klagegrund, dem Fehlen einer konkreten Prüfung der im Antrag bezeichneten Dokumente, und zum vierten Klagegrund, der Missachtung des Rechts auf teilweisen Zugang

56. Zunächst sind zusammen der erste und der vierte Klagegrund des Klägers zu prüfen.

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

Zum ersten Klagegrund: Fehlen einer konkreten Prüfung der im Antrag bezeichneten Dokumente

57. Mit seinem ersten Klagegrund macht der Kläger geltend, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung entgegen der Verordnung Nr. 1049/2001 die gesamte Akte Lombard-Club vom Recht auf Dokumentenzugang ausgenommen habe, ohne eine konkrete Prüfung jedes in dieser Akte enthaltenen Dokuments vorzunehmen. Nur konkrete, auf einzelne Dokumente bezogene Umstände könnten jedoch eine Ausnahme vom Recht auf Dokumentenzugang rechtfertigen.

58. Die Kommission entgegnet auf den ersten Klagegrund des Klägers, dass es im vorliegenden Fall nicht darum gehe, festzustellen, ob sie den Zugang zu allen von dem Antrag betroffenen Dokumenten verweigert habe, sondern ausschließlich darum, ob sie ihre Weigerung hinsichtlich all dieser Dokumente ordnungsgemäß begründet habe. Sie habe im vorliegenden Fall keineswegs die gesamte Akte Lombard-Club vom Recht auf Dokumentenzugang ausgenommen, sondern vielmehr erläutert, weshalb die in Artikel 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 aufgezählten Verweigerungsgründe einer Verbreitung der in dieser Akte enthaltenen Dokumente entgegenstünden.

59. Außerdem sei es nicht gemeinschaftsrechtswidrig, den Zugang zu verschiedenen Kategorien von Dokumenten zu verweigern, ohne jedes einzelne darin enthaltene Dokument zu prüfen, soweit wie im vorliegenden Fall die Gründe dafür hinsichtlich jeder einzelnen Kategorie angegeben würden. Das Gericht habe ausdrücklich festgestellt, dass die Kommission berechtigt sei, eine Akte in Kategorien von Dokumenten zu unterteilen und den Zugang jeweils insgesamt zu verweigern, sofern sie die Gründe ihrer Weigerung nenne (Urteil des Gerichts vom 5. März 1997 in der Rechtssache T-105/95, WWF UK/Kommission, Slg. 1997, II-313, Randnr. 64).

60. Eine Prüfung der verschiedenen Dokumente und Teile von Dokumenten innerhalb dieser Kategorien habe nicht stattgefunden, weil dies einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert hätte.

Zum vierten Klagegrund: Missachtung des Rechts auf teilweisen Zugang

61. Der Kläger macht geltend, dass eine vollständige Verweigerung der Akteneinsicht nur gerechtfertigt wäre, wenn hinsichtlich sämtlicher Dokumente zumindest eine der Ausnahmebestimmungen des Artikels 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 verwirklicht wäre. Dies sei jedoch im vorliegenden Fall nicht geprüft worden, und deshalb hätte man ihm zumindest teilweise Akteneinsicht gewähren müssen. Das anerkennenswerte Motiv der Kommission, ihren Arbeitsaufwand in Grenzen zu halten, dürfe nicht darauf hinauslaufen, Verbrauchern die Chance zu nehmen, ihnen durch ein Kartell entstandene Schäden ersetzt zu bekommen.

62. Die Kommission wendet sich gegen dieses Vorbringen. Sie räumt ein, dass in der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts ein Anspruch auf teilweisen Zugang zu Dokumenten anerkannt werde. Ein solcher Zugang könne jedoch verweigert werden, wenn er für das Organ einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordere.

63. Bei einem Aktenumfang von über 47 000 Seiten wäre der erforderliche Aufwand aber zwangsläufig unverhältnismäßig. Dies gelte zumindest dann, wenn zum einen nur eine sehr geringe Zahl von Dokumenten innerhalb einer Gruppe herauszugeben wäre, und zum anderen, wenn diese Dokumente für den Antragsteller offensichtlich nutzlos wären. Da die Akte chronologisch geordnet sei, erfordere jeder Teilzugang deren vollständige Sichtung. Die Arbeitsbelastung durch die Erstellung eines Inhaltsverzeichnisses für die gesamte Akte wäre in Anbetracht der einschlägigen Ausnahmen des Artikels 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 ebenso unverhältnismäßig wie ein Teilzugang. Die Unverhältnismäßigkeit des erforderlichen Aufwands stelle als solche keinen Verweigerungsgrund dar. Ergebe sich jedoch aufgrund der Prüfung enger Dokumentenkategorien, dass der Zugang zu verweigern sei, so sei eine zusätzliche Prüfung jedes einzelnen Dokuments innerhalb der jeweiligen Gruppe nicht gerechtfertigt.

64. Die BAWAG sowie die ÖVAG und die NÖ-Hypobank unterstützen im Wesentlichen das Vorbringen der Kommission. Sie erklären, dass es, wenn ein Antragsteller in seinem Antrag auf Akteneinsicht sein Interesse ausdrücklich angegeben habe, unverhältnismäßig wäre, von dem Organ, an das dieser Antrag gerichtet sei, die Gewährung von Teilzugang zu denjenigen Dokumenten zu verlangen, die dem Zweck des Antrags nicht dienten.

Würdigung durch das Gericht

65. Die Kommission hat die Dokumente, aus denen die Akte Lombard-Club besteht, unstreitig nicht konkret und individuell geprüft. In der mündlichen Verhandlung hat die Kommission bestätigt, dass sie auf den Zweitantrag des Klägers hin die Akte Lombard-Club mit Ausnahme der internen Dokumente in elf verschiedene Kategorien gegliedert habe, ohne jedes einzelne Dokument zu prüfen. Aus der angefochtenen Entscheidung geht ferner hervor, dass die Kommission nach Festlegung dieser Kategorien die Auffassung vertreten hat, dass „auf jede Dokumentenkategorie eine oder mehrere der nach Art. 4 der Verordnung 1049/2001 vorgesehenen Ausnahmen zutreffen und kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung besteht“. Weiter hat die Kommission ausgeführt, dass eine „Prüfung einzelner Dokumente, die über die Prüfung dieser Kategorien hinausgeht, … aus Gründen der Verhältnismäßigkeit weder notwendig noch hilfreich [erscheint]“. Sie hat außerdem „hilfsweise“ erklärt, dass die Veröffentlichung der Entscheidung Lombard-Club ausreiche, um den Interessen des Klägers zu „dienen“.

66. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist demnach zu untersuchen, ob die Kommission grundsätzlich verpflichtet war, die im Antrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu prüfen, und, falls ja, inwieweit diese Prüfungspflicht durch Ausnahmen insbesondere im Zusammenhang mit der sich daraus ergebenden Arbeitslast eingeschränkt werden konnte.

Zur Verpflichtung, eine konkrete und individuelle Prüfung durchzuführen

67. Artikel 2 der Verordnung Nr. 1049/2001 definiert das Recht auf Zugang zu den Dokumenten der Organe. Artikel 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 sieht mehrere Ausnahmen vom Zugangsrecht vor. Die Artikel 6 bis 8 der Verordnung Nr. 1049/2001 enthalten Bestimmungen für die Bearbeitung von Anträgen auf Akteneinsicht.

68. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, dass ein Organ, dem ein auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützter Antrag auf Zugang zu Dokumenten vorliegt, verpflichtet ist, diesen Antrag zu prüfen und auf ihn zu antworten und insbesondere zu untersuchen, ob eine der in Artikel 4 der Verordnung genannten Ausnahmen auf die betreffenden Dokumente anwendbar ist.

69. Nach ständiger Rechtsprechung muss die im Rahmen der Bearbeitung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten erforderliche Prüfung konkret sein. Zum einen kann der bloße Umstand, dass ein Dokument ein durch eine Ausnahme geschütztes Interesse betrifft, nicht ausreichen, um die Anwendung der Ausnahme zu rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 13. September 2000 in der Rechtssache T-20/99, Denkavit Nederland/Kommission, Slg. 2000, II-3011, Randnr. 45). Eine solche Anwendung kann grundsätzlich nur dann gerechtfertigt sein, wenn das Organ zuvor geprüft hat, ob erstens der Zugang zu dem Dokument das geschützte Interesse tatsächlich konkret verletzt hätte, und ob zweitens – in den Fällen des Artikels 4 Absätze 2 und 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 – nicht ein höherrangiges öffentliches Interesse bestand, das die Verbreitung des betreffenden Dokuments rechtfertigte. Zum anderen muss die Gefahr einer Beeinträchtigung eines geschützten Interesses absehbar und darf nicht rein hypothetisch sein (vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 7. Februar 2002 in der Rechtssache T-211/00, Kuijer/Rat, Slg. 2002, II-485, Randnr. 56, im Folgenden: Urteil Kuijer II). Die Prüfung, die das Organ durchführen muss, um eine Ausnahme anzuwenden, muss daher konkret sein und aus der Begründung der Entscheidung hervorgehen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 6. April 2000 in der Rechtssache T-188/98, Kuijer/Rat, Slg. 2000, II-1959, Randnr. 38, im Folgenden: Urteil Kuijer I, und vom 19. Juli 1999 in der Rechtssache T-14/98, Hautala/Rat, Slg. 1999, II-2489, Randnr. 67).

70. Diese konkrete Prüfung muss außerdem in Bezug auf jedes im Antrag bezeichnete Dokument durchgeführt werden. Aus der Verordnung Nr. 1049/2001 ergibt sich nämlich, dass alle in ihrem Artikel 4 Absätze 1 bis 3 genannten Ausnahmen auf das einzelne Dokument („zu einem Dokument“) anzuwenden sind.

71. Dass eine solche konkrete und individuelle Prüfung – statt einer abstrakten und generellen Prüfung – erforderlich ist, wird auch durch die Rechtsprechung zur Anwendung des Verhaltenskodex bestätigt.

72. Zum einen enthielt der Verhaltenskodex, dessen Grundsätze zum Teil durch Artikel 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 übernommen wurden, eine erste Gruppe von Ausnahmen, die es der Kommission zur Pflicht machten, den Zugang zu Dokumenten zu verweigern, wenn sich durch deren Verbreitung in Bezug auf die durch diese Ausnahmen geschützten Interessen „eine Beeinträchtigung ergeben könnte“. Das Gericht hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass aus der Verwendung des Verbs „können“ im Konjunktiv folgt, dass die Kommission vor einer Entscheidung über einen Antrag auf Zugang zu Dokumenten „für jedes gewünschte Dokument“ zu prüfen hat, ob dessen Offenlegung nach den ihr vorliegenden Informationen tatsächlich geeignet ist, eines der durch die Ausnahmenregelung geschützten Interessen zu beeinträchtigen (Urteile des Gerichts vom 6. Februar 1998 in der Rechtssache T-124/96, Interporc/Kommission, Slg. 1998, II-231, Randnr. 52, und vom 12. Oktober 2000 in der Rechtssache T-123/99, JT’s Corporation/Kommission, Slg. 2000, II-3269, Randnr. 64). Da der Konjunktiv in Artikel 4 Absätze 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 beibehalten worden ist, ist die im Rahmen des Verhaltenskodex entwickelte Rechtsprechung auf die Verordnung Nr. 1049/2001 übertragbar. Folglich ist festzustellen, dass ein Organ verpflichtet ist, die Anwendung der Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu jedem der in einem Antrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu prüfen.

73. Zum anderen hat das Gericht, wie die Kommission zu Recht unterstreicht, in seinem oben in Randnummer 59 zitierten Urteil WWF UK/Kommission im Kern tatsächlich entschieden (Randnr. 64), dass ein Organ verpflichtet ist, wenigstens für jede Dokumentenkategorie die Gründe anzugeben, derentwegen sie meint, dass die in dem bei ihm gestellten Antrag erwähnten Dokumente mit einer von einer Ausnahme erfassten Kategorie von Informationen zusammenhängen. Unabhängig von der Frage, ob in der Randnummer, auf die sich die Kommission stützt, nur eine Begründungsregel aufgestellt wird, ist jedoch eine konkrete und individuelle Prüfung jedenfalls dann erforderlich, wenn – auch in den Fällen, in denen klar ist, dass ein Antrag auf Akteneinsicht von einer Ausnahme erfasste Dokumente betrifft – nur eine solche Prüfung es dem Organ ermöglicht, zu beurteilen, ob dem Antragsteller teilweiser Zugang nach Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung Nr. 1049/2001 gewährt werden kann. Im Rahmen der Anwendung des Verhaltenskodex hat das Gericht im Übrigen eine Prüfung von Dokumenten nach Kategorien statt nach den in diesen Dokumenten enthaltenen konkreten Informationen für unzureichend erklärt, da die Prüfung, zu der ein Organ verpflichtet ist, es ihm ermöglichen muss, konkret zu beurteilen, ob eine geltend gemachte Ausnahme auch tatsächlich für alle in diesen Dokumenten enthaltenen Informationen gilt (Urteil JT’s Corporation/Kommission, zitiert oben in Randnr. 72, Randnr. 46).

74. Folglich ist festzustellen, dass ein Organ, das einen auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag erhält, grundsätzlich verpflichtet ist, den Inhalt der im Antrag bezeichneten Dokumente konkret und individuell zu prüfen.

75. Diese grundsätzliche Verpflichtung bedeutet allerdings nicht, dass eine solche Prüfung unter allen Umständen erforderlich ist. Da die konkrete und individuelle Prüfung, die das Organ grundsätzlich auf einen auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Akteneinsicht hin durchführen muss, es dem betreffenden Organ ermöglichen soll, zu beurteilen, inwieweit eine Ausnahme vom Zugangsrecht anwendbar ist und ob die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs besteht, kann eine solche Prüfung entbehrlich sein, wenn aufgrund der besonderen Umstände des betreffenden Falles offenkundig ist, dass der Zugang zu verweigern oder im Gegenteil zu gewähren ist. Dies könnte insbesondere dann der Fall sein, wenn bestimmte Dokumente offenkundig in vollem Umfang von einer Ausnahme vom Zugangsrecht erfasst werden oder aber offenkundig in vollem Umfang einsehbar sind oder wenn sie von der Kommission unter ähnlichen Umständen bereits konkret und individuell geprüft worden waren.

76. Im vorliegenden Fall hat die Kommission die angefochtene Entscheidung unstreitig auf eine allgemeine Prüfung nach Kategorien von Dokumenten der Akte Lombard-Club gestützt. Ferner hat sie die im Antrag auf Akteneinsicht bezeichneten Dokumente unstreitig nicht konkret und individuell geprüft, als sie die Anwendbarkeit der geltend gemachten Ausnahmen oder die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs untersuchte.

77. Zu prüfen ist daher, ob sich der Antrag des Klägers auf Dokumente bezog, bei denen es aufgrund der Umstände des vorliegenden Falles nicht erforderlich war, eine solche konkrete und individuelle Prüfung durchzuführen.

78. Die Kommission hat insoweit in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die im Antrag des Klägers bezeichneten Dokumente unter vier verschiedene Ausnahmen vom Zugangsrecht fielen.

79. Die erste der von der Kommission geltend gemachten Ausnahmen betrifft den in Artikel 4 Absatz 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 genannten Schutz des Zweckes von Inspektionstätigkeiten. In der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission die Anwendung dieser Ausnahme im Wesentlichen mit zwei Faktoren gerechtfertigt.

80. Erstens sei die Entscheidung Lombard-Club Gegenstand mehrerer Nichtigkeitsklagen beim Gericht, die noch anhängig seien und über die das Gericht somit noch nicht entschieden habe. Der Zugang Dritter zu diesen Dokumenten könne deshalb die Neubewertung, die sie im Fall einer Nichtigerklärung möglicherweise vornehmen müsse, beeinträchtigen und die Parteien veranlassen, im Rahmen dieser Klagen bestimmte rechtliche Gesichtspunkte vorzutragen.

81. Zweitens seien zahlreiche der in der Akte enthaltenen Dokumente von den in der Entscheidung Lombard-Club mit Sanktionen belegten Unternehmen entweder nach der zur Zeit des Sachverhalts anwendbaren Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen (ABl. 1996, C 207, S. 4) oder im Rahmen von Auskunftsverlangen oder Nachprüfungen auf der Grundlage der Artikel 11 und 14 der Verordnung Nr. 17 übermittelt worden. Würde Dritten die Möglichkeit gegeben, diese Dokumente einzusehen, würden die Unternehmen daher davon abgeschreckt, mit der Kommission zusammenzuarbeiten, und deren Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten in künftigen Fällen beeinträchtigt. Die gleiche Überlegung gelte für die von Dritten erstellten Dokumente.

82. Die Kommission konnte jedoch keine so allgemeine, sich auf die gesamte Akte Lombard-Club beziehende Feststellung treffen, ohne zuvor die Dokumente, aus denen die Akte besteht, konkret und individuell zu prüfen.

83. Zunächst geht aus der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass die Kommission konkret geprüft hat, ob jedes im Antrag bezeichnete Dokument tatsächlich unter eine der elf ermittelten Kategorien fiel. Die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung bekräftigte Begründung der angefochtenen Entscheidung lässt vielmehr darauf schließen, dass die Kommission diese Unterteilung zumindest teilweise abstrakt vorgenommen hat. Die Kommission hat anscheinend mehr auf der Grundlage der Vorstellungen gehandelt, die sie vom Inhalt der Dokumente der Akte Lombard-Club hatte, als auf der Grundlage einer echten Prüfung. Diese Unterteilung in Kategorien bleibt daher sowohl hinsichtlich ihrer Vollständigkeit als auch ihrer Genauigkeit im Ungefähren.

84. Sodann bleiben die Ausführungen der Kommission in der angefochtenen Entscheidung wie auch in der Klagebeantwortung vage und allgemein. In Ermangelung einer individuellen Prüfung jedes einzelnen Dokuments erlauben sie es nicht, mit hinreichender Gewissheit und im Detail davon auszugehen, dass die Argumentation der Kommission, sollte sie grundsätzlich richtig sein, für sämtliche Dokumente der Akte Lombard-Club gilt. Die von der Kommission geäußerten Bedenken gehen nicht über bloße Behauptungen hinaus und sind daher zu hypothetisch.

85. Nichts weist darauf hin, dass sämtliche im Antrag bezeichneten Dokumente eindeutig von der geltend gemachten Ausnahme erfasst werden. In Nummer 1 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission selbst fest, dass „die Ausnahmeregelung nach Art. 4 Abs. 2, 3. Anstrich zum großen Teil auf einzelne Dokumente bzw. ganz auf alle Kategorien zu[trifft]“.

86. Zwar hat die Kommission in der ihrer Klagebeantwortung beigefügten Tabelle erklärt, dass die geltend gemachte Ausnahme für alle Dokumente der Akte gelte. Wie aus den Ausführungen in der vorstehenden Randnummer hervorgeht, steht diese Tabelle jedoch im Widerspruch zur Begründung der angefochtenen Entscheidung.

87. Schließlich geht jedenfalls aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass jedes Dokument der Akte Lombard-Club für sich allein betrachtet in vollem Umfang von der Ausnahme nach Artikel 4 Absatz 2 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001 erfasst wird. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Verbreitung sämtlicher darin enthaltenen Informationen den Zweck der Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten der Kommission beeinträchtigen würde.

88. Das Fehlen einer konkreten und individuellen Prüfung der vom Antrag des Klägers betroffenen Dokumente ist daher nicht gerechtfertigt, soweit es um die Dokumente geht, für die die Kommission die von ihr genannte erste Ausnahme in Anspruch nimmt.

89. Die gleiche Feststellung hat für die Dokumente zu gelten, die nach der angefochtenen Entscheidung von der zweiten, der dritten und der vierten Ausnahme erfasst werden. Diese Ausnahmen betreffen den Schutz geschäftlicher Interessen (Artikel 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1049/2001), den Schutz von Gerichtsverfahren (Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich) sowie den Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen (Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b). Aus den Nummern 2, 3, 10, 12 und 13 der angefochtenen Entscheidung geht aber hervor, dass diese Ausnahmen nach Ansicht der Kommission nur einen Teil der im Antrag bezeichneten Dokumente betreffen. Insbesondere hat die Kommission in Nummer 13 der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass „auch ein Großteil der Unterlagen, die von den betroffenen Banken oder von Dritten erstellt wurden, möglicherweise Information [enthält], deren Verbreitung den Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen beeinträchtigen könnte“.

90. Aus der angefochtenen Entscheidung wird demnach deutlich, dass die von der Kommission geltend gemachten Ausnahmen nicht unbedingt die gesamte Akte Lombard-Club betreffen und dass sie selbst bei den Dokumenten, die sie betreffen könnten, möglicherweise nur bestimmte Abschnitte erfassen.

91. Schließlich berufen sich die Streithelferinnen auf die Ausnahme nach Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1049/2001. Sie machen geltend, dass die Entscheidung Lombard-Club Gegenstand mehrerer Nichtigkeitsklagen und daher noch nicht ein im Sinne von Artikel 4 Absatz 3 „gefasster“ Beschluss sei, was die vollständige Verweigerung des Zugangs rechtfertige. Da sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung jedoch nicht auf diese Ausnahme berufen hat, ist das Gericht nicht befugt, sich an ihre Stelle zu setzen, um festzustellen, ob diese Ausnahme tatsächlich auf die vom Antrag betroffenen Dokumente anwendbar ist.

92. Die Kommission konnte demnach grundsätzlich nicht auf eine konkrete und individuelle Prüfung jedes der im Antrag bezeichneten Dokumente verzichten, als sie die Anwendbarkeit von Ausnahmen oder die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs untersuchte.

93. Da die Kommission jedoch im vorliegenden Fall von einer solchen Prüfung abgesehen hat, ist zu prüfen, ob ein Organ berechtigt ist, eine vollständige Verweigerung des Zugangs damit zu begründen, dass diese Prüfung seiner Ansicht nach einen sehr erheblichen Arbeitsaufwand verursachen würde.

Zur Anwendung einer Ausnahme wegen des im Zusammenhang mit einer konkreten und individuellen Prüfung erforderlichen Arbeitsaufwands

94. Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 lautet: „Betrifft ein Antrag ein sehr umfangreiches Dokument oder eine sehr große Zahl von Dokumenten, so kann sich das Organ mit dem Antragsteller informell beraten, um eine angemessene Lösung zu finden. “

95. Im vorliegenden Fall geht aus den Verfahrensakten hervor, dass sich der Kläger und die Kommission am 24. Juli 2002 trafen, dass aber diese Zusammenkunft und die darauf folgenden Kontakte nicht zu einer Lösung führten.

96. Die Verordnung Nr. 1049/2001 enthält aber keine Bestimmung, die es dem Organ erlaubt, den Umfang der Prüfung, die es normalerweise auf einen Antrag auf Akteneinsicht hin durchführen muss, zu beschränken, wenn mit dem Antragsteller keine angemessene Lösung gefunden wurde.

97. In der Einleitung der angefochtenen Entscheidung hat die Kommission jedoch das Fehlen einer konkreten und individuellen Prüfung der betreffenden Dokumente im Wesentlichen mit der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt. Sie hat insbesondere ausgeführt, dass „[e]ine Prüfung einzelner Dokumente, die über die Prüfung [der genannten] Kategorien hinausgeht, … aus Gründen der Verhältnismäßigkeit weder notwendig noch hilfreich [erscheint]“. Sie hat auch in den Nummern 10, 13 und 24 der angefochtenen Entscheidung auf die Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hingewiesen.

98. Zu prüfen ist somit, ob vom Grundsatz einer konkreten und individuellen Prüfung der Dokumente, die in einem auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Akteneinsicht bezeichnet sind, tatsächlich unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit abgewichen werden kann.

99. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die verursachten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (Urteil des Gerichtshofes vom 5. Mai 1998 in der Rechtssache C-157/96, National Farmers’ Union u. a., Slg. 1998, I-2211, Randnr. 60, und Urteil des Gerichts vom 27. September 2002 in der Rechtssache T-211/02, Tideland Signal/Kommission, Slg. 2002, II-3781, Randnr. 39). Nach diesem Grundsatz dürfen auch Ausnahmen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Zieles angemessen und erforderlich ist (Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1986 in der Rechtssache 222/84, Johnston, Slg. 1986, 1651, Randnr. 38, und Urteil Hautala/Rat, zitiert oben in Randnr. 69, Randnr. 85).

100. Die Weigerung eines Organs, die Dokumente, die Gegenstand eines Antrags auf Akteneinsicht sind, konkret und individuell zu prüfen, stellt demnach grundsätzlich einen offenkundigen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar. Eine konkrete und individuelle Prüfung der betreffenden Dokumente ermöglicht es nämlich dem Organ, das mit den Ausnahmen nach Artikel 4 Absätze 1 bis 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 verfolgte Ziel zu erreichen, und führt außerdem zur Ermittlung eben der Dokumente, die ganz oder teilweise von den Ausnahmen erfasst werden. Sie stellt somit in Bezug auf das Zugangsrecht des Antragstellers eine weniger belastende Maßnahme dar als eine vollständige Verweigerung der Prüfung.

101. Zu berücksichtigen ist jedoch die Möglichkeit, dass ein Antragsteller auf der Grundlage der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu einer offenkundig unangemessen großen Zahl von Dokumenten beantragt – gegebenenfalls aus nicht triftigen Gründen – und so durch die Bearbeitung seines Antrags einen Arbeitsaufwand erzwingt, der das ordnungsgemäße Funktionieren des Organs ganz erheblich beeinträchtigen könnte. Ferner ist festzustellen, dass, wenn sich ein Antrag auf eine sehr große Zahl von Dokumenten bezieht, das Recht des Organs, gemäß Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung Nr. 1049/2001 eine „angemessene Lösung“ mit dem Antragsteller zu suchen, die Möglichkeit widerspiegelt, die etwaige Notwendigkeit eines Ausgleichs zwischen den Interessen des Antragstellers und den Interessen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu berücksichtigen, und sei es auch nur in besonders beschränktem Umfang.

102. Ein Organ muss daher die Möglichkeit behalten, in besonderen Fällen, in denen ihm durch die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente ein unangemessener Verwaltungsaufwand entstünde, die Bedeutung des Zugangs der Öffentlichkeit zu den Dokumenten und die sich daraus ergebende Arbeitsbelastung gegeneinander abzuwägen, um in diesen besonderen Fällen die Interessen einer ordnungsgemäßen Verwaltung zu wahren (vgl. entsprechend Urteil Hautala/Rat, zitiert oben in Randnr. 69, Randnr. 86).

103. Diese Möglichkeit besteht jedoch nur ausnahmsweise.

104. Erstens stellt nämlich die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente, die in einem auf die Verordnung Nr. 1049/2001 gestützten Antrag auf Akteneinsicht bezeichnet sind, eine der wesentlichen Pflichten des Organs dar, das diesen Antrag bearbeitet.

105. Zweitens stellt der Zugang der Öffentlichkeit zu den im Besitz der Organe befindlichen Dokumenten einen Grundsatz dar, während seine Ablehnung die Ausnahme ist (vgl. entsprechend bezüglich des für die Anwendung des Verhaltenskodex aufgestellten Grundsatzes Urteil Kuijer II, Randnr. 55).

106. Drittens sind Ausnahmen vom Grundsatz des Zugangs zu Dokumenten eng auszulegen (vgl. entsprechend bezüglich des Verhaltenskodex Urteil des Gerichts vom 10. Oktober 2001 in der Rechtssache T-111/00, British American Tobacco International [Investments]/Kommission, Slg. 2001, II-2997, Randnr. 40). Diese Rechtsprechung rechtfertigt erst recht, dass Beschränkungen der Sorgfalt, mit der ein Organ üblicherweise vorgehen muss, wenn es über die Anwendung einer Ausnahme entscheidet, besonders eng gefasst werden, da derartige Beschränkungen bereits ab Eingang des Antrags die Gefahr erhöhen, dass das Recht auf Akteneinsicht verletzt wird.

107. Viertens stünde in zahlreichen Fällen eine Befugnis der Kommission, keine konkrete und individuelle Prüfung durchzuführen, obwohl dies erforderlich ist, im Widerspruch zum Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung, der zu den Garantien gehört, die die Gemeinschaftsrechtsordnung im Verwaltungsverfahren gewährt, und mit dem die Verpflichtung des zuständigen Organs verbunden ist, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalls zu untersuchen (Urteile des Gerichts vom 24. Januar 1992 in der Rechtssache T-44/90, La Cinq/Kommission, Slg. 1992, II-1, Randnr. 86, und vom 11. Juli 1996 in den Rechtssachen T-528/93, T-542/93, T-543/93 und T-546/93, Métropole télévision u. a./Kommission, Slg. 1996, II-649, Randnr. 93).

108. Fünftens ist der durch die Ausübung der Zugangsrechts und die Wahrnehmung des Interesses des Antragstellers bedingte Arbeitsaufwand grundsätzlich unerheblich, wenn es um die Bestimmung des Umfangs dieses Rechts geht.

109. Was das Interesse des Antragstellers angeht, so ist dieser nämlich nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1049/2001 nicht verpflichtet, Gründe für seinen Antrag anzugeben, und braucht daher in der Regel kein wie auch immer geartetes Interesse nachzuweisen.

110. Was den für die Bearbeitung eines Antrags erforderlichen Arbeitsaufwand angeht, so sieht die Verordnung Nr. 1049/2001 ausdrücklich die Möglichkeit vor, dass ein Antrag auf Akteneinsicht eine sehr große Zahl von Dokumenten betrifft, da nach Artikel 7 Absatz 3 und Artikel 8 Absatz 2 die Fristen für die Bearbeitung der Erst- und der Zweitanträge in Ausnahmefällen, beispielsweise bei einem Antrag auf Zugang zu einem sehr umfangreichen Dokument oder zu einer sehr großen Zahl von Dokumenten, verlängert werden können.

111. Sechstens hängt der für die Prüfung eines Antrags erforderliche Arbeitsaufwand nicht nur von der Zahl und dem Umfang der im Antrag bezeichneten Dokumente ab, sondern auch von ihrer Art. Die Notwendigkeit, sehr viele Dokumente konkret und individuell zu prüfen, sagt daher als solche nichts über den für die Bearbeitung eines Antrags auf Akteneinsicht erforderlichen Arbeitsaufwand aus, da dieser auch von der Gründlichkeit abhängt, mit der die Prüfung zu erfolgen hat.

112. Folglich kommt eine Befreiung von dieser Prüfungspflicht nur ausnahmsweise und nur dann in Betracht, wenn die Verwaltung durch die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente in besonderem Maße belastet würde, so dass damit die Grenzen dessen überschritten würden, was vernünftigerweise verlangt werden kann (vgl. analog Urteil Kuijer II, Randnr. 57).

113. Da das Recht auf Zugang zu den im Besitz der Organe befindlichen Dokumenten einen Grundsatz darstellt, trägt zudem das Organ, das sich auf eine Ausnahme aufgrund der Unverhältnismäßigkeit der durch den Antrag bedingten Arbeit beruft, die Beweislast für den Arbeitsumfang.

114. Schließlich muss das Organ, wenn es bewiesen hat, dass der durch die konkrete und individuelle Prüfung der im Antrag bezeichneten Dokumente bedingte Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig ist, versuchen, sich mit dem Antragsteller zu beraten, um zum einen zu erfahren oder sich näher erläutern zu lassen, welches Interesse er am Zugang zu den betreffenden Dokumenten hat, und zum anderen konkret zu überlegen, welche Möglichkeiten es hat, eine weniger belastende Maßnahme als die konkrete und individuelle Prüfung der Dokumente zu treffen. Da das Recht auf Zugang zu den Dokumenten den Grundsatz darstellt, ist das Organ in diesem Zusammenhang gleichwohl verpflichtet, der Lösung den Vorzug zu geben, die, ohne einen Aufwand zu verursachen, der die Grenzen dessen überschreiten würde, was vernünftigerweise verlangt werden kann, so günstig wie möglich für das Zugangsrecht des Antragstellers ist.

115. Das Organ kann daher von einer konkreten und individuellen Prüfung nur absehen, wenn es tatsächlich alle anderen denkbaren Lösungen untersucht und in seiner Entscheidung eingehend erläutert hat, aus welchen Gründen diese verschiedenen Lösungen gleichfalls zu einem unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand führen würden.

116. Im vorliegenden Fall ist folglich zu prüfen, ob sich die Kommission in einer Lage befand, in der die konkrete und individuelle Prüfung der im Antrag bezeichneten Dokumente für sie mit einem Aufwand verbunden gewesen wäre, der die Grenzen dessen überschritten hätte, was vernünftigerweise verlangt werden konnte, so dass sie das Interesse des Klägers berücksichtigen und konkret andere Möglichkeiten der Bearbeitung des Antrags in Erwägung ziehen konnte, um gegebenenfalls eine weniger arbeitsaufwendige Maßnahme zu treffen.

117. Was zunächst die Unverhältnismäßigkeit einer konkreten und individuellen Prüfung jedes der im Antrag bezeichneten Dokumente angeht, so ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung nicht die genaue Zahl der Dokumente der Akte Lombard-Club nennt, sondern nur die Zahl der Seiten, die die Akte enthält. Ein bloßer Hinweis auf eine Zahl von Seiten reicht jedoch für sich allein nicht aus, um den durch eine konkrete und individuelle Prüfung bedingten Arbeitsaufwand zu beurteilen. Unter Berücksichtigung der von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung ermittelten Kategorien und der Art der Akte wird aus den Verfahrensakten jedoch deutlich, dass es um eine sehr große Zahl von Dokumenten geht.

118. Zudem stellt die Konsultation einer Akte von mehr als 47 000 Seiten mit zahlreichen Dokumenten wie denjenigen, die in die von der Kommission ermittelten Kategorien fallen, eine außerordentlich umfangreiche Arbeit dar.

119. Erstens sind nämlich die Dokumente der Akte Lombard-Club offenbar chronologisch geordnet. Insoweit hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass die im Antrag des Klägers bezeichneten Dokumente aufgrund des Zeitpunkts der angefochtenen Entscheidung noch nicht in das in Artikel 11 der Verordnung Nr. 1049/2001 vorgesehene Register eingeordnet worden waren, dessen Umfang nach Artikel 8 Absatz 1 des Beschlusses der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung schrittweise erweitert werden soll.

120. Zweitens kann angesichts der von der Kommission ermittelten Hauptkategorien und der Begründung der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen werden, dass die im Antrag des Klägers bezeichneten Dokumente zahlreiche Informationen enthalten, die im Hinblick auf die Ausnahmen vom Zugangsrecht konkret zu prüfen sind, insbesondere Informationen, die den Schutz der geschäftlichen Interessen der Banken beeinträchtigen können, um die es in der Akte Lombard-Club geht.

121. Drittens kann angesichts der von der Kommission ermittelten Hauptkategorien davon ausgegangen werden, dass die Akte Lombard-Club eine große Zahl von Dokumenten Dritter enthält. Der erhebliche Arbeitsaufwand, der für die konkrete und individuelle Prüfung der in dieser Akte enthaltenen Dokumente erforderlich ist, könnte sich folglich vergrößern, weil möglicherweise gemäß Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung Nr. 1049/2001 die betreffenden Dritten zu konsultieren sind.

122. Im vorliegenden Fall gibt es somit mehrere Indizien, die die Annahme zulassen, dass die konkrete und individuelle Prüfung aller Dokumente der Akte Lombard-Club mit einem sehr erheblichen Arbeitsaufwand verbunden sein könnte. Ohne dass endgültig festgestellt werden müsste, ob durch diese Indizien rechtlich hinreichend nachgewiesen wird, dass die erforderliche Arbeit die Grenzen dessen überschritten hätte, was vernünftigerweise von der Kommission verlangt werden konnte, ist jedoch daran zu erinnern, dass die angefochtene Entscheidung, mit der dem Kläger jeglicher Zugang umfassend verweigert wird, jedenfalls nur dann rechtmäßig sein könnte, wenn die Kommission zuvor konkret erläutert hätte, aus welchen Gründen die Alternativen zu einer konkreten und individuellen Prüfung jedes der betreffenden Dokumente ebenfalls einen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand darstellten.

123. Im vorliegenden Fall teilte der Kläger der Kommission am 14. Juni 2002 mit, dass sein Vorgehen ihm ermöglichen solle, in Verfahren gegen die BAWAG vor den österreichischen Gerichten bestimmte Beweise vorzulegen.

124. Ferner erklärten die Vertreter des Klägers am 24. Juli 2002 bei einer Zusammenkunft mit den Dienststellen der Kommission, dass sich der Kläger schriftlich dazu verpflichten könnte, die erlangten Informationen ausschließlich zur Durchsetzung von Verbraucheransprüchen zu verwenden.

125. Darüber hinaus wies der Kläger in seinem Zweitantrag vom 26. September 2002 darauf hin, dass es ihm nicht in erster Linie um die internen Dokumente der Kommission gehe, was diese übrigens dazu veranlasste, die betreffenden Dokumente in der angefochtenen Entscheidung von ihrer Untersuchung auszunehmen.

126. Trotz dieser Umstände geht aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass die Kommission konkret und erschöpfend die verschiedenen Möglichkeiten geprüft hätte, die sich ihr für ein Vorgehen boten, das ihr keinen unverhältnismäßigen Arbeitsaufwand verursacht hätte, jedoch die Chancen des Klägers erhöht hätte, zumindest in Bezug auf einen Teil seines Antrags Zugang zu den betreffenden Dokumenten zu erhalten.

127. So hat die Kommission in der Entscheidung „hilfsweise“ erklärt, dass die Veröffentlichung der Entscheidung Lombard-Club ausreiche, um den Interessen des Klägers zu „dienen“.

128. Ferner hat sie sich in Nummer 24 der angefochtenen Entscheidung geweigert, Zugang zu einem Teil der Dokumente der Akte Lombard-Club zu gewähren und in diesem Zusammenhang ausgeführt:

„Wir haben in diesem Fall eine Kategorisierung aller Dokumente in der Ermittlungsakte sowie z. T. eine Unterkategorisierung zur Prüfung Ihres Antrags vorgenommen. Die Alternative wäre eine Prüfung jedes einzelnen Dokuments, wo angebracht nach Konsultation von Dritten. In diesem Fall enthält die Ermittlungsakte, ohne interne Dokumente, über 47 000 Seiten. Im Hinblick darauf, dass eine Prüfung der Dokumente an Hand von Kategorien zeigt, dass die in der Ermittlungsakte enthaltenen Dokumente weitestgehend – von wenigen Ausnahmen bei bereits veröffentlichten Dokumenten abgesehen – den Ausnahmeregelungen der Verordnung unterliegen, würde eine Prüfung jedes einzelnen Dokuments eine unangemessene und unverhältnismäßige Arbeitslast der Kommission auferlegen. Dies gilt vor allem, da die restlichen Teile der Dokumente oder einzelne Dokumente, die möglicherweise freigegeben werden könnten, mit großer Wahrscheinlichkeit nicht den Interessen des VKI, die Rechtswidrigkeit von betroffenen Banken im Rahmen von zivilrechtlichen Verfahren zu beweisen, oder anderen öffentlichen Interessen dienen würden.“

129. Die Kommission hat somit hilfsweise das Interesse des Klägers berücksichtigt, als sie die wahrscheinlichen Wirkungen von zwei Vorgehensweisen – eine individuelle Prüfung der Dokumente der Akte Lombard-Club oder eine Prüfung, die auf die aus den Dokumenten nach ihrer Art gebildeten Kategorien beschränkt ist – verglichen hat.

130. Dagegen geht aus der Begründung der angefochtenen Entscheidung nicht hervor, dass die Kommission konkret, genau und eingehend die übrigen in Frage kommenden Möglichkeiten einer Beschränkung ihrer Arbeitslast und die Gründe geprüft hätte, die es ihr erlauben konnten, von jeglicher Prüfung abzusehen, statt gegebenenfalls eine das Zugangsrecht des Klägers weniger beschränkende Maßnahme zu treffen. Insbesondere ergibt sich aus der angefochtenen Entscheidung nicht, dass die Kommission, was die Identifizierung von Dokumenten in einer chronologisch geordneten Akte angeht, konkret die Möglichkeit untersucht hätte, die von der Akte Lombard-Club betroffenen Banken aufzufordern, ihr die Daten der von ihnen übermittelten Dokumente mitzuteilen, so dass sie möglicherweise einige davon leichter in ihrer Akte hätte finden können. Zudem hat die Kommission zwar in ihrer Klagebeantwortung vorgetragen, dass die Erstellung eines Inhaltsverzeichnisses eine unverhältnismäßige Arbeitsbelastung dargestellt hätte, doch wird diese Möglichkeit in der angefochtenen Entscheidung nirgends erwähnt, so dass nicht angenommen werden kann, dass sie konkret geprüft wurde. Schließlich geht aus der angefochtenen Entscheidung auch nicht hervor, dass die Kommission den Arbeitsaufwand beurteilt hätte, der mit der individuellen und konkreten Identifizierung und Prüfung der wenigen Dokumente verbunden gewesen wäre, die am ehesten geeignet wären, sofort und gegebenenfalls zunächst teilweise den Interessen des Klägers zu dienen.

131. Die schlichte Weigerung der Kommission, dem Kläger Zugang zu gewähren, ist folglich rechtsfehlerhaft. Der erste und der vierte Klagegrund greifen demnach durch. Daher ist, ohne dass über die übrigen Klagegründe des Klägers zu entscheiden wäre, die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären.

Zum Antrag auf Vorlage von Dokumenten

132. Es ist Sache des Gemeinschaftsrichters, nach den Umständen des Rechtsstreits und gemäß den Bestimmungen der Verfahrensordnung über die Beweisaufnahme zu entscheiden, ob die Vorlage eines Schriftstücks erforderlich ist (Urteil des Gerichtshofes vom 2. Oktober 2003 in der Rechtssache C-196/99 P, Aristrain/Kommission, Slg. 2003, I-11049, Randnr. 67).

133. Da der erste und der vierte Klagegrund durchgreifen, ohne dass die betreffenden Dokumente geprüft werden müssten, ist es im vorliegenden Fall nicht erforderlich, die beantragte Vorlage anzuordnen.

Kosten

134. Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag des Klägers dessen Kosten aufzuerlegen.

135. Nach Artikel 87 § 4 Unterabsatz 3 der Verfahrensordnung kann das Gericht entscheiden, dass ein Streithelfer seine eigenen Kosten trägt. Im vorliegenden Fall sind den Streithelferinnen ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

  1. Die Entscheidung D (2002) 330472 betreffend einen Antrag auf Einsichtnahme in die Verwaltungsakten in der Sache COMP/36.571/D-1 – Österreichische Banken („Lombard-Club“) wird für nichtig erklärt.
  2. Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Die Streithelferinnen tragen ihre eigenen Kosten.
  4.  

Vesterdorf
Jaeger
Mengozzi
Martins Ribeiro
Labucka

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 13. April 2005.

Der Kanzler H. Jung
Der Präsident B. Vesterdorf

Quelle: www.curia.eu.int

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:25
EuG: Zugang zu Dokumenten http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=6442 Europäischer Gerichtshof 1. Instanz
Urteil vom 22. Januar 2004

Rs. C-353/01 P

Rechtsmittel – Zugang zu Dokumenten – Beschlüsse 93/731/EG und 94/90/EGKS, EG, Euratom – Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses im Bereich der internationalen Beziehungen – Teilweiser Zugang
(Sechste Kammer)

In der Rechtssache C-353/01 P

Olli Mattila, vertreten durch Z. Sundström, asianajaja, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Rechtsmittelführer,

betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (Fünfte Kammer) vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache T-204/99 (Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, II-2265) wegen Aufhebung dieses Urteils,

andere Verfahrensbeteiligte:

Rat der Europäischen Union, vertreten durch J. Aussant und M. Bauer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

und

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Docksey und U. Wölker als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters C. Gulmann in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), J.-P. Puissochet und R. Schintgen sowie der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: H. von Holstein, Hilfskanzler,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der Beteiligten in der Sitzung vom 26. Februar 2003, in der Herr Mattila durch Z. Sundström und M. Kauppi, asianajaja, der Rat durch J. Aussant und die Kommission durch X. Lewis als Bevollmächtigten vertreten waren,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2003

folgendes

Urteil

1. Herr Mattila hat mit Rechtsmittelschrift, die am 14. September 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache T-204/99 (Mattila/Rat und Kommission, Slg. 2001, II-2265, im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem das Gericht seine Klage abgewiesen hat, die in erster Linie auf Nichtigerklärung der Entscheidungen der Kommission und des Rates vom 5. bzw. 12. Juli 1999 gerichtet war, mit denen ihm der Zugang zu bestimmten Dokumenten verwehrt worden war (im Folgenden: streitige Entscheidungen).

Rechtlicher Rahmen

2. In dem angefochtenen Urteil wurde festgestellt:

  1. Der Rat und die Kommission billigten am 6. Dezember 1993 einen Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten (ABl. L 340, S. 41; im Folgenden: Verhaltenskodex), durch den die Grundsätze für den Zugang zu den ihnen vorliegenden Dokumenten festgelegt werden sollen.

  2. Der Verhaltenskodex stellt folgenden allgemeinen Grundsatz auf:

    Die Öffentlichkeit erhält möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission und des Rates.

  3. Dokument im Sinne des Verhaltenskodex ist unabhängig vom Datenträger jedes im Besitz des Rates oder der Kommission befindliche Schriftstück mit bereits vorhandenen Informationen.

  4. Die Umstände, auf die sich ein Gemeinschaftsorgan zur Rechtfertigung der Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten berufen kann, werden im Verhaltenskodex wie folgt aufgeführt:

    Die Organe verweigern den Zugang zu Dokumenten, wenn sich durch deren Verbreitung eine Beeinträchtigung ergeben könnte in Bezug auf

    • den Schutz des öffentlichen Interesses (öffentliche Sicherheit, internationale Beziehungen, Währungsstabilität, Rechtspflege, Inspektionstätigkeiten);
    • ...

    Die Organe können ferner den Zugang verweigern, um den Schutz des Interesses des Organs in Bezug auf die Geheimhaltung seiner Beratungen zu gewährleisten.

  5. Darüber hinaus bestimmt der Verhaltenskodex:

    Die Kommission und der Rat ergreifen vor dem 1. Januar 1994 jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich die erforderlichen Maßnahmen zur Durchführung dieser Grundsätze.

  6. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung erließ der Rat am 20. Dezember 1993 den Beschluss 93/731/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Ratsdokumenten (ABl. L 340, S. 43).

  7. Artikel 4 des Beschlusses 93/731 enthält bezüglich der Umstände, auf die sich der Rat zur Rechtfertigung der Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten berufen kann, die gleiche Regelung wie der Verhaltenskodex.

  8. Die Kommission erließ, um die Erfüllung dieser Verpflichtung zu gewährleisten, am 8. Februar 1994 den Beschluss 94/90/EGKS, EG, Euratom über den Zugang der Öffentlichkeit zu den der Kommission vorliegenden Dokumenten (ABl. L 46, S. 58). Durch Artikel 1 dieses Beschlusses wurde der in seinem Anhang wiedergegebene Verhaltenskodex förmlich angenommen.

Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt

3. Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt wurde in dem angefochtenen Urteil wie folgt zusammengefasst:
  1. Der Kläger wandte sich am 8. März 1999 über seinen Anwalt an die Generaldirektion .Außenbeziehungen: Europa und Neue Unabhängige Staaten, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, Außendienst der Kommission, um Zugang zu folgenden Dokumenten zu erhalten:

    • Tagesordnung des Gemischten Ausschusses EU-Russland vom 17. Februar 1997, Sitzungsdokument Nr. 32 (Gruppe Osteuropa und Mittelasien);

    • Russland, Vorbereitung des ersten Kooperationsrats im Rahmen des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens vom 8. Dezember 1997, mit Datum vom 14. November 1997 [IA.C.2.GS:jhp D(97) EU-RU 1001/98];

    • Erster Kooperationsrat EU-Russische Föderation (Brüssel, 27. Januar 1998), mit Anmerkungen versehener Entwurf der Tagesordnung vom 9. Januar 1998. Dokument Nr. EU-RU 1001/98;

    • Anlage zum Bericht über die Sitzung des Kooperationsausschusses EU-Russland vom 7. April 1998. Sitzungsdokument Nr. 23/98 (Gruppe Osteuropa und Mittelasien);

    • Nit Anmerkungen versehene Tagesordnung der Sitzung des Kooperationsausschusses EU-Russland vom 20. April 1998, Sitzungsdokument Nr. 35/98 (Gruppe Osteuropa und Mittelasien).

  2. Mit Schreiben vom selben Tag, das dem Rat am 12. März 1999 zuging, beantragte der Kläger beim Rat Zugang zu folgenden Dokumenten:
    • Ergebnisse der Arbeiten der Gruppe .Osteuropa und Mittelasien vom 23. September 1997, vorläufige Dokumenten-Nr. 10188/97 NIS 116, Dokument vom 24. September 1997 (30.09); 10859/97.

    • Informationsvermerk EU/Vereinigte Staaten: SD 27/98: dieses Dokument stammt von der .EU III section.

    • Erster Kooperationsrat EU-Ukraine, Brüssel, 8./9. Juni 1998: Entwurf der mit Anmerkungen versehenen Tagesordnung EU-Ukraine vom 15. Mai 98. Sitzungsdokument 40/98 (Gruppe .Osteuropa und Mittelasien).

    • COREU: COEST/CODIA-Bericht über das Treffen zwischen der Troika der Gruppe .Osteuropa und Mittelasien und den Vereinigten Staaten vom 10. Februar 1998. GASP/SEC/0203/98.

    • COREU/COEST Energieressourcen des Kaspischen Meeres: Entwurf einer Erklärung EU/Vereinigte Staaten vom 11. Mai 98. GASP/PRES/LON/1239/98.

    • COREU: COCEN COEST: Russland/Lettland: Treffen mit Herrn Primakow vom 8. Mai 98. GASP/PRES/LON/1244/98.

  3. Da die beantragten Dokumente zum Teil im Rahmen einer Zusammenarbeit der beiden Gemeinschaftsorgane erstellt worden waren, fanden informelle Kontakte zwischen dem Rat und der Kommission zur Abstimmung der Antworten auf diese Anträge statt.

  4. Mit Schreiben vom 19. April 1999 teilte der Rat dem Kläger seine Entscheidung mit, ihm Zugang zum Dokument Nr. 10859/97, dem ersten Dokument auf seiner Liste, zu gewähren. Den Antrag auf Zugang zu den übrigen Dokumenten lehnte der Rat mit folgender Begründung ab: .[J]edes dieser Dokumente betrifft Verhandlungen mit bestimmten Drittstaaten. Die Verbreitung dieser Texte könnte die Position der EU im Rahmen dieser Verhandlungen oder gegebenenfalls bei allen künftigen Verhandlungen zwischen der EU und diesen oder anderen Drittstaaten schwächen. Er wies auch darauf hin, dass die in Rede stehenden Dokumente dem Kläger nach Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 nicht zur Verfügung gestellt werden könnten.

  5. Mit Schreiben vom selben Tag lehnte die Kommission den Antrag des Klägers auf Zugang zu den Dokumenten ab. Sie berief sich insoweit auf die im Verhaltenskodex genannte Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses und verwies auf die Notwendigkeit, die Gespräche zwischen der Europäischen Union und den Drittstaaten geheim zu halten.

  6. Mit Schreiben vom 30. April 1999 stellte der Kläger über seinen Anwalt bei den beiden Gemeinschaftsorganen Zweitanträge gemäß Artikel 7 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 und Artikel 2 Absatz 2 des Beschlusses 94/90, um die Übermittlung der Dokumente zu erreichen, zu denen ihm der Zugang verwehrt worden war.

  7. Mit Schreiben vom 5. Juli 1999 an den Anwalt des Klägers lehnte die Kommission den Zweitantrag ab. Der Generalsekretär der Kommission wies insoweit zunächst darauf hin, dass das Dokument Nr. 4 (Anlage zum Bericht über die Sitzung des Kooperationsausschusses EU-Russland vom 7. April 1998, Sitzungsdokument 23/98, Gruppe Osteuropa und Mittelasien) nicht habe identifiziert werden können. Sodann führte er Folgendes aus:

    Nach Prüfung Ihres Antrags hinsichtlich der übrigen Dokumente sehe ich mich gezwungen, daran festzuhalten, dass ich Ihnen diese Dokumente nicht übermitteln kann, weil sie unter die zwingende Ausnahme zum Schutz des öffentlichen Interesses und insbesondere der internationalen Beziehungen fallen. Diese Ausnahme wird im Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Kommissions- und Ratsdokumenten, den die Kommission am 4. [8.] Februar 1994 angenommen hat, ausdrücklich genannt.

    Jedes der beantragten Dokumente enthält detaillierte Informationen über den Standpunkt, den die Europäische Union in ihren Beziehungen zu Russland einzunehmen beabsichtigt. Die Verbreitung dieser Dokumente könnte die Position der EU in ihren derzeitigen und künftigen Verhandlungen mit diesem Drittstaat schwächen. Diese Dokumente können Ihnen daher nicht übermittelt werden.

    Diese Dokumente sind von den Dienststellen der Kommission für die entsprechenden Dienststellen des Rates erstellt worden. Da der Rat den Zugang zu ähnlichen Dokumenten aus den vorgenannten Gründen verweigert hat, ist die Kommission aus dem gleichen Grund nicht in der Lage, Ihnen Zugang zu diesen Dokumenten zu gewähren.

  8. Das Generalsekretariat des Rates bereitete den Entwurf einer Antwort vor, der zunächst von der Gruppe .Information des Ausschusses der Ständigen Vertreter (AStV) in seiner Sitzung vom 23. Juni 1999 geprüft wurde. Sämtliche Delegationen stimmten dem Antwortentwurf des Generalsekretariats zu, die Dokumente gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 nicht zu verbreiten. Dieser Antwortentwurf stand sodann unter .Punkt I der Tagesordnung für die Sitzung des AStV II vom 30. Juni 1999, der sich aus den Botschaftern/Ständigen Vertretern der Mitgliedstaaten bei der Europäischen Union zusammensetzt, schließlich unter .Punkt A der Tagesordnung des Rates und wurde von diesem am 12. Juli 1999 gebilligt. Das Generalsekretariat des Rates teilte dem Kläger die abschlägige Entscheidung mit Schreiben vom 14. Juli 1999 mit. Darin heißt es:

    Der Rat hat die vorgenannten Dokumente sorgfältig geprüft und ist zu folgendem Ergebnis gekommen:

    1. SD 27/98: EU-USA: allgemeine Anmerkung zur Ukraine, erstellt von den Dienststellen der Europäischen Kommission zur Prüfung durch die Arbeitsgruppe Osteuropa und Zentralasien. Das Dokument beschreibt sehr genau den Standpunkt der Europäischen Union und die vorrangigen Ziele der mit den Vereinigten Staaten hinsichtlich der Ukraine zu führenden Verhandlungen. Die Bekanntmachung dieser Strategie könnte für die Interessen der Europäischen Union im Rahmen dieser Verhandlungen sowie im Rahmen anderer vergleichbarer Verhandlungen mit Drittstaaten abträglich sein.

    Außerdem könnte die Verbreitung der in dem Dokument enthaltenen Bemerkungen und Erwägungen die Beziehungen der Europäischen Union zur Ukraine belasten.

    Aus diesen Gründen hat der Rat in Abstimmung mit der Europäischen Kommission gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen) entschieden, dass der Zugang zu diesem Dokument nicht gewährt werden kann.

    2. SD 40/98: mit Anmerkungen versehener Tagesordnungsentwurf für den ersten Kooperationsrat Europäische Union/Ukraine (8./9. Juni 1998), der der Arbeitsgruppe Osteuropa und Mittelasien von den Dienststellen der Europäischen Kommission vorgelegt wurde.

    Das Dokument enthält zu jedem Tagesordnungspunkt eingehende Bemerkungen, u. a. hinsichtlich des Standpunkts und der Ziele der Europäischen Union. Die Offenlegung dieser Bemerkungen könnte die Position der Europäischen Union bei den nächsten Sitzungen des Kooperationsrats schwächen und ihre Beziehungen zur Ukraine im Allgemeinen belasten.

    Der Rat hat daher in Abstimmung mit der Europäischen Kommission entschieden, dass der Zugang zu diesem Dokument gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen) nicht gewährt werden kann.

    3. COREU GASP/SEC/0203/98: Vertraulicher Bericht über das Treffen der Troika Osteuropa/Arbeitsgruppe Mittelasien und Vereinigte Staaten (Washington, 10. Februar 1998).

    Das Dokument enthält detaillierte Bemerkungen der amerikanischen Delegation in der Sitzung der Troika, die in einem vertraulichen Rahmen stattgefunden hat. Es enthält ferner Beurteilungen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten hinsichtlich der Situation und der Politik von Drittstaaten, deren Verbreitung die Position der Europäischen Union im Rahmen der Verhandlungen mit diesen Ländern schwächen könnte.

    Der Rat hat daher entschieden, dass der Zugang zu dem Dokument gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen) nicht gewährt werden kann.

    4. COREU GASP/PRES/1239/98: COEST Energieressourcen des Kaspischen Meeres: Erklärungsentwurf EU/US: Dieses vertrauliche Dokument wurde erstellt, um den Standpunkt der Europäischen Union in den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten über die Energieressourcen des Kaspischen Meeres vorzubereiten. Die Offenlegung der in diesem Dokument enthaltenen Informationen könnte die Interessen der Europäischen Union in diesen noch laufenden Verhandlungen sowie in vergleichbaren künftig zu führenden Verhandlungen beeinträchtigen.

    Der Rat hat daher entschieden, dass der Zugang zu dem Dokument gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen) nicht gewährt werden kann.

    5. COREU GASP/PRES/LON/1244/98: COEST: Russland/Lettland: Treffen mit Herrn Primakow (8. Mai 1998). Dieses Dokument betrifft die Bemerkungen von Herrn Primakow in dem vertraulichen Rahmen des bilateralen Treffens zwischen den Ministern für auswärtige Angelegenheiten.

    Das Dokument betrifft ferner die Beurteilungen der Europäischen Union und Russlands hinsichtlich der Situation und der Politik von Drittstaaten sowie hinsichtlich der laufenden Verhandlungen mit den fraglichen Drittstaaten. Die Offenlegung dieser Beurteilungen könnte die Beziehungen der Europäischen Union und Russlands zu diesen Staaten belasten und ihre Verhandlungspositionen gegenüber ihnen schwächen.

    Der Rat hat daher entschieden, dass der Zugang zu dem Dokument gemäß Artikel 4 Absatz 1 des Beschlusses [93/731] (internationale Beziehungen) nicht gewährt werden kann.

Das angefochtene Urteil

4. Am 23. September 1999 erhob Herr Mattila Klage vor dem Gericht, mit der er in erster Linie die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidungen begehrte.

5. Das Gericht wies in dem angefochtenen Urteil den sechsten, den siebten und den achten Klagegrund, die sich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der selbständigen Beurteilung, einen Ermessensmissbrauch und die Nichtbeachtung der Pflicht zur Zusammenarbeit bezogen, als offensichtlich unzulässig zurück; als unbegründet wies es die fünf anderen von Herrn Mattila geltend gemachten Klagegründe zurück, die sich auf einen offensichtlichen Beurteilungsfehler bei der Auslegung der Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen und auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da ein teilweiser Zugang zu den fraglichen Dokumenten weder in Betracht gezogen noch gewährt worden sei (erster und zweiter Klagegrund), auf einen Verstoß gegen den Grundsatz, dass ein Antrag auf Zugang hinsichtlich jedes einzelnen Dokuments zu prüfen sei, sowie auf eine Verletzung der Begründungspflicht (dritter und vierter Klagegrund) und auf das besondere Interesse des Klägers am Zugang zu den Dokumenten (fünfter Klagegrund) bezogen. Das Gericht wies auch einen von Herrn Mattila gestellten Antrag auf Vorlage von Dokumenten zurück.

6. Zum zweiten Klagegrund hat das Gericht u. a. ausgeführt:

  1. Nach dem Urteil Hautala/Rat erlaubt es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dem Rat und der Kommission, in besonderen Fällen, in denen der Umfang des Dokuments oder der unkenntlich zu machenden Teile für sie zu einem unangemessenen Verwaltungsaufwand führen würde, die Bedeutung des Zugangs der Öffentlichkeit zu diesen gekürzten Teilen und die sich daraus ergebende Arbeitsbelastung gegeneinander abzuwägen (Randnr. 86). Der Rat und die Kommission könnten auf diese Weise in solchen Fällen das Interesse an einer ordnungsgemäßen Verwaltung schützen.

  2. Auch wenn der Rat und die Kommission nach dem Urteil Hautala/Rat prüfen müssen, ob ein teilweiser Zugang zu den nicht unter die Ausnahme fallenden Informationen zu gewähren ist, ist zu berücksichtigen, dass nach dem Grundsatz der ordnungsgemäßen Verwaltung das Gebot der teilweisen Zugangsgewährung nicht zu einem im Verhältnis zum Interesse des Antragstellers am Erhalt dieser Informationen unangemessenen Verwaltungsaufwand führen darf. Aus dieser Sicht sind der Rat und die Kommission jedenfalls berechtigt, dann keinen teilweisen Zugang zu gewähren, wenn sich aus der Prüfung der fraglichen Dokumente ergibt, dass der teilweise Zugang sinnlos wäre, weil die Teile dieser Dokumente im Fall ihrer Zugänglichmachung für den Antragsteller völlig wertlos wären.

  3. Der Rat und die Kommission haben im Rahmen dieses Verfahrens vorgetragen, dass ein teilweiser Zugang im vorliegenden Fall nicht möglich sei, weil die Teile der Dokumente, zu denen Zugang hätte gewährt werden können, so wenig Informationen enthielten, dass sie für den Kläger völlig wertlos gewesen wären. In der mündlichen Verhandlung hat der Rat allgemein dargelegt, dass die in Rede stehenden Dokumente nicht ohne Mühe auseinander genommen werden könnten und dass sie keine leicht abtrennbaren Teile umfassten.

  4. Die beklagten Gemeinschaftsorgane bestreiten somit nicht, dass sie die Möglichkeit, einen teilweisen Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten zu gewähren, nicht in Erwägung gezogen haben. Angesichts der Erklärungen der beklagten Gemeinschaftsorgane und unter Berücksichtigung der Natur der streitigen Dokumente ist jedoch davon auszugehen, dass eine solche Prüfung auf keinen Fall zur Gewährung eines teilweisen Zugangs hätte führen können. Die Tatsache, dass die beklagten Gemeinschaftsorgane die Möglichkeit, einen teilweisen Zugang zu gewähren, nicht geprüft haben, hatte somit unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles keinen Einfluss auf das Ergebnis der von den beiden Gemeinschaftsorganen vorgenommenen Beurteilung (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichts vom 5. Juni 1996 in der Rechtssache T-75/95, Günzler Aluminium/Kommission, Slg. 1996, II-497, Randnr. 55, und vom 27. Februar 1997 in der Rechtssache T-106/95, FFSA u. a./Kommission, Slg. 1997, II-229, Randnr. 199).

  5. Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass, wie bereits oben festgestellt wurde, die streitigen Dokumente im Kontext von Verhandlungen erstellt wurden und Informationen über den Standpunkt der Europäischen Union im Rahmen ihrer Beziehungen zu Russland und zu der Ukraine sowie in den mit den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Ukraine zu führenden Verhandlungen enthalten. Der heikle Charakter dieser Dokumente wird im Übrigen dadurch untermauert, dass, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, der Oberste Gerichtshof Finnlands ihn wegen Übermittlung von Dokumenten an den russischen Staat verurteilt hat, deren Inhalt praktisch dem der Dokumente entspricht, zu denen ihm der Zugang von den beklagten Gemeinschaftsorganen verwehrt wurde.

  6. Zweitens wird das Vorbringen des Rates, die Dokumente könnten nicht ohne Mühe auseinander genommen werden und umfassten keine leicht abtrennbaren Teile, durch nichts widerlegt. Insoweit geht das Vorbringen des Klägers fehl, das Dokument COREU/GASP/PRES/1239/98 enthalte u. a. den Entwurf der öffentlichen Erklärung EU/Vereinigte Staaten, der gerade aufgrund seiner öffentlichen Natur hätte verbreitet werden müssen. Aus der Tatsache, dass dieses Dokument öffentlich bekannt gemachte Informationen enthält, folgt nicht, dass der Rat verpflichtet gewesen wäre, den Entwurf dieser Erklärung zu verbreiten, der per definitionem rein vorbereitenden Charakter hatte und daher für den internen Gebrauch bestimmt war. Wie der Rat in der mündlichen Verhandlung hervorgehoben hat, bestehen in der Regel Unterschiede zwischen dem Entwurf einer Erklärung und dem endgültigen Wortlaut, die unter die Vertraulichkeit fallende Meinungsunterschiede offenbaren. Außerdem wird die Information der Bürger ausreichend durch die Möglichkeit des Zugangs zur endgültigen Fassung der Erklärung gewährleistet.

  7. Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beklagten Gemeinschaftsorgane dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben, dass sie keinen teilweisen Zugang zu den Dokumenten gewährt haben.

Das Rechtsmittel

7. Herr Mattila trägt vor, dass er sämtliche vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe in seinem Rechtsmittel aufrechterhalte und beim Gericht folgende Anträge gestellt habe:

  • die in der vorliegenden Klage in Rede stehenden Entscheidungen des Rates und der Kommission für nichtig zu erklären;

  • den Rat und die Kommission aufzufordern, ihren Standpunkt zu überdenken und ihm Zugang zu den in seinen Anträgen aufgeführten Dokumenten zu gewähren;

  • ihm wenigstens teilweisen Zugang zu den Dokumenten nach Entfernung der Stellen zu gewähren, die als geeignet angesehen würden, die internationalen Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft zu belasten;

  • dem Rat und der Kommission gemeinsam die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

8. Der Rat beantragt,
  • das Rechtsmittel als offensichtlich unzulässig zurückzuweisen, soweit beantragt wird, den Rat und die Kommission aufzufordern, ihren Standpunkt zu überdenken und dem Rechtsmittelführer Zugang zu den in seinen Anträgen aufgeführten Dokumenten zu gewähren und ihm zu diesen Dokumenten nach Entfernung oder Bearbeitung der Stellen, bei denen berechtigterweise davon ausgegangen werden kann, dass sie die internationalen Beziehungen der Europäischen Gemeinschaften schädigen können, zumindest teilweisen Zugang zu gewähren;

  • das Rechtsmittel im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen;

  • dem Rechtsmittelführer die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

9. Die Kommission beantragt,

  • das Rechtsmittel insgesamt für unzulässig zu erklären und

  • dem Rechtsmittelführer die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen,

hilfsweise,

  • das Rechtsmittel für teilweise unzulässig zu erklären, soweit der Gerichtshof aufgefordert worden ist, den Gemeinschaftsorganen Weisungen zu erteilen und das Urteil des Gerichts in Bezug auf die Zulässigkeit der Klagegründe des Verstoßes gegen die Pflicht der selbständigen Beurteilung, des Ermessensmissbrauchs und des Verstoßes gegen die Pflicht zur Zusammenarbeit zu überprüfen;

  • das Rechtsmittel im Übrigen zurückzuweisen und

  • dem Rechtsmittelführer die Kosten dieses Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels

Vorbringen der Beteiligten

10. Der Rat trägt vor, dass das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig sei, soweit Herr Mattila beim Gerichtshof beantrage, den Rat und die Kommission aufzufordern, ihm zu den streitigen Dokumenten zumindest teilweisen Zugang zu gewähren (Anträge 2 und 3 des Rechtsmittelführers). Weder das Gericht noch der Gerichtshof könnten im Rahmen einer Rechtmäßigkeitskontrolle eine Weisung an die Gemeinschaftsorgane richten oder sich an deren Stelle setzen, auch nicht im Bereich des Zugangs zu Dokumenten.

11. Er überlasse es im Übrigen dem Gerichtshof, zu beurteilen, ob das Rechtsmittel den Anforderungen der Rechtsprechung genüge, nach der ein Rechtsmittel nicht auf eine bloße erneute Prüfung der beim Gericht eingereichten Klage gerichtet sein dürfe. Herr Mattila beschränke sich nämlich im Wesentlichen auf die Wiederholung der vor dem Gericht geltend gemachten Argumente, die in dem angefochtenen Urteil behandelt worden seien. Das einzige neue rechtliche Argument, das er unter Berufung auf die Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache C-353/99 P vorbringe, die zum Urteil vom 6. Dezember 2001 (Rat/Hautala, Slg. 2001, I-9565) geführt habe, betreffe die Frage des teilweisen Zugangs zu den Dokumenten.

12. Die Kommission ist der Auffassung, dass das Rechtsmittel offensichtlich unzulässig sei. Unter Verkennung der Anforderungen der Rechtsprechung würden mit dem Rechtsmittel im Wesentlichen die Argumente wiederholt, die bereits dem Gericht vorgelegt und von diesem geprüft worden seien; es stelle daher im Wesentlichen einen Antrag auf erneute Prüfung der ursprünglichen Klage dar. Im Gegensatz zum Vorbringen von Herrn Mattila sei die Frage der Verhältnismäßigkeit und des teilweisen Zugangs vollständig von den Beteiligten erörtert und vom Gericht auf der Grundlage der Begründung seines Urteils vom 19. Juli 1999 in der Rechtssache T-14/98 (Hautala/Rat, Slg. 1999, II-2489) geprüft worden, das der Gerichtshof inzwischen in dem genannten Urteil Rat/Hautala bestätigt habe.

13. Hilfsweise macht die Kommission wie der Rat geltend, dass der zweite und der dritte Antrag offensichtlich unzulässig seien.

Würdigung durch den Gerichtshof

14. Hinsichtlich der Rüge der teilweisen Unzulässigkeit der Anträge ergibt sich aus Randnummer 7 dieses Urteils, dass Herr Mattila mit seinem Rechtsmittel erstens beantragt, die streitigen Entscheidungen für nichtig zu erklären, zweitens, den Rat und die Kommission aufzufordern, ihren Standpunkt zu überdenken und ihm Zugang zu den in seinen Schreiben vom 8. März 1999 aufgeführten Dokumenten zu gewähren, drittens, ihm nach Entfernung der Stellen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die internationalen Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft schädigen können, wenigstens teilweisen Zugang zu den Dokumenten zu gewähren, und viertens, dem Rat und der Kommission gemeinsam die Kosten aufzuerlegen.

15. Wie das Gericht in Randnummer 26 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, sind die Gemeinschaftsgerichte im Rahmen der auf Artikel 230 EG gestützten Rechtmäßigkeitskontrolle nicht befugt, Anordnungen zu erlassen (vgl. zu einem Rechtsmittel u. a. Urteil vom 8. Juli 1999 in der Rechtssache C-5/93 P, DSM/Kommission, Slg. 1999, I-4695, Randnr. 36).

16. Daher ist das Rechtsmittel unzulässig, soweit der Gerichtshof mit dem zweiten und dritten Antrag ersucht wird, den Rat und die Kommission aufzufordern, ihren Standpunkt zu überdenken und dem Rechtsmittelführer Zugang zu den betreffenden Dokumenten zu gewähren oder ihm nach Entfernung der Stellen, bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie die internationalen Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft schädigen können, wenigstens teilweisen Zugang zu diesen Dokumenten zu gewähren.

17. Die Rüge der Unzulässigkeit der verschiedenen Rechtsmittelgründe wird bei der Würdigung jedes einzelnen dieser Rechtsmittelgründe behandelt, mit denen Folgendes gerügt wird: erstens ein offensichtlicher Beurteilungsfehler bei der Auslegung der Ausnahme zum Schutz der internationalen Beziehungen, zweitens ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, soweit ein teilweiser Zugang zu den fraglichen Dokumenten weder gewährt noch auch nur in Betracht gezogen wurde, drittens ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass ein Antrag auf Zugang hinsichtlich jedes einzelnen Dokuments zu prüfen ist, viertens die Nichtbeachtung der Begründungspflicht, soweit das Gericht festgestellt hat, dass die Beklagten zwar knappe, doch ausreichende Begründungen geliefert haben, um den Antrag auf Zugang abzulehnen, fünftens ein Verstoß gegen den Grundsatz der Objektivität und den Gleichheitsgrundsatz bei der Beurteilung des Interesses des Antragstellers am Zugang zu den Dokumenten, sechstens ein Verstoß gegen die Pflicht zu einer selbständigen Beurteilung, siebtens ein Ermessensmissbrauch und achtens die Nichtbeachtung der Pflicht zur Zusammenarbeit.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, soweit der teilweise Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten weder gewährt noch auch nur in Betracht gezogen wurde

Vorbringen der Beteiligten

18. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund, der zuerst zu prüfen ist, wirft Herr Mattila dem Gericht im Wesentlichen vor, die Beschlüsse 93/731 und 94/90 fehlerhaft angewandt zu haben.

19. Zum ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes trägt Herr Mattila vor, wie sich aus Randnummer 71 des angefochtenen Urteils ergebe, hätten weder der Rat noch die Kommission die Möglichkeit in Betracht gezogen, ihm einen teilweisen Zugang zu den betreffenden Dokumenten zu gewähren. Das Gericht habe es zu Unrecht abgelehnt, die streitigen Entscheidungen aus diesem Grund für nichtig zu erklären, indem es sich in derselben Randnummer des angefochtenen Urteils auf die Erwägung gestützt habe, dass diese Organe angesichts der Erklärungen, die sie im Verlauf des Verfahrens abgegeben hätten, und unter Berücksichtigung der Natur der streitigen Dokumente, selbst wenn sie eine solche Prüfung vorgenommen hätten, keinen teilweisen Zugang hätten gewähren können.

20. Zum zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes führt Herr Mattila aus, dass es Sache des Antragstellers sei, zu entscheiden, ob die Informationen, die in einem Dokument enthalten seien, zu dem Zugang beantragt werde, für ihn von Interesse seien, und nicht Sache des Gerichts, darüber allein auf der Grundlage der Ausführungen des Organs zu entscheiden, das über dieses Dokument verfüge. Das Gericht habe daher zu Unrecht die Ansicht vertreten, dass die Verweigerung teilweisen Zugangs u. a. darauf gestützt werden könne, dass die Teile der betreffenden Dokumente so wenig Informationen enthielten, dass sie für den Kläger völlig wertlos seien (Randnrn. 69 bis 71 des angefochtenen Urteils).

21. Der Rat meint, die Schlussanträge von Generalanwalt Léger in der Rechtssache Rat/Hautala seien auf die vorliegende Rechtssache nicht unmittelbar übertragbar, weil sie die allgemeine Frage eines teilweisen Zugangs beträfen, während das Gericht im vorliegenden Fall nur die Frage angesprochen habe, ob die Tatsache, dass die betreffenden Organe diese Möglichkeit des teilweisen Zugangs nicht in Betracht gezogen hätten, Einfluss auf die Ablehnung des vollen Zugangs gehabt habe. Angesichts der Informationen über den Inhalt der streitigen Dokumente, die dem Gericht vorgelegen hätten, sei dessen Urteil insoweit nicht zu beanstanden. Der Rat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Gericht die Vorlage der streitigen Dokumente nicht habe anordnen können und dass es auf die Beschreibung des Aufbaus und des Inhalts der Dokumente durch die Beteiligten habe zurückgreifen müssen, da die Änderung von Artikel 67 der Verfahrensordnung des Gerichts (ABl. L 322 vom 19. Dezember 2000, S. 4), die diese Frage betreffe, erst am 1. Februar 2001 in Kraft getreten sei, die mündliche Verhandlung vor dem Gericht jedoch am 21. November 2000 stattgefunden habe.

22. Das angefochtene Urteil stelle das genannte Urteil Rat/Hautala nicht in Frage, nach dem der Rat verpflichtet sei, den teilweisen Zugang in Betracht zu ziehen. Im Einklang mit der Rechtsprechung habe sich das Gericht damit begnügt, zu prüfen, ob der von ihm festgestellte Rechtsfehler Einfluss auf das Ergebnis der Prüfung gehabt habe, die das betreffende Organ vorgenommen habe. Das Gericht habe somit zutreffend den Schluss gezogen, dass dies nicht der Fall sei und die angefochtene Entscheidung daher aufrechtzuerhalten sei.

23. Der Rat trägt weiter vor, zwar müsse im Allgemeinen der Antragsteller beurteilen, ob die ihm übermittelten Passagen für ihn nützlich seien, doch könne es objektive Anhaltspunkte dafür geben, dass die teilweise Übermittlung eines Dokuments dem Antragsteller offensichtlich keine weiteren Informationen als die ihm schon bekannten geben könne. Das sei hier der Fall, und Herr Mattila habe dies im Übrigen in gewissem Maße eingeräumt. Es sei absurd und widerspreche sogar den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Verwaltung und der Verhältnismäßigkeit, angepasste Versionen der Dokumente zu verbreiten, die fast ausschließlich aus weißen Seiten bestünden.

24. Nach Ansicht der Kommission ist offenkundig, dass das Gericht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geprüft und unter den besonderen Umständen des Falles angewandt habe. Das Gericht sei ausdrücklich dem Vorbringen von Herrn Mattila gefolgt, dass die Gemeinschaftsorgane die Möglichkeit hätten prüfen müssen, ob ihm wenigstens der teilweise Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten zu gewähren sei (Randnr. 66 des angefochtenen Urteils). Das Gericht habe das Argument des Rates zurückgewiesen, dass das genannte Urteil Hautala/Rat nicht zu berücksichtigen sei, und habe die in diesem Urteil vorgenommene Beurteilung zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie zum Schutz der Interessen einer ordnungsgemäßen Verwaltung bestätigt und übernommen.

Würdigung durch den Gerichtshof

Zur Zulässigkeit des zweiten Rechtsmittelgrundes

25. Nach ständiger Rechtsprechung folgt aus den Artikeln 225 EG, 58 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes und 112 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, dass ein Rechtsmittel die beanstandeten Teile des Urteils, dessen Aufhebung beantragt wird, sowie die rechtlichen Argumente, die diesen Antrag speziell stützen, genau bezeichnen muss (vgl. u. a. Urteil vom 6. März 2003 in der Rechtssache C-41/00 P, Interporc/Kommission, Slg. 2003, I-2125, Randnr. 15).

26. Ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem Gericht geltend gemachten Klagegründe und Argumente einschließlich derjenigen wiederholt oder wörtlich wiedergibt, die auf ein ausdrücklich vom Gericht zurückgewiesenes Tatsachenvorbringen gestützt waren, genügt nicht den Begründungserfordernissen, die sich aus diesen Vorschriften ergeben (vgl. u. a. Urteil Interporc/Kommission, Randnr. 16).

27. Jedoch können im ersten Rechtszug geprüfte Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn der Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht beanstandet. Könnte nämlich ein Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in dieser Weise auf bereits vor dem Gericht geltend gemachte Klagegründe und Argumente stützen, so würde dies dem Rechtsmittelverfahren einen Teil seiner Bedeutung nehmen (vgl. u. a. Urteil Interporc/Kommission, Randnr. 17).

28. Wie sich aus den Randnummern 18 bis 20 dieses Urteils ergibt, entspricht der zweite Rechtsmittelgrund den oben beschriebenen Begründungserfordernissen.

Zur Begründetheit des zweiten Rechtsmittelgrundes

29. Zum ersten Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Randnummer 71 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass der Rat und die Kommission die Möglichkeit, teilweisen Zugang zu den in Rede stehenden Dokumenten zu gewähren, nicht in Betracht gezogen haben.

30. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sind diese Gemeinschaftsorgane nach den Beschlüssen 93/731 und 94/90 und entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet, zu prüfen, ob ein teilweiser Zugang zu den nicht unter die Ausnahmen fallenden Informationen zu gewähren ist; tun sie das nicht, ist eine Entscheidung, mit der der Zugang zu einem Dokument abgelehnt wird, als rechtsfehlerhaft für nichtig zu erklären (zum Beschluss 93/731 vgl. Urteil Rat/Hautala, Randnrn. 21 bis 31).

31. Das Gericht hat in Randnummer 71 des angefochtenen Urteils zu Unrecht den Schluss gezogen, dass ein solcher Rechtsfehler nicht zur Nichtigerklärung der streitigen Entscheidungen führe, da angesichts der vom Rat und von der Kommission im Verlauf des streitigen Verfahrens vor dem Gericht abgegebenen Erklärungen und unter Berücksichtigung der Natur der in Rede stehenden Dokumente dieser Fehler keinen Einfluss auf das Ergebnis der Beurteilung durch diese Organe gehabt habe.

32. Wie der Generalanwalt in den Nummern 59 und 62 seiner Schlussanträge erklärt hat, würde den Verfahrensgarantien, die in den Beschlüssen 93/731 und 94/90 ausdrücklich vorgesehen sind, ihre praktische Wirksamkeit genommen und wäre das Recht des Betroffenen darauf, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, jede ihn beschwerende Entscheidung mit einer Begründung versehen ist, damit er erkennen kann, ob die Entscheidung sachlich richtig ist oder ob sie unter einem Mangel leidet, aufgrund dessen ihre Rechtmäßigkeit in Frage gestellt werden kann, schwer beeinträchtigt, erlaubte man dem Rat und der Kommission, dem Betroffenen die Gründe für die Weigerung, ihm teilweisen Zugang zu einem Dokument zu gewähren, erstmals vor dem Gemeinschaftsrichter mitzuteilen (vgl. u. a. Urteil vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80, Michel/Parlament, Slg. 1981, 2861, Randnr. 22).

33. Allein aus diesem Grund ist Herrn Mattilas Vorbringen, dass das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sei, begründet.

34. Folglich ist das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit darin der Antrag von Herrn Mattila auf Nichtigerklärung der streitigen Entscheidungen zurückgewiesen wird; der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes sowie die weiteren von Herrn Mattila zur Begründung seines Rechtsmittels geltend gemachten Gründe brauchen nicht geprüft zu werden.

Zu den Folgen der Aufhebung des angefochtenen Urteils

35. Nach Artikel 61 Absatz 1 der Satzung des Gerichtshofes hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf, wenn das Rechtsmittel begründet ist. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

36. Da die Rechtssache zur Entscheidung reif ist, entscheidet der Gerichtshof im vorliegenden Fall den Rechtsstreit selbst endgültig.

37. Wie sich aus den Randnummern 30 bis 32 dieses Urteils ergibt, sind die streitigen Entscheidungen rechtsfehlerhaft, weil sie erlassen wurden, ohne dass der Rat oder die Kommission die Möglichkeit eines teilweisen Zugangs zu den betreffenden Dokumenten in Betracht gezogen haben.

38. Unter diesen Umständen sind die Entscheidungen der Kommission und des Rates vom 5. bzw. 12. Juli 1999, mit denen dem Rechtsmittelführer der Zugang zu bestimmten Dokumenten verwehrt wird, für nichtig zu erklären.

Kosten

39. Nach Artikel 122 Absatz 1 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er selbst den Rechtsstreit endgültig entscheidet. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Rat und die Kommission mit ihrem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen sind, sind ihnen entsprechend dem Antrag des Rechtsmittelführers die Kosten aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

  1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache T-204/99 (Mattila/Rat und Kommission) wird aufgehoben, soweit darin der Antrag des Rechtsmittelführers auf Nichtigerklärung der Entscheidungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften und des Rates der Europäischen Union vom 5. bzw. 12. Juli 1999, mit denen dem Rechtsmittelführer der Zugang zu bestimmten Dokumenten verwehrt wird, zurückgewiesen wird.

  2. Diese Entscheidungen werden für nichtig erklärt.

  3. Im Übrigen wird das Rechtsmittel zurückgewiesen.

  4. Der Rat und die Kommission tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Gulmann
Cunha Rodrigues
Puissochet

Schintgen
Macken

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 22. Januar 2004.

Der Kanzler
Der Präsident

R. Grass
V. Skouris


Quelle: www.curia.eu.int

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:24
EuG: Zugang zu Dokumenten http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=19242




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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:27
BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2020: Keine strafrechtliche Verurteilung wegen bloßer Weitergabe einer unverpixelten Bildaufnahme an eine Presseredaktion http://www.presserecht.de/index.php?option=com_content&task=view&id=137042 Keine strafrechtliche Verurteilung wegen bloßer Weitergabe einer unverpixelten Bildaufnahme an eine Presseredaktion

BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2020 - 1 BvR 1716/17

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit heute veröffentlichtem Beschluss einer Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Pressefreiheit stattgegeben, die sich gegen eine strafrechtliche Verurteilung wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses richtet. Die Bildaufnahme war anschließend ohne ausreichende Verpixelung in einer großen Tageszeitung veröffentlicht worden. Die Kammer stellt klar, dass es Pressefotografen und Journalisten möglich sein muss, ohne Furcht vor Strafe unverpixeltes Bildmaterial an Redaktionen zu liefern. Eine strafrechtliche Verantwortlichkeit für Persönlichkeitsrechtsverletzungen durch eine spätere Veröffentlichung besteht auch dann nicht, wenn die Zulieferer die Veröffentlichung aktiv anstreben. Anderes kann nur gelten, wenn im Zuge der Weitergabe Umstände verschwiegen werden, die für die von den Redaktionen zu verantwortende Entscheidung über eine Unkenntlichmachung erheblich sind.

Quelle: BVerfG-Pressemitteilung Nr. 57/2020 vom 8. Juli 2020

Hier geht es zum PDF-Dokument der Entscheidung.

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Öffentlicher Bereich Thu, 01 Jan 1970 02:33:40